Berichte zu Datteln4

Berichte zu Datteln 4

Recht regelmäßig tauchen in der überörtlichen wie auch in der Lokalpresse Berichte über das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 auf. Wir dokumentieren hier die wichtigsten Artikel.

Konzern-Direktor berichtet über „Datteln 4“ 
Uniper nennt Zeitraum für Kraftwerks-Verkauf


Von Benjamin Kübart Redakteur , Dattelner Morgenpost , 23.11.2023


Damit der Staat Uniper retten darf, muss Datteln 4 verkauft werden. Ein Gerichtstermin könnte sich auf den Preis auswirken.


Uniper-Direktor Stefan Bünte hat im Hauptausschuss der Stadt Datteln über den anstehenden Verkauf des Kohlekraftwerks Datteln 4 berichtet. Der Staat übernahm im vergangenen Jahr 99 Prozent der Uniper-Anteile, um das Unternehmen zu retten. Die EU erlaubte die Milliardenhilfen unter der Bedingung, dass der Konzern Teile seines Geschäfts verkauft – darunter das Kraftwerk und die Fernwärmesparte „Uniper Wärme“. „Wir gehen davon aus, dass wir Uniper Wärme 2025 verkaufen werden“, erklärte Bünte. Bei Datteln 4 rechnete Uniper laut Bünte mit einem Verkauf im Jahr 2026.


​Gerichtstermin steht an

Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte den Bebauungsplan für das Kraftwerk 2021 für unwirksam erklärt, weil nicht intensiv und großräumig genug nach besser geeigneten Standorten gesucht worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig ließ Revision gegen das Urteil zu: Am 6. Dezember soll dort über die Anlage entschieden werden. Sollte das Gericht den Bebauungsplan für nichtig erklären, „dann liegt der Ball bei der Bezirksregierung. Sie kann entscheiden, das Kraftwerk stillzulegen“, erklärte Bünte.


Gibt es einen Plan B was den Verkauf angeht?“, fragte Ausschussmitglied Markus von Gilardi. „Keiner würde ein Kraftwerk kaufen, von dem er nicht weiß, wie die Zukunft gestaltet ist.“ Bünte antwortete: „Das wäre nicht gut für den Kaufpreis, das kann ich Ihnen sagen.“

Großprojekt Verhandlung


Gerichtstermin steht


An diesem Tag fällt die Entscheidung zum Dattelner Kraftwerk


Von Markus Weßling Redakteur , Dattelner Morgenpost, 11. April 2023



Der Gerichtstermin für die Entscheidung übers Dattelner Kraftwerk steht. Menschen in Datteln, Waltrop und Oer-Erkenschwick werden gespannt nach Leipzig blicken.


Werden die Gegner des Dattelner Uniper-Kraftwerks-Standorts mit einer Gerichtsentscheidung beschert, die das finale Aus für das Milliardenprojekt bedeuten würde? Oder geht das juristische Tauziehen noch einmal weiter, das die Menschen in Datteln, Waltrop und Oer-Erkenschwick seit Jahren verfolgen? Der Termin der Entscheidung steht.


Am Nikolaustag, dem 6. Dezember, wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandeln. Wir erklären, worum es geht: Eigentlich schienen die Gegner des Dattelner Kraftwerksstandortes im August 2021 schon gewonnen zu haben. Denn das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hatte den Bebauungsplan für die Anlage am Dortmund-Ems-Kanal für nichtig erklärt, weil nicht intensiv und großräumig genug nach besser geeigneten Standorten für die Anlage mit dem 180-Meter-Kühlturm gesucht worden sei.

So sah es im August 2021 in Münster aus: Die Eheleute Greiwing aus Waltrop freuten sich

mit ihrem Anwalt Philipp Heinz über das Urteil des OVG. © Weßling (Dattelner Morgenpost)

Um 9 Uhr wird mündlich verhandelt

Gegen das Urteil hatte das höchste Verwaltungsgericht des Landes NRW keine Revision zugelassen, doch dagegen wiederum kann man Beschwerde einlegen. Und die hatte vor einigen Wochen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nimmt sich nun der Sache an und lädt am besagten 6. Dezember, 9 Uhr, zu einem mündlichen Verhandlungstermin.


Rainer Köster fährt nicht nach Leipzig

Dann geht es darum, ob die Revision Erfolg hat. Also darum, ob das von Klägern erkämpfte Urteil des OVG Münster hält oder ob das Gericht Fehler gemacht hat, die zur Aufhebung des Urteils und dann wohl ztur Zurückverweisung der Angelegenheit nach Münster führen würden. Was zu einer erneuten Verlängerung des gefühlt schon ewig dauernden Rechtsstreites führen würde.


Rainer Köster wird nicht selbst nach Leipzig fahren. „Die ganze Sache ist juristisch so hoch spezialisiert, dass ich da als Laie nicht viel beitragen könnte“, sagt der Anwohner der Dattelner Meistersiedlung und Kraftwerks-Kläger. Bei Rechtsanwalt Philipp Heinz aus Berlin weiß er, ebenso wie ebenfalls klagenden Oberwieser Eheleute Greiwing, seine Interessen in besten Händen.


Ein Kläger beurteilt die Lage unterdessen anders

Während die Rechtsvertreter der Kläger betonen, dass sie weiter von einem Erfolg in der Sache ausgehen und die Revision nur zu einer Verzögerung führt, malt sich Köster auch das andere Szenario aus: „Wenn das Ganze nochmal von vorne losgeht, ich weiß nicht, ob wir dann noch dabei sind.“


Er ist inzwischen 75 Jahre alt, einige seiner Mitstreiter aus der Anfangszeit sind mittlerweile verstorben. Köster sagt, auch er sehen die aktuellen energiepolitischen Notwendigkeiten durch den Ukraine-Krieg und würde jetzt nicht für eine sofortige Stilllegung der Anlage auf die Straße gehen. Sein Punkt war stets der, auf den auch das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil abgehoben hatte: dass das Kraftwerk schlicht nicht am richtigen Standort gebaut worden sei, viel zu nah an der Wohnbebauung.

Rainer Köster (hi.), einer der Antragsteller im Normenkontrollverfahren, ist, anders als hier 2021 in Münster,

beim Verhandlungstermin in Leipzig nicht selbst dabei. © Weßling (Dattelner Morgenpost)

Das OVG vertritt ebenfalls die Ansicht: Je stärker die Auswirkungen eines solchen Projektes auf Mensch und Umwelt, desto gründlicher muss man nach einem geeigneten Standort suchen. Die Stadt Datteln und der Kraftwerksbetreiber wollten aber faktisch nur den Standort des Kraftwerks am Kanal nachträglich legitimieren, das schon fertig gebaut war. So einfach geht das nicht, sagte das Gericht.


Es geht wohl um generelle Kriterien für Standort-Suche

Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Leipziger Kollegen das anders sehen. Wahrscheinlicher ist, dass an dem Dattelner Beispiel aufgezeigt werden soll, welche Kriterien generell bei der Standort-Suche für Großanlagen gelten sollen.


Für Datteln geht es indes um nicht weniger als darum, ob das Kraftwerk stehen bleiben oder abgerissen werden muss. Denn für den Fall, dass letztinstanzlich entschieden werden sollte, dass die Anlage dort nicht stehen darf, hatte sich das Uniper-Vorgängerunternehmen im Gegenzug für eine vorzeitige Baugenehmigung dazu verpflichtet, die Anlage wieder abzureißen – auf eigene Kosten. Damals hatte man wohl nicht damit gerechnet, dass dieses Szenario eines Tages realistisch sein könnte.




Energie Kohlestrom


Das Kraftwerk Datteln 4 im Jahresrückblick

 
Wie der Ukraine-Krieg plötzlich alles veränderte


Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 25. Dezember 2022


Der Abriss des Kraftwerks Datteln 4 schien bevorzustehen. Doch 2022 brachte eine neue juristische Wendung, der Ukraine-Krieg ein neues Stimmungsbild und das Jahresende nochmal einen Paukenschlag.


Der Paukenschlag kam ganz am Jahresende: Das Uniper-Kraftwerk muss verkauft werden, damit Milliardenhilfe für den wegen der Gas-Lage angeschlagenen Besitzer Uniper fließen kann. Das passende Finale für ein Kraftwerks-Jahr, in dem auch sonst fast nichts an unerwarteten Wendungen ausgelassen wurde.

Unipers Steinkohlekraftwerk Datteln 4 unterm Regenbogen.            © Peter Friedrich

Anhand einer geometrischen Figur lässt sich am besten erklären, was sich im Jahr 2022 getan hat hinsichtlich Datteln 4 – jenes Kraftwerks-Kolosses, dessen 180 Meter hoher Kühlturm im Ostvest weithin sichtbar ist. In Waltrop sowieso, aber auch zum Beispiel in Oer-Erkenschwick. Die Figur ist ein Dreieck, genauer: das energiepolitische Dreieck. Bei Entscheidungen in der Energiepolitik gibt es drei Faktoren, die die Ecken dieser Figur bilden und die alle, theoretisch jedenfalls, gleich wichtig sind. In der einen Ecke: die Klima- und Umweltverträglichkeit. In der zweiten: die Versorgungssicherheit. Und schließlich in der dritten: die Bezahlbarkeit.


Am 24. Februar hat Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Das hat auch im Löringhof im fernen Datteln die Gewichte innerhalb des Dreiecks plötzlich verschoben. Dass von heute auf morgen Züge stillstehen, wenn Datteln 4 keinen Bahnstrom mehr liefert, diese alte Rechtfertigung fürs umstrittene Kraftwerk schien längst ein Argument aus der Mottenkiste zu sein. Es war ja auch unter den damaligen Bedingungen widerlegt. Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit von Energie: Wer sich mit diesen Gründen für Datteln 4 aussprach, fand noch bis Anfang dieses Jahres eher wenig Gehör. Das konnte man auch anders sicherstellen.


Der BUND kritisiert den grünen Minister

Umso mehr zählten die Klima-Argumente, die gegen das Kraftwerk zu sprechen schienen. „Fridays for Future“ gewann an Einfluss. Von höherer Effizienz dieses modernen Kraftwerks im Vergleich zu den alten Mühlen wollten sie dort nichts hören, für sie war es komplett aus der Zeit gefallen, angesichts des bevorstehenden Kohleausstiegs nun dieses riesige Kraftwerk noch ans Netz zu nehmen. Noch gar nicht so lange ist es also her, dass Datteln 4 zum neuen „Hambacher Forst“ zu werden schien. Sprich: in den Haupt-Fokus der Klimabewegung geriet, mit ihren umstrittenen Protestaktionen, die teils bundesweit Schlagzeilen machten.


Und dann das: Ausgerechnet als mit Robert Habeck ein grüner Bundeswirtschaftsminister ins Amt kommt, verschiebt der Krieg die Akzente. Plötzlich ist die Frage: Woher bekommen wir unsere Energie jetzt überhaupt, und zu welchem Preis? Umwelt- und Klimaschutz-Fragen müssen zurücktreten. Wer damit in einschlägigen Facebook-Gruppen kommt, kassiert schnell verbale Prügel.

Dr. Thomas Krämerkämper vom Umweltverband BUND ist mit der Linie des grünen Wirtschaftsministers Habeck überhaupt nicht einverstanden. Zu allem Überfluss schien der Minister jetzt auch noch Kraftwerks-Besitzer zu werden. Im Zuge der Gaskrise wird Betreiber Uniper verstaatlicht. Allerdings nun doch ohne das Kraftwerk – siehe oben.


Die Klima-Aktivisten sind jetzt in Lützerath

Plötzlich steht auch ein Aspekt wieder im Fokus, der über Jahre ausgeblendet wurde: Auch wenn die Verbindungen zu Putins Russland gekappt werden, so sind doch auch die anderen Kohle-Lieferländer vielfach keine Vorbilder hinsichtlich Demokratie, Menschenrechten und Abbaubedingungen. Beispiel Kolumbien. Aber wer will das so genau wissen? Der Zeitgeist ist plötzlich ein ganz anderer. Kohlekraftwerke? Ja, bitte! Und das Dattelner Kraftwerk steht nun schonmal da, also lasst es halt auch laufen. So reden viele. Die Klimabewegung konzentriert sich derweil erstmal auf Lützerath im Kreis Heinsberg, ein Dorf, das man nicht dem Braunkohle-Tagebau preisgeben will. Mitte Januar steht die Räumung des Ortes bevor.


Parallel läuft hinsichtlich Datteln 4 derweil jenes juristische Schauspiel weiter, gegen das sich ein Kaugummi wie ein unflexibles Gebilde ausnimmt. Hier geht es um keines der Ecken unseres Dreiecks, nicht um Versorgungssicherheit, nicht um den Preis, auch nicht – jedenfalls nicht für die Richter des Oberverwaltungsgerichts in ihrem Urteil entscheidend – um Umwelt- und Klimaaspekte. Auch wenn das juristische Verfahren von interessierter Seite natürlich immer wieder mit diesen Themen aufgeladen wird.

Es geht um etwas ganz anderes, und diese durchaus lokale Debatte wurde schon geführt, als Fridays-for-Future-Greta Thunberg noch ein Kleinkind war: Steht das Kraftwerk am richtigen Platz, so nah an der Wohnbebauung in der Dattelner Meistersiedlung? Oder bekommen Rainer Köster aus Datteln und die Eheleute Greiwing aus Oberwiese als Kläger doch final Recht? Vergangenes Jahr sah das so aus. Das OVG hatte, grob verkürzt, gesagt: Je größer die Auswirkungen eines solchen Projektes sind, desto weiträumiger muss man nach einem verträglichen Standort suchen. Das aber hat man nach Überzeugung der Richter auch im zweiten Anlauf nicht getan. Es war vielmehr eine Pseudo-Suche: Man „prüfte“ Alternativen, nur um festzustellen: Der beste Ort fürs Kraftwerk ist dort, wo es schon steht. Das ließ das Gericht so nicht durchgehen.


Und noch eine juristische Extra-Runde

Also, nach jahrelangem Streit, der Abriss des milliardenteuren Baus? Der müsste auf Kosten des Betreibers geschehen, so hatte es der damalige Besitzer Eon seinerzeit für den Fall einer finalen Gerichtsentscheidung gegen das Projekt unterschrieben, um vorzeitig mit dem Bau loslegen zu können. Dass ein Kraftwerk, das auf nicht dafür genehmigtem Grund steht, auch seine Betriebserlaubnis verlieren würde, schien nach dem Urteil nur Formsache. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Kraftwerksgegner frohlockten. Doch dann, Mitte Oktober, noch eine Volte: Die Bundesverwaltungsrichter in Leipzig sagen auf eine entsprechende Beschwerde hin: Revision gibt‘s doch. Also: Noch eine juristische Runde. Die wievielte eigentlich?


Ein Ausblick darauf, wie es 2023 mit dem Kraftwerk weitergehen könnte? Wer das Projekt über all die Jahre verfolgt hat und alleine die Wendungen sieht, die es 2022 erfahren hat, der hält sich damit wohl besser zurück.

Kohlestrom Fernwärme


Uniper muss verkaufen


Das umstrittene Kohlekraftwerk Datteln 4 wechselt erneut den Besitzer


von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 21. Dezember 2022


Das umstrittene Kohlekraftwerk in Datteln bekommt seinen dritten Eigentümer: Damit der angeschlagene Betreiber Uniper Milliardenhilfen bekommen kann, muss er sich von der Anlage trennen.


Das kommt überraschend: Das Uniper-Kohlekraftwerk am Dortmund-Ems-Kanal in Datteln muss verkauft werden. Die EU-Kommission hat die deutschen Milliardenhilfen für den angeschlagenen Gasimporteur genehmigt, hat aber den Verkauf von einer Reihe von Geschäftsbereichen zur Bedingung gemacht. Dazu gehört auch das moderne, erst 2020 in Betrieb genommene Kohlekraftwerk, das rechtlich auf höchst wackeligen Füßen steht und ohnehin spätestens im Zuge des Kohleausstiegs 2038 vom Netz muss. Bis 2026 müssen die betreffenden Geschäftsteile verkauft werden.


Das Dattelner Kraftwerk, das Anwohner und Klimaschützer seit langem bekämpfen, bekäme damit schon den dritten Eigentümer in seiner kurzen Geschichte: Gebaut hatte die Anlage ursprünglich seit 2007 die Eon Kraftwerke GmbH. Uniper entstand später durch Abspaltung des konventionellen Erzeugungs-Geschäfts. Seit 2020 gehörte Uniper mehrheitlich dem finnischen Energieunternehmen Fortum.

Neuer Eigentümer müsste Abrisskosten tragen

Vor einiger Zeit hatte ein ehemaliger Unternehmensinsider der Zeitung „Handelsblatt“ gesagt, falls Uniper Datteln 4 abstoßen müsse, sei das „eine politische Entscheidung“ und „strategisch nicht unbedingt verständlich“. Er schätzte, dass Uniper mit dem Verkauf des Steinkohlekraftwerks womöglich zwischen 700 Millionen und einer Milliarde Euro erlösen könnte. Wenn Uniper gezwungen werde, das Kraftwerk zu verkaufen, wirke sich das negativ auf den Verkaufspreis aus, weil Käufer wüssten, dass Uniper verkaufen muss. Während ein Gaskraftwerk in Ungarn, das Uniper ebenfalls loswerden muss, als gut und schnell verkäuflich gilt, fragt sich, wer die Dattelner Anlage überhaupt haben will.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte jüngst den Bebauungsplan für das Kraftwerk, das am Stadtrand in der Nähe einer Wohnsiedlung gebaut wurde, auch im zweiten Anlauf für unwirksam erklärt. Nach Überzeugung des Gerichts wurde vor dem Bau nicht ausreichend nach Standort-Alternativen gesucht.

Das schien das Aus für das Milliardenprojekt zu bedeuten, jüngst wurde allerdings doch noch Revision gegen das Urteil zugelassen.

Klar dürfte in jedem Fall sein: Der Bau und Verkauf dieses letzten neuen Kohlekraftwerks in Deutschland bringt den Besitzern Verluste in vermutlich dreistelliger Millionenhöhe. Eon hatte die reinen Bau- und Planungskosten ursprünglich mit 1,2 Milliarden Euro beziffert. Der Rechtsstreit und das jahrelange Brachliegen der 1050-Megawatt-Anlage brachte weitere Kosten in dreistelliger Millionenhöhe. Und nun der Zwangsverkauf…

Das Kraftwerk steht nah an der Dattelner Wohnbebauung, was seit Jahren einer von zahlreichen Gründen für Klagen gegen die Anlage mit ihrem 180 Meter hohen Kühlturm ist. Pikant: Falls ein Abriss juristisch unabweisbar ist, hatte sich seinerzeit Eon verpflichtet, die Kosten dafür zu tragen, um trotz der anhängigen Klagen vorzeitig mit dem Bau beginnen zu können. Diese Verpflichtung träfe auch den neuen, den dritten, Besitzer der noch jungen Anlage.


​Auch das Fernwärmegeschäft muss verkauft werden

Auch das deutsche Fernwärmegeschäft gehört zu den Unternehmensteilen, die Uniper verkaufen muss. Große Teile Dattelns, darunter auch die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Vestische Kinderklinik, werden mit Uniper-Fernwärme versorgt. Ebenso wird Fernwärme von Datteln 4 unter anderem nach Recklinghausen geleitet. Unsere Redaktion erreichten bereits erste sorgenvolle E-Mails von Fernwärmekunden, die sich nun Sorgen um den Preis und die Versorgungssicherheit machen.

Am 12.10.2022 lassen die Richter am Bundesverwaltungsgericht in Erfurt – auf die Beschwerden des Betreibers Uniper und der Stadt Datteln – die Revision gegen die Urteile des OVG Münster vom 26.08.2021 zu. Die höchsten deutschen Verwaltungsrichter sehen eine „grundsätzliche Bedeutung“ der Materie und wollen sich der Sache selbst annehmen.



Rainer Köster (75) klagt seit 13 Jahren gegen Datteln 4:


„Irgendwann muss Schluss sein“


Von Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 18. Oktober 2022


Er ist weiterhin „Gegner“ des Kraftwerks Datteln 4 – Im Jahr 2009 reichte er die bis heute laufende Klage ein. Heute sagt Rainer Köster aber: „In der jetzigen Zeit ist das Kraftwerk zu wichtig.“

Mindestens ein Jahr lang wird Rainer Köster also noch auf ein Urteil warten müssen, das rechtssicher angibt, ob das Kraftwerk Datteln 4 an Ort und Stelle am Dortmund-Ems-Kanal stehen darf – überhaupt hätte gebaut werden dürfen. Vielleicht dauert es auch noch länger. „Den Fall des Kühlturms werde ich nicht mehr erleben“, hatte er bereits 2021 gesagt, als eigentlich gefeiert werden durfte.

Denn gerade erst hatten die „Gegner“ Recht bekommen – das Oberverwaltungsgericht in Münster erklärte den Bebauungsplan 105a für das Kraftwerk Datteln 4 für unwirksam. Das Ziel schien erreicht, es wurde in der Postkutsche in Datteln gefeiert, auch wenn ein Antrag auf Revision da natürlich schon erwartet wurde. Daher auch die zurückhaltenden Worte von Köster im Hinblick auf den Abriss. Denn zu diesem hatte Uniper-Vorgänger Eon sich im Zuge eines schnellen Baustarts verpflichtet, falls das Kraftwerk nicht auf rechtssicherem Boden stehen sollte.


​Der Kraftwerksgegner hält Datteln 4 derzeit für „wichtig“

Ein Jahr später zeichnet sich ein komplett anderes Bild. Die lautstarken Töne gegen das Kraftwerk Datteln 4 sind in den aktuellen Energiekrise-Zeiten leise geworden. Selbst Rainer Köster hält Datteln 4 aktuell für „wichtig“, auch wenn er weiterhin von seinem Recht und dem falschen Standort überzeugt ist. „Wir demonstrieren nicht gegen die Entscheidung, die Revision zuzulassen“, sagt der pensionierte Polizist. „Wir wären aber auch nicht auf die Straße gegangen, wenn sie nicht zugelassen worden wäre.“


Es sind schwierige Zeiten, um über das letzte ans Netz gebrachte Kohle-Kraftwerk in Deutschland diskutieren. Schließlich sehen auch die Gegner wie Rainer Köster den aktuellen Bedarf. Und bei der aktuellen juristischen Diskussion gehe es eben nicht um die von ihm viel beklagten Abstände zur Wohnbebauung oder die ausgestoßenen Schadstoffe und auch nicht um die Notwendigkeit der Strom- und Fernwärmeproduktion. „Sondern um die grundsätzliche Frage, wie ein Standort für ein Kraftwerk zu suchen ist“, fasst Köster zusammen.


Wer profitiert also nun davon, dass die Entscheidung über den Fortbestand von Datteln 4 verschoben ist? „Die Regierung“, antwortet Köster. „Mich würde es nicht wundern, wenn das Bundeswirtschaftsministerium Einfluss genommen hätte.“ Uniper – und damit auch das Kraftwerk Datteln 4 – gehört mittlerweile bekanntlich dem Staat. „Und damit nicht nur unserem Wirtschaftsminister Robert Habeck, sondern zum Teil auch mir“, sagt Köster schmunzelnd. „Deshalb demonstriere ich auch nicht, ich bin ja Mit-Eigentümer.“


Auf die Kläger gegen Datteln 4 kommen weitere Kosten zu

Rainer Köster macht keinen Hehl daraus, dass er mit dem Aufschub durch das Revisionsverfahren „ganz gut“ leben kann. Aber für ihn und seine Mitstreiter von der IG Meistersiedlung hat das natürlich Folgen: „Die Revision kostet uns eine Menge Geld“, sagt er. Er könne die Mitglieder verstehen, die jetzt sagen: „Rainer, irgendwann muss Schluss sein, jeden Monat Geld dafür zu zahlen.“ Jedes Mitglied leistet einen Beitrag, um den Rechtsstreit gegen Datteln 4 zu finanzieren.


Rainer Köster (hi.) vor der Verhandlung am Oberverwaltungsgericht in Münster im Gespräch mit den Eheleuten Greiwing aus Waltrop, die schon 2009 vor Gericht Erfolg hatten. © Weßling

„Halte die Leute mal so lange bei der Stange, ich kann sie verstehen“, sagt Rainer Köster. Schließlich wird alles teurer, jeder schaut auf seine Ausgaben – und der 13 Jahre lange Kampf scheint aufgrund der aktuellen Ereignisse noch lange nicht zu Ende. Zuletzt unterstützte die Organisation „Client Earth“ bei den Gerichtskosten. Ebenso wie weitere private Unterstützer. Ob das weiterhin der Fall sein wird, das weiß Köster noch nicht.


Eins steht aber fest: Köster ist weiterhin von seinem Recht überzeugt. „Das Kraftwerk dort zu bauen, hat mich damals wie heute geärgert“, sagt er. „Und deswegen klage ich.“

Der Staat als Eigentümer

​Thomas Krämerkämper: Warum lässt man Kraftwerks-Betreiber Uniper nicht pleite gehen?

Muss man das Unternehmen Uniper in der Gaskrise wirklich retten? Der Castrop-Rauxeler Dr. Thomas Krämerkämper von Umweltverband BUND sagt mit Blick aufs Kraftwerk Datteln 4: Muss man nicht!


von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 23. September 2022

Dr. Thomas Krämerkämper, Mitglied des Landesvorstands des Umweltverbandes BUND, ist ein Freund klarer Worte. Auch, was die bevorstehende Uniper-Verstaatlichung und ihre Folgen fürs Kraftwerk Datteln 4 angeht. Der Energie-Fachmann fragt provokant, warum man denn das Unternehmen, das auch das Kraftwerk betreibt, als Ganzes retten müsse. „Warum lässt man es nicht insolvent gehen?“ Die „fossilen Strukturen“, sprich: Kohlekraftwerke wie Datteln 4, müssten vom Markt verschwinden. Es sei also letztlich gewünscht, dass sie pleite gehen. Wer den ökologischen Umbau wolle, der dürfe „das Scheitern solcher Strukturen nicht mit Staatseingriffen verhindern“. Man könne ja dann die zukunftsfähigen Unternehmensteile weiterführen.

Im Grunde ersetze man bei Uniper ohnehin nur einen Staat durch einen anderen als Eigentümer. Seit März 2020 ist Fortum Mehrheitseigentümer von Uniper, und dessen Mehrheitseigentümer wiederum ist der finnische Staat. Und obwohl Finnland eine sehr viel fortschrittliche Energiepolitik betreibe als Deutschland, habe selbst das, was das vom BUND so sehnlich gewünschte Ende des Dattelner Kraftwerks angeht, auch nicht die große Wende gebracht, so Krämerkämper.


​BUND-Mann will sich nicht aufs Gericht verlassen

Was durch eine Verstaatlichung von Uniper jetzt überhaupt besser werde, habe ihm noch niemand plausibel machen können. Wenn aber nun schon der Staat Eigentümer des Kraftwerks sei, dann erwarte er, dass er den Ausstieg schneller vorantreibe als im Kohlekompromiss vorgesehen. Der BUND-Fachmann will sich nicht allein darauf verlassen, dass die Klagen gegen das Kraftwerk schon zum Erfolg führen werden. Der Bebauungsplan wurde für nichtig erklärt, jetzt gibt es nur noch die Möglichkeit, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Revision gegen das Urteil zulässt. Falls nicht, wäre das wohl das Aus fürs Kraftwerk. Wäre!

Krämerkämper fordert auch, dass der Staat als Eigentümer dann den Abriss des Kraftwerks schnell umsetzt und dass dann auch die Pläne für das Industrieareal newPark endgültig ad acta gelegt werden. Schließlich gibt es dann eine freie, bereits verkehrsmäßig erschlossene Industriefläche mehr in der Region.


​Matzoll: Eine Verstaatlichung ist unausweichlich

Jan Matzoll, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag mit Wahlkreis in Oer-Erkenschwick und Recklinghausen, sagt derweil, die Verstaatlichung von Uniper habe sich in der Koalition niemand gewünscht, sie sei aber angesichts der Entwicklung auf dem Gasmarkt unvermeidlich.

Zwar ist nicht zu erwarten, dass der Staat als Eigentümer von Datteln 4 dessen Ende beschleunigt – Matzoll verweist auf das Gerichtsverfahren, das dem neuen Eigentümer solche Entscheidungen abnehmen könnte –, auf keinen Fall aber erwartet der Abgeordnete das Gegenteil, sprich eine Laufzeitverlängerung über die Vereinbarungen des Kohlekompromisses hinaus. Die Landesregierung hatte jüngst Eckpunkte für den Landesentwicklungsplan (LEP) beschlossen. Die werden als wichtiger Schritt für einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien gesehen, der den Ausstieg aus der Kohle ermöglichen soll.

Milliarden-Abrisskosten mit verstaatlicht?


Uniper: Das Kraftwerk Datteln 4 gehört künftig dem Staat –


aber was macht er damit?


Wenn es ums Kraftwerk Datteln 4 geht, muss man mit jedweder Wendung rechnen. Die Neueste: Demnächst ist der Staat Eigentümer der Anlage. Und das zu Zeiten eines grünen Wirtschaftsministers.


von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 22. September 2022


Das Musterbeispiel eines Formelkompromisses ist Legende: Die rot-grüne Landesregierung wollte 2010 über die Fortführung des Steinkohle-Blocks am Kraftwerksstandort Datteln allein die Gerichte entscheiden lassen. „Die Landesregierung selbst baut keine neuen Kraftwerke und reißt auch keine begonnenen Projekte ab“, hieß der Satz im Koalitionsvertrag. Das sollte den Weg zur Zusammenarbeit von SPD und Grünen ebnen, die in der Kraftwerksfrage uneins waren. Der damalige Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, Ex-Bundesumweltminister, hatte zuvor das Kraftwerk bei einem Besuch vor Ort einen „Schwarzbau“ genannt und vollmundig gesagt, dass jeder, der mit den Grünen koalieren wolle, sich darauf einstellen müsse „dass dieses Investment nicht zu Ende gebaut wird“.

Am Ende blieb von diesen Worten, zur Enttäuschung der Grünen-Basis im Kreis Recklinghausen, nichts. Die Politik machte den Weg frei für ein „Zielabweichungsverfahren“, das das Projekt trotz einschlägiger Gerichtsurteile doch noch retten sollte, und wusch zugleich ihre Hände in Unschuld.


​Habeck will Einfluss auf die Uniper-Geschäfte nehmen – aber wie?

Zwölf Jahre später wird das nun nicht mehr funktionieren. Nicht das Land, sondern der Bund ist es jetzt, der über das Wohl und Wehe des Kraftwerks mit seinem 180 Meter hohen, weithin sichtbaren Kühlturm unmittelbar zu entscheiden hat. Es ist die neueste Volte in einem an Wendungen wahrlich nicht armen Streit um das Milliardenprojekt am Dortmund-Ems-Kanal in Datteln, nahe der Waltroper Stadtgrenze. Anwohner sagen, es stehe zu nah an der Wohnbebauung, Klimaschützer kritisieren es als „Dreckschleuder“.



Große Töne: Jürgen Trittin nannte das Dattelner Kraftwerk bei einem Ortsbesuch 2010 einen „Schwarzbau“.

Die örtlichen Grünen-Vertreter (hier Theo Beckmann neben Jürgen Trittin) hörten es gerne,

doch am Ende arrangierten sich die Landes-Grünen mit dem Projekt. Zum Ärger der Basis.

Nun also dies: Uniper, Betreiber des Kraftwerks und unter Druck angesichts der Gaskrise, wird verstaatlicht. Wieder ist es ein Grüner, der dann unmittelbar zuständig ist: Wirtschafts- und Energieminister und Vize-Kanzler Robert Habeck. Und während alle aufs Thema Gas schauen, geht ein Satz des Ministers ein wenig unter, bei dem man in Datteln und den Nachbarstädten die Ohren spitzen sollte: Habeck kündigte nämlich an, nach der Verstaatlichung Einfluss auf das Geschäft von Uniper zu nehmen. „Und dann wird man sich die einzelnen Geschäftsfelder im Einzelnen sehr genau anschauen“, sagte er laut „Börsen-Zeitung“. Umstritten ist neben der Beteiligung an Kernkraftwerken in Schweden und der Stromerzeugung in Russland – natürlich auch das Kohlekraftwerk Datteln 4.


Der Umweltverband BUND fordert eine Kursänderung

Umweltschützer verbinden mit der Verstaatlichung Hoffnungen: Der Verband BUND mahnt an, dass der Staat nach der Übernahme Unipers dafür sorgen müsse, dass sich die Ausrichtung des Konzerns zugunsten erneuerbarer Energien ändere. Der Staat müsse für eine „schnelle Dekarbonisierung“ sorgen und das Unternehmen zu einem „relevanten Akteur der Energiewende“ machen.

Doch gut möglich, dass dem künftigen Kraftwerks-Eigentümer, was die Anlage Datteln 4 angeht, eine Gerichtsentscheidung zuvorkommt. Dirk Teßmer ist einer der Anwälte, die die Kraftwerks-Gegner vor Gericht vertreten. Er bringt in Erinnerung, dass unabhängig davon, wie der Staat als Eigentümer künftig mit dem Kraftwerk weitermachen will, tatsächlich die Richter des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster dem Projekt den Garaus machen könnten, noch bevor der Staat überhaupt gefragt ist, sich zu verhalten.


Bebauungsplan bereits zweimal für nichtig erklärt

Denn bekanntlich hat dieses Gericht den Bebauungsplan fürs Kraftwerk bereits zum zweiten Mal für nichtig erklärt. Eine Revision wurde nicht zugelassen, gegen diese Entscheidung läuft eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Das wiederum hat darüber noch nicht befunden, die Beteiligten rechnen aber bald mit Nachrichten aus Leipzig. Das oberste Verwaltungsgericht Deutschlands steigt nicht in die inhaltliche Prüfung ein, sondern schaut nur, ob das Urteil aus Münster formalrechtlich in Ordnung ist.

Sollte es beim OVG-Urteil bleiben, halten es die Kraftwerksgegner nur für eine Formalie, dass sie dann auch im Verfahren um die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, also die Betriebserlaubnis für Datteln 4, gewinnen. Die Logik: Für ein Kraftwerk, das auf einem Gelände ohne gültiges Baurecht steht, kann es auch keine Betriebserlaubnis geben. „So hat das Gericht ja schon seinerzeit entschieden, als Eon den ersten Versuch unternommen hat“, erinnert Teßmer. Damals hatte die Politik versucht, die Sache im Nachhinein zu „heilen“ – wobei man wieder bei den Grünen wäre, bei denen das heftigen internen Streit ausgelöst hatte. Damit, dass es diesmal noch einen „Heilungsversuch“ gäbe, wenn das Gericht im Sinne der Kraftwerksgegner entscheidet, ist allerdings nicht zu rechnen.


Wenn Gerichte final den Daumen senken, wird abgerissen

Wie könnte es stattdessen nun weitergehen? Obwohl das 1050-Megawatt-Kraftwerk längst steht und täglich Strom und Fernwärme produziert, bleibt es dabei: Wenn die Gerichte final gegen Datteln 4 entscheiden, muss das Betreiber-Unternehmen die ganze Anlage auf eigene Kosten wieder abreißen. „Dazu hatte sich seinerzeit Eon verpflichtet“, sagt Anwalt Teßmer. Denn bekanntlich war der damalige Betreiber so selbstgewiss, dass er glaubte, niemals in diese Lage zu kommen. Das Nachfolge-Unternehmen Uniper trat später mit allen Rechten und Pflichten ein, und das gilt nun auch für den Nach-Nachfolger, den Staat. Der stünde dann für einen möglichen Abriss gerade. Die Kosten für den Steuerzahler wären immens: Allein für den Bau und die Rechtsstreitigkeiten haben Eon und Uniper bereits um die 1,5 Milliarden Euro hingeblättert. Und ein Komplett-Abriss samt Wiederherstellung der ursprünglich grünen Fläche? Insider schätzen die Kosten auf noch einmal rund eine Milliarde Euro.

Unmittelbare Folgen für das Gerichtsverfahren durch die Tatsache, dass Uniper künftig in Staatshand ist, sieht Teßmer indes nicht. „Ich gehe nicht einmal davon aus, dass die Gegenseite jetzt ihre Anwälte auswechselt.

Erdgas-Krise



Uniper preist sein Dattelner Kohlekraftwerk an –


BUND kritisiert grünen Minister


Der Abgesang auf die Kohlekraftwerke war schon gesungen. Jetzt kommt die Gas-Krise, Uniper preist sein Kraftwerk Datteln 4 an - und Dr. Thomas Krämerkämper vom örtlichen BUND kritisiert den Grünen-Wirtschaftsminister.


von Markus Weßling, Waltroper Zeitung, 20. Juni 2022


Bringt die Gas-Krise eine Renaissance der Kohlekraftwerke mit sich, deren Ende doch eigentlich absehbar schien? Was heißt das alles für Uniper in Datteln und Trianel in Lünen? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, ausgerechnet ein Grüner, jedenfalls sagt, es solle weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen sollen Kohlekraftwerke „stärker zum Einsatz kommen“. Ein entsprechendes Gesetz soll am 8. Juli vom Bundesrat beschlossen werden und dann zügig in Kraft treten. Für eine Übergangszeit mehr Kohlekraftwerke – „das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken“.


Uniper: Kraftwerk „war schon immer strategisch höchst bedeutend“

Mit dem organisierten Umweltschutz ist der Minister damit jedenfalls nicht auf einer Linie. Dr. Thomas Krämerkämper, Vize-Landesvorsitzender des Umweltverbandes BUND und das „Gesicht“ des Verbandes in der Region, hört solche Statements mit großem Ungemach. Mit den Kohlekraftwerken, die nun mehr Energie liefern sollen, könnten ja wohl kaum solche gemeint sein, die gar nicht genehmigungsfähig seien, sagt Krämerkämper. Er meint damit insbesondere die Anlage Datteln 4 von Uniper und das Trianel-Kraftwerk in Lünen, beide unmittelbar an der Waltroper Stadtgrenze gelegen. Für die Uniper-Anlage erwartet der Umweltverband bekanntlich zeitnah das endgültige juristische Aus, nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster den Bebauungsplan bereits zum zweiten Mal aufgehoben hat. Und auch Trianel steht neben wirtschaftlichem auch unter hohem juristischen Druck. Es sei „beängstigend“, so Krämerkämper, wie Minister Habeck naturschutzrechtliche Standards um der Versorgungssicherheit willen außer Kraft setze. Dabei habe man doch in der Corona-Krise gesehen, dass man mit verhältnismäßig geringen Einschränkungen sehr viel Energie einsparen könne. Einen bevorstehenden Mangel an verfügbarer Energie sieht der BUND-Mann jedenfalls nicht.


Und Kraftwerksbetreiber Uniper selbst? Das Unternehmen äußert sich auf die schriftliche Anfrage, ob und inwiefern sich Habecks Ankündigung auf den Betrieb des Kraftwerks Datteln 4 auswirken werde, nur sehr allgemein. „Das Kraftwerk“, so schreibt Sprecherin Ilona Flechtner, „war schon immer strategisch höchst bedeutend, die aktuelle energiewirtschaftliche Situation führt dies uns nur noch viel deutlicher vor Augen“. Es folgt eine Art Werbeblock: „Die Anlage ist hocheffizient, sehr flexibel und versorgt das Ruhrgebiet in großem Umfang mit zuverlässiger Wärme. Sie läuft aktuell fast ohne Unterbrechung und deckt mit ihren über 1000 MW fast zwei Prozent des aktuellen Stromverbrauchs in Deutschland und rund 25 Prozent des deutschen Bahnstroms.“ Das Stadtwerke-Netz Trianel äußerte sich auf Anfrage dieser Redaktion zunächst nicht.


Krämerkämper: Schneller Ausbau der Erneuerbaren „der einfachste Weg“

Für Thomas Krämerkämper ist es derweil unverständlich, warum die Bundesregierung in Sachen Sicherung der Energieversorgung den komplizierten und von Widerständen gepflasterten Weg geht statt den einfachen. Stichwort Fotovoltaik: Der Ausbau müsse viel entschlossener vorangetrieben werden, als das bisher geschehe. Für Castrop-Rauxel habe man errechnet, dass der Energiebedarf der ganzen Stadt zu decken sei, wenn jedes Haus eine Solaranlage auf dem Dach hätte und man die bestehenden Windräder mit einkalkuliere. „In Waltrop sähe das wohl nicht anders aus. In Datteln ist die Struktur eine etwas andere, da müsste man nochmal hinschauen.“ Grundsätzlich aber bleibe der Weg: ein viel konsequenterer Ausbau der Erneuerbaren, statt sich bei der Energieversorgung in neue Abhängigkeiten von anderen Despoten im Ausland zu begeben.

Es qualmt und dampft wieder


​Nach 44 Tagen Stillstand:


Ist das Kraftwerk Datteln 4 jetzt noch effizienter?


Eine geplante Revision sorgte für Stillstand im Kraftwerk Datteln 4. Nach 44 Tagen ging das Uniper-Kohlekraftwerk am Samstag (4.6.) wieder ans Netz – mit einer guten Nachricht für Fernwärme-Kunden.


von Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 07. Juni 2022


Auch wenn im Kraftwerk Datteln 4 mehr als einen Monat lang kein Strom erzeugt wurde, stand der Betrieb am Uniper-Standort an der Stadtgrenze zwischen Datteln und Waltrop keineswegs still. Das bestätigt Unternehmenssprecherin Ilona Flechtner auf Nachfrage. „In dieser Zeit wurden insgesamt 1069 Arbeitserlaubnisscheine ausgestellt“, sagt Flechtner. Heißt: so viele verschiedene Instandhaltungsarbeiten wurden in diesem Zeitraum durchgeführt.

Und die positive Nachricht schickt die Uniper-Sprecherin vorweg: „Es wurde kein einziger Arbeitsunfall verzeichnet.“ Von der Planung bis zur Durchführung sei die Revision reibungslos verlaufen. „In diesen Zeiten, wo Fachleute schwer zu bekommen sind, ist das nicht selbstverständlich“, sagt sie.


​Datteln 4: Fernwärme kann schneller und effektiver produziert werden


Unter anderem seien die Aggregate kontrolliert und repariert worden. Eine neue Dampfleitung sorgt nun dafür, dass die mit Erdöl betriebenen Hilfskessel schneller hochgefahren werden können und bei diesem Prozess auch weniger Öl verbrauchen. Demnach könne also schneller und effizienter Fernwärme erzeugt werden, bestätigt Ilona Flechtner.

Es könne in Zukunft immer mal wieder zu kleineren Überprüfungen kommen, für die der Betrieb im Kraftwerk ruhen muss, sagt die Uniper-Sprecherin. Eine Revision in dieser Größe sei aber in der Regel nur alle vier bis fünf Jahre eingeplant.


Dr. Thomas Krämerkämper:


Kraftwerks-Kohle finanziert Putins Krieg mit


In Waltrop, Datteln und Oer-Erkenschwick ist Dr. Thomas Krämerkämper vom BUND als Kraftwerksfachmann bekannt. Er sagt: Die Folgerung aus der Ukraine-Krise muss die Stärkung der Erneuerbaren Energien sein.


von Markus Weßling, Waltrop, Datteln, Oer-Erkenschwick / 04.03.2022 / Lesedauer: 3 Minuten

 

Der Kraftwerksfachmann des Umweltverbandes BUND, Dr. Thomas Krämerkämper, erwartet, dass der Krieg in der Ukraine und seine Folgen in Deutschland die Energiewende beschleunigen werden – mit Folgen auch für das Kohlekraftwerk Datteln 4. Krämerkämper sagte, solange Uniper Kohle aus Russland in seinem Dattelner Kraftwerk einsetze, finanziere es Putins Krieg gegen die Ukraine mit. Er geht davon aus, dass das Kraftwerk zurzeit noch russische Kohle einsetzt. Die Kohle für die modernen Kraftwerke wird aus unterschiedlichen Ländern auf dem Weltmarkt bezogen, darunter auch fragwürdige Handelspartner wie Kolumbien.

Unser Freund und Alternativer Nobelpreisträger, Vladimir Slivyak von Ecodefense, hat zusammen mit der Right Livelihood Foundation einen klaren und dringenden Appell zum Stopp der fossilen Energiegeschäfte mit Russland veröffentlicht:

Lehre: Ausbau der Erneuerbaren muss beschleunigt werden

Krämerkämper sagt, der einzige Weg, sich aus der Abhängigkeit von fremden Energie-Lieferländern zu befreien die ja nicht nur im Falle Russlands von Despoten und undemokratischen Regierungen geführt würden, sei der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren. Er hätte es begrüßt, wenn die Bundesregierung ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für die Energiewende aufgelegt hätte, so wie sie es jetzt für die Stärkung der Bundeswehr getan hat.

Uniper jedenfalls gelange durch die Entwicklungen in der Ukraine zusätzlich unter Druck. Vorschlägen aus der Politik, jetzt über längere Laufzeiten etwa von Atomkraftwerken nachzudenken, bescheinigt Krämerkämper: „Da hat man sich keinen zweiten Gedanken gemacht.“ Die Betreiber der Anlagen jedenfalls seien nicht dafür. Zurück zu Datteln 4: Der Sprecher des Kraftwerksbetreibers Uniper, Georg Oppermann, hatte gegenüber unserer Redaktion zwar eingeräumt, dass ein Teil der Kohle für Datteln 4 aus Russland kommt. Wie hoch der Anteil ist, wollte er öffentlich aber lieber nicht sagen. Der Anteil russischer Kohle im Kohlemix für Datteln 4 sei jedenfalls „nicht unerheblich“.


Fast 70 Prozent der Trianel-Kohle kamen aus Russland

Auch beim Stadtwerke-Netz Trianel hat unsere Redaktion angefragt, wie sich der Krieg auf die Versorgung seines Kohlekraftwerks in Lünen auswirkt. Dort antwortete man zwar erst nach mehreren Tagen, dafür allerdings konkreter:

„Das Trianel-Kohlekraftwerk läuft und hat derzeit ausreichend Kohlebestände, um den Kraftwerksbetrieb aufrecht zu erhalten. Es ist richtig, dass fast 70 Prozent der Kohle, die im Trianel-Kraftwerk Lünen verfeuert wird, aus Russland gekommen sind. Wir überarbeiten das Kohle-Logistik-Konzept. Ob es zu einem Ausfall russischer Kohlelieferungen kommen wird, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen. Aber natürlich bereiten wir uns vor, um unseren Beitrag für die Versorgungssicherheit erfüllen zu können.“ Trianel blickt „mit größter Bestürzung auf die Ereignisse in der Ukraine“, erklärt sein Mitgefühl gegenüber den Leidtragenden des Krieges. Die Auswirkungen seien „in jeglicher Hinsicht noch nicht absehbar“, aber man könne „jetzt schon erkennen, dass die Energiemärkte für Brennstoffe und Strom sehr angespannt und nervös sind“.


Woher kommt die Kohle genau?

Woher aber stammt die russische Kohle für die Anlagen in unserer Region genau? Auf der Internetseite stoppdatteln4.de findet sich, jeweils mit Quellenangaben unterlegt, folgende Information: „Die aus Russland importierte Kohle kommt zu 76 Prozent aus der Region Kuzbass im Süden Sibiriens. Auf einer Fläche fast so groß wie Bayern sind 120 Minen und Tagebaue angesiedelt. Die Gesamtfläche von Tagebauten und Abraum war schon 2015 mit 763 km² größer als die Fläche Hamburgs. Diese russische Kohle ist aufgrund des geringen Schwefelgehalts (weniger als ein Prozent) sehr hochwertig und beliebt.“

Was Datteln 4 angeht, so spricht Krämerkämper derweil auch an, dass der finnische Staat sicherlich auch nicht auf Dauer akzeptieren werde, dass die Kohle aus dem Land des Kriegs-Aggressors im Uniper-Kraftwerk verfeuert wird. Der finnische Staat ist mit einer Mehrheit am Uniper-Mutterkonzern Fortum beteiligt.

Kraftwerk Datteln 4: 


Bringt 2022 das Ende? Umweltverband mit Prognose


Oft schon hat man geglaubt, hinsichtlich des Kraftwerks Datteln 4 sei eine endgültige Entscheidung zum Greifen nahe. Doch diesmal spricht wirklich viel dafür, dass 2022 das entscheidende Jahr wird.


von Markus Weßling, Waltrop, Datteln, Oer-Erkenschwick / 05. Januar 2022


Es könnte jetzt schnell gehen mit der Abschaltung des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 – nach vielen Jahren erbittertem Rechtsstreit. Dr. Thomas Krämerkämper, ausgewiesener Fachmann für das Thema beim Umweltverband BUND, macht mit Argumenten deutlich, warum das aus seiner Sicht nicht nur Wunschdenken ist: Bekanntlich hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster im vergangenen Sommer den Bebauungsplan (B-Plan) für den Koloss mit dem 180-Meter-Kühlturm für unwirksam erklärt. Eine Revision wurde nicht zugelassen – genau dagegen gehen aber nun die vorläufigen Verlierer des Rechtsstreites vor. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig muss über eine „Nichtzulassungsbeschwerde“ entscheiden. Es dürfte noch deutlich vor der Jahreshälfte den Daumen heben oder senken. Prognose vieler Fachleute: Das Urteil wird wohl Bestand haben.


Formal war’s das dann aber immer noch nicht fürs Kraftwerk, denn es gibt ja noch die – ebenfalls beklagte – Betriebserlaubnis. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, erwartet Krämerkämper aber von der Genehmigungsbehörde, der Bezirksregierung Münster, dass sie dem Kraftwerk dann gleich die Betriebserlaubnis entzieht, ohne dass man erst wieder das Gericht bemühen muss. Denn, so argumentiert Krämerkämper: Dass die Betriebserlaubnis keinen Bestand haben könne, wenn es keinen gültigen B-Plan mehr gibt, das habe schon dieselbe Kammer desselben Gerichts vor Jahren klargestellt, die jetzt wieder zuständig wäre. Also sollte man sich den Umweg sparen und gleich den Deckel drauf machen. Und dann müsste tatsächlich mit dem Rückbau begonnen werden, nach Genehmigung des Entsorgungskonzeptes durchzuführen „innerhalb von 36 Monaten“, Frist nur verlängerbar, wenn ein „wichtiger Grund“ vorliegt.


„…dann braucht man keinen newPark mehr“


Krämerkämper denkt schon weiter: Wenn es nach dem BUND gehe, sollte die Fläche bevorzugt an die Landwirtschaft zurückgegeben werden, aber wenn sie schon gewerblich genutzt werde, könne man damit endlich auch die „newPark“-Planungen beerdigen. Denn bereits erschlossene ehemalige Industrieflächen gebe es in der Region zuhauf, und es würden noch mehr, je mehr Kraftwerke im Zuge des Kohleausstiegs abgeschaltet werden. Da brauche man keinen Flächenverbrauch für den „newPark“.


Uniper gibt sich weiter selbstbewusst


Für den Chef des Betreibers Uniper, Klaus-Dieter Maubach, scheint sich die Realität derweil noch ganz anders darzustellen. Von kleinlautem Aufgeben keine Spur. Im Interview mit der „Rheinischen Post“ sagte Maubach, die Planungen des Unternehmens mit dem Kraftwerk gingen „bis 2038“ – Stichwort Kohle-Kompromiss. Datteln 4 sei „das modernste Kraftwerk seiner Art und nicht einmal zwei Jahre in Betrieb. Soll es acht Jahre früher vom Netz als im Gesetz steht, brauchen wir entsprechende Entschädigungen“. Aber wenn das Kraftwerk keine Betriebserlaubnis mehr hat, ist wohl auch nicht an eine Entschädigung zu denken. Maubach sagte der „Rheinischen Post“ weiter, dann könnte man versuchen, „die gerügten Mängel in einem neuen Planungsverfahren zu beseitigen“. Das, so der Uniper-Chef, „wäre mühsam, aber wir wollen, dass das modernste Kohlekraftwerk am Netz bleibt. Andernfalls würden weniger saubere Kraftwerke die Lücke füllen“.


Krämerkämper kann kaum glauben, dass Uniper ernsthaft von einem neuen Versuch redet. Er kann die Dattelner Politik und Stadtverwaltung nur dringend davor warnen, sich für einen neuerlichen Planungsanlauf – das wäre dann der dritte – herzugeben. Bei einigen Dattelner Verantwortungsträgern bemerkt er inzwischen ein Umdenken.

Am 28. Oktober 2021 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:


CDU macht es sich zu einfach


Die Sorge der CDU für künftige Großprojekte in Datteln ist für mich nicht nachvollziehbar. Wenn die Stadt Datteln und die großen Ratsfraktionen ihre Arbeit ordentlich und den Regeln entsprechend gemacht hätten, wären die OVG-Urteile in Münster sicherlich anders ausgefallen. Trotz hundertfacher deutlicher Einwände von Dattelner Bürgern gegen die Rechtmäßigkeit der Bebauungspläne für das Großprojekt Datteln 4 (105, 105a) wurden die Pläne mit Hilfe der Mehrheit der Ratsmitglieder beschlossen.


Aufgrund einer Klage von Anwohnern wurde 2009 der Bebauungsplan 105 vom OVG Münster für unwirksam erklärt. Das Urteil wurde auf sage und schreibe über 100 Seiten begründet, unzählige Abwägungsfehler wurden festgestellt und genau beschrieben. Detaillierter kann man die von der Stadt Datteln gemachten Fehler kaum ausführen. Damals wurde die Revision vor dem BVerwG ebenfalls nicht zugelassen. So wie heute meinte man damals genauso, mit einer Nichtzulassungsbeschwerde bei eben diesem Gericht das Urteil durch eine Revision ändern zu können. Die Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig damals eindeutig zurückgewiesen. Das Urteil wurde rechtskräftig.


Durch nach meiner Ansicht kräftiger Lobbyarbeit bei unseren Politikern im Bund und vor allem im Land NRW wurde das Urteil des OVG ad absurdum geführt. Man versuchte, den Landesentwicklungsplan (wo Datteln 4 an einer anderen Stelle vorgesehen war) zunächst per Gesetz zu ändern. Als man damit nach dem Regierungswechsel keinen Erfolg hatte, kam ein anderer juristischer Winkelzug zum tragen, es wurde ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren durchgeführt. Jetzt konnte Datteln 4 weiterhin an der heutigen Stelle geplant werden, ohne den Landesentwicklungsplan zu ändern. Das Ergebnis war der Bebauungsplan 105a.


Dieser wurde wie bekannt ebenfalls für unwirksam erklärt. Die Begründung wurde diesmal auf 53 Seiten aufgeführt. Dass der 10. Senat in der Begründung zum heutigen Urteil nicht die Abwägungsfehler aus dem Urteil von 2009 wiederholt, liegt auf der Hand. Es hat sich gegenüber 2009 nichts geändert.

Alle Abwägungsfehler sind geblieben und wieder gemacht worden. Ich glaube, die CDU macht es sich zu einfach, den „schwarzen Peter“ an den RVR weiterzureichen. Der Bebauungsplan der Stadt Datteln ist nicht rechtmäßig.

Rainer Köster

Am 02. Oktober 2021 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:


Keine Notwendigkeit, weiter Steuergelder zu verschwenden


Mit Erstaunen lese ich in dem Artikel, dass sich unser Bürgermeister André Dora verpflichtet fühlt, Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision im Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan 105a einzulegen, um Regressansprüche von Uniper abzuwehren.

Es ist richtig, dass sich die Stadt Datteln im Durchführungsvertrag mit EON/Uniper verpflichtet hat, in dem Falle, dass der vorgezogene Bebauungsplan 105a in einem Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt wird, die Möglichkeit einer Heilung zu prüfen.


Eine Verpflichtung ist nicht ersichtlich

Die Prüfung einer Heilung im Baurecht bezieht sich meiner Meinung nach auf eine mögliche Änderung des Bebauungsplans, jedoch ist eine Verpflichtung zum Einlegen von Rechtsmitteln für mich nicht ersichtlich. Es ist absolut fernliegend, dass aus diesem Durchführungsvertrag heraus eine Pflicht zum Einlegen von Rechtsmitteln erwächst.

Auch sehe ich nicht, dass Uniper mit Erfolg Regressansprüche an die Stadt stellen kann. Im selben Durchführungsvertrag §4 (Haftungsverzicht) verzichtet Uniper auf alle etwaigen Ansprüche, die sich aus der Unwirksamkeit der Bebauungspläne 105 oder 105a ergeben könnten, unabhängig davon, ob diese auf Aufwendungen des Vorhabenträgers vor oder nach Vertragsabschluss beruhen.

Ich meine, sehr geehrter Herr Bürgermeister, auch die Stadt Datteln muss letztendlich einsehen, dass sie mit dem Bebauungsplan für das Kraftwerk Datteln 4 an dieser Stelle einen Fehler gemacht hat.


Geld der Bürger wird eingesetzt

Es ist aus meiner Sicht nicht notwendig, trotz zweier eindeutiger Urteile des 10. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW noch weiter Steuergelder zu verschwenden, um eine unnötige Nichtzulassungsbeschwerde beim BVG zu beantragen, die wenig Aussicht auf Erfolg haben wird.

Sie sollten daran denken, es sind die Gelder der Dattelner Bürger, die Sie dafür einsetzen.

Rainer Köster

Datteln 4

Dora fürchtet Regressansprüche von Uniper


Nach dem Urteil des OVG Münster gegen den Kraftwerks-Bebauungsplan macht sich Bürgermeister André Dora dafür stark, beim Bundesverwaltungsgericht Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen.

von Uwe Wallkötter, Dattelner Morgenpost, 28. September 2021


Wie lange dampft es noch aus dem Kühlturm des umstrittenen Dattelner Kohlemeilers? © Martin Pyplatz

Das Oberverwaltungsgericht in Münster hatte Ende August in einer mündlichen Verhandlung – inzwischen liegt auch das 53-seitige schriftliche Urteil vor – nicht nur den Bebauungsplan 105a Kraftwerk wegen fehlender Abwägungsprozesse des Regionalverbandes für nichtig erklärt. Es hatte auch eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nicht zugelassen. Und dagegen möchte Dora nun Beschwerde einlegen. Die Frist dafür läuft Mitte Oktober ab, die ausführliche Begründung muss dann bis Mitte November eingereicht werden, sagt Dattelns Bürgermeister.


​Ansprüche dürften in die Millionen gehen

Wenn die Stadt Datteln diesen Schritt nicht geht, fürchtet André Dora unter Umständen Regressansprüche von Uniper wegen ausbleibender Einnahmen durch den Kraftwerksbetrieb. Und diese Regressansprüche dürften dann in Millionenhöhe ausfallen. „Ich möchte langfristig ausschließen, dass Schaden für die Stadt entsteht“, betont Dora.


​Datteln muss sämtliche Rechtsmittel nutzen

Wie er im Gespräch mit unserer Redaktion betont, gibt es einen entsprechenden Passus im sogenannten Durchführungsvertrag, den die Stadt seinerzeit mit E.on abgeschlossen hat. Darin heißt es, dass die Stadt sich verpflichtet, eine Heilung zu prüfen, falls der Bebauungsplan für das Kraftwerk rechtskräftig abgelehnt wird. So wie es 2009 bereits einmal geschehen ist. Für Dora heißt das im Umkehrschluss, dass die Stadt auch verpflichtet ist, sämtliche Rechtsmittel gegen einen solchen abgelehnten B-Plan zu nutzen. Das wäre in diesem Fall eben die Nichtzulassungsbeschwerde in Leipzig, die der Stadt als einziger juristischer Ausweg bleibt. Eine solche Beschwerde kann nach Angaben Doras auch Kraftwerksbetreiber Uniper einreichen. „Wir sind im ständigen Austausch mit dem Unternehmen.“ Dora hält diese Vertragspassage übrigens angesichts der Größenordnung des Projektes für „völlig normal“.


​Auch ein neuer B-Plan wäre theoretisch machbar

Theoretisch, so Dora, bestünde auch die Möglichkeit, einen neuen B-Plan, den 105b Kraftwerk, aufzustellen. Aber das hält der Bürgermeister allein aus zeitlicher Sicht für nicht machbar, wenn es überhaupt erneut eine politische Mehrheit im Rat dafür gebe. „Bis der fertig ist, dürfte das Kraftwerk ohnehin vom Netz sein.“ Zwar würde Datteln in diesem Fall den B-Plan 105a eins zu eins kopieren. Aber dafür müsste dann auch der vom OVG kritisierte Regionalplan geändert werden, über den Datteln 4 Ende August gestolpert war.


​Politik soll ins Boot geholt werden

Über den Gang vors Bundesverwaltungsgericht könnte der Bürgermeister auch allein entscheiden. „Einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung“, heißt das im Verwaltungsdeutsch. Aber Dora möchte auch die Dattelner Politik beteiligen. „Schließlich hat der Rat ja auch über den Bebauungsplan fürs Kraftwerk entschieden“, betont Dora. Deshalb wird es in der kommenden Woche eine interfraktionelle Sitzung geben, an der auch die juristischen Berater der Stadt teilnehmen werden. „Dort wollen wir über die weiteren Schritte reden“, sagt der Bürgermeister.


​Bök: Schaden von der Stadt abwenden

Wir haben in dieser Sache schon einmal einige Lokalpolitiker befragt. CDU-Chef Dr. Patrick-Benjamin Bök sagt: „Wenn da im Vertrag Punkte drin sind, die z.B. im Rat nicht richtig oder vollständig vorgetragen wurden, dann muss das natürlich aufgearbeitet werden. Ob und für wen das dann wie auch immer geartete Konsequenzen haben muss, das kann ich beim jetzigen Stand der Informationen nicht sagen.“ Grundsätzlich sieht er aber eher die Planungsbehörde in der Pflicht. Klar sei: „Wir müssen zusehen, wie Schaden von der Stadt abgewendet werden kann.“


​Wenn das Kraftwerk weg muss, dann schnell

FDP-Fraktionsvorsitzender Robert Golda betont, dass die Liberalen das Thema in der nächsten Fraktionssitzung diskutieren werden. „Ich persönlich sage, jetzt haben wir ein Urteil, damit müssen wir arbeiten. Begeistert bin ich nicht von dem ganzen Vorgang, denn jetzt wurde viel Geld investiert. Aber es gibt ein Urteil, das sagt, das darf da nicht stehen.“ Wenn man also zu dem Schluss komme, das Kraftwerk muss weg, dann müsse das so schnell wie möglich umgesetzt werden. „Man muss jetzt bereits anfangen, zu planen, wie die Infrastruktur der Stadt Datteln aufrechterhalten werden kann, egal, zu welchem Zeitpunkt das Kraftwerk abgeschaltet werden soll.“ Golda denkt da etwa an die Versorgung der Fernwärmeabnehmer. „Ich bin da ergebnisoffen. Wir sollten jetzt schauen, welche Möglichkeiten es gibt. Vielleicht ein Biogas-Kraftwerk.“


​Abrissverfügung für einen Schwarzbau

Fakt aber ist für Dora, dass Uniper das Kraftwerk – wie vertraglich vereinbart – zurückbauen muss, wenn es keinen gültigen Bebauungsplan gibt. Das wäre der Fall, falls Leipzig dem Oberverwaltungsgericht Münster folgt und eine Revision nicht zulässt, ober aber, wenn das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren der Auffassung von Münster folgt und den B-Plan ebenfalls kippt. Dann wäre Datteln 4 endgültig ein Schwarzbau und die Stadt müsste die Abrissverfügung an Uniper verschicken, sagt Dora.

Gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Kraft­werks aus dem Jahr 2017 sind übrigens noch Klagen beim 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts anhängig. Wann die verhandelt werden, ist völlig offen.

Der 10. Senat des OVG NRW tritt zur Verhandlung über den BPlan für Datteln 4 zusammen.

Uniper-Kraftwerk Datteln 4:


Anwalt des Widerstandes übt Kritik an Ratspolitikern


Der Kampf gegen Datteln 4 zieht sich durch die Karriere des Berliner Anwaltes Philipp Heinz (47). Die Ratsvertreter von 2014 hätten es besser wissen müssen, sagt der Jurist.

von Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 2. September 2021


Einen Prozess gegen Datteln 4 hat Umweltanwalt Philipp Heinz in seiner beruflichen Karriere noch nicht verloren. 2009 vertrat er die Waltroper Familie Greiwing erfolgreich im ersten Normenkontrollverfahren gegen den ursprünglichen Bebauungsplan für das Kohle-Kraftwerk Datteln 4 und erwirkte den zwischenzeitlichen Baustopp. Seit 2011 hatte er rund 60 Dattelner und Waltroper Privatpersonen während des Aufstellungsverfahrens des neuen Bebauungsplanes 105a gegenüber der Stadt Datteln vertreten. Auch beim aktuellen Verfahren zur Normenkontrolle am 26. August 2021 hatte er vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Erfolg.


Berliner Anwalt nimmt Dattelner Ratspolitiker in die Pflicht

Und für Philipp Heinz steht fest: Wer sich jetzt von den damaligen Entscheidern auf lokalpolitischer Ebene in Datteln überrascht zeigt, „hat damals schlicht und ergreifend seinen Job nicht gemacht.“ Denn zwei Stellungnahmen, die er im Jahr 2011 an die Stadt Datteln im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung sowie der Auslage des Flächennutzungs- und Bebauungsplanes schickte, würden genau die Kritikpunkte beinhalten, die letztendlich nun vor Gericht dazu geführt haben, dass der B-Plan 105a für unwirksam erklärt wurde. Er habe „exakt das geschrieben und massiv gerügt“, was nun vor Gericht zum Erfolg geführt hat.


Insbesondere die Aussagen von Peter Amsel, der 2014 als Fraktionschef der FDP im Rat fungierte, will er so nicht stehen lassen. Offenbar haben Amsel und weitere Stadträte von 2014 seine mit „aller Sorgfalt und Ausführlichkeit“ verfasste Stellungnahme im Namen von 60 Bürgern und zwei großen Umweltverbänden nicht gelesen, offenbar nicht einmal zur Kenntnis genommen. „Das wäre aber seine zentrale Pflicht als Stadtrat gewesen“, kritisiert Heinz. Amsel hatte im Nachgang des OVG-Urteils gesagt, die Standort-Frage sei bei der Aufstellung des neuen B-Plans in Datteln nie ein Thema gewesen.


Kritik an der Standortsuche gab es schon im Jahr 2011

Tatsächlich habe Heinz die „stark fehlerhafte Standortalternativensuche, auf die sich die Stadt Datteln beruft“, schon 2011 moniert, „weil eine Einschränkung auf den alten Regionalplan Emscher-Lippe erfolgt ist und weil die Kriterienauswahl fehlerhaft ist.“ Dies habe er ausführlich formuliert und auch für einen Nichtjuristen verständlich dargelegt. „Und ansonsten muss man als Stadtrat eben so lange nachfragen, bis man es verstanden hat“, sagt Heinz. Auch gegenüber des Regionalverbandes Ruhr habe Heinz eine Stellungnahme mit diesen Kritikpunkten im Jahr 2011 im Rahmen der Beteiligung zur 7. Änderung des Regionalplans deutlich gemacht.


Nicht nur die vermeintliche Unwissenheit, auch die Aussagen von Peter Amsel bezüglich des nicht vorhandenen, öffentlichen Widerstandes stoßen dem Berliner Rechtsanwalt sauer auf. „Was soll das denn bitte heißen? Richtet sich Herr Amsel nur danach, wer am lautesten schreit? Ist nur das ,Widerstand‘? Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans für eines der größten und immissionsträchtigsten Kohlekraftwerke Europas geht es um eine intensivste Auseinandersetzung mit fachlichen und rechtlichen Gesichtspunkten“, führt Heinz aus. Offenbar würde es für Peter Amsel nicht zählen, wenn 60 Bürger, die vornehmlich aus der Stadt kommen, in der er Ratsherr war, und „massiv von dem Vorhaben betroffen sind“, sich zusammentun und zudem einen Anwalt finanzieren, der eine 140-seitige Stellungnahme verständlich erarbeitet und im Rahmen der zentralen Öffentlichkeitsbeteiligung die Probleme und Fehler auf fast 400 Seiten aufarbeitet, meint Heinz.


Datteln kann auch ohne Kraftwerk mit Fernwärme versorgt werden

Auch um die Fernwärmeversorgung in Datteln machte sich Peter Amsel im Zuge des OVG-Urteils Sorgen. Philipp Heinz verweist auf die errichtete Fernwärmepipeline, die Datteln an den Verbund Recklinghausen angeschlossen hat. Der von Eon errichtete Fernwärmeblock, der in Betrieb genommen wurde, als das Altkraftwerk abgeschaltet wurde und Datteln 4 noch nicht in Betrieb war, würde zudem vollkommen ausreichen, um Datteln mit Fernwärme zu versorgen. „Nur zur Dimension: Datteln 4 hat eine Feuerungswärmeleistung von 2.400 Megawatt. Das Fernwärmenetz von Datteln kann selbst im Winter maximal 58 Megawatt aufnehmen. Sprich, die Dattelner Fernwärme nimmt rund 2,5 Prozent der Feuerungsleistung dieses Kraftwerks auf“, wird Heinz deutlich.

Dass sich Betroffene gegen Fehler des Staates und der Behörden wehren können, würde noch lange nicht dazu führen, dass der Industriestandort Deutschland in Gefahr gerät, wie es Peter Amsel befürchtet, stellt Philipp Heinz klar. „Das ist doch vielmehr der Inbegriff des Rechtsstaats!“ Eher würde es daran liegen, dass die Entscheidungsträger – „inklusive Herrn Amsel“ – frühzeitige Kritik von Betroffenen und Umweltverbänden „in den Wind schieben bzw. gar nicht erst zur Kenntnis nehmen“.

Während der kleinen Feier nach dem OVG-Urteil in der Postkutsche teilte Philipp Heinz den Kraftwerksgegnern von IG Meistersiedlung und BUND mit, dass er in bis zu einem Jahr mit dem Aus für Datteln 4 rechne. Noch ist derweil unklar, wie Uniper im Zuge des ungültigen Bebauungsplanes mit dem Kohlekraftwerk plant. Der nächste Schritt der Gegner wäre eine Klage gegen die Betriebserlaubnis, wenn der Energiekonzern Uniper nicht schon vorher in Verhandlungen mit der Bundesregierung über ein Aus für Datteln 4 tritt.


Kraftwerk soll ab 2026 unwirtschaftlich sein

Nach Berechnungen des Analyseinstituts „Energy Brainpool“ im Auftrag der Öko-Energieversorger „Greenpeace Energy“ würden die Betriebskosten des Kraftwerks bei steigenden CO2-Preisen bereits 2026 die Verkaufserlöse von dort produziertem Kohlestrom übersteigen, was das Kraftwerk unwirtschaftlich werden ließe. „Datteln 4 rechnet sich nur dann, wenn die nächste Bundesregierung bewusst die Energiewende ausbremsen sollte, etwa mit niedrigen CO2-Preisen oder einem langsamen Ausbau der Erneuerbaren. Das aber wäre ein umweltpolitischer Offenbarungseid – und ein klarer Verstoß gegen die selbst gesetzten Klimaziele“, kommentiert Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy, die Berechnungen. Immer wahrscheinlicher wird die Möglichkeit, dass Uniper schon vor einem Prozess gegen die Betriebserlaubnis mit der Bundesregierung über ein Aus des letzten Kohlemeilers, der in Deutschland ans Netz gegangen ist, verhandelt. „Dabei darf die Politik sich nicht auf saftige Entschädigungszahlungen einlassen. Solch offensichtliche und fahrlässige Fehlinvestitionen sollten den Kohlekonzernen nicht auch noch auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vergoldet werden“, bezieht Keiffenheim Stellung zu den möglichen Forderungen in Millionenhöhe von Betreiber Uniper.

2021: Wieder haben Philipp Heinz, die Greiwings sowie die Mitkläger der IG Meistersiedlung und des Umweltverbandes BUND Erfolg bei dem Verfahren zur Normenkontrolle: Auch der zweite Bebauungsplan ist für unwirksam erklärt worden. Mehr als zwölf Jahre befasst sich der Berliner Anwalt nun schon mit dem Kohle-Kraftwerk in Datteln. © Markus Weßling (Dattelner Morgenpost)

Am 02. September 2021 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:


„Besser gleich auf die Grünen hören“


„Nach dem Gerichtsbeschluss zum Bebauungsplan des Kraftwerks schlagen die Wellen in der Dattelner Politik hoch. Die Fraktionen der SPD, CDU und FDP geben eine gemeinsame Stellungnahme heraus. Allein diese verfehlt das Thema. Anstatt sich mit dem Gerichtsbeschluss und der eigenen Verantwortung bei der größten juristischen Schlappe unserer Stadt seit dem Scheitern der ersten Trasse der B 474n in den 90ern zu beschäftigen, machten die Verfasser einen Nebenkriegsschauplatz auf. Die Fraktionen von SPD, CDU und FDP klagten über eine Veröffentlichung der Dattelner Grünen, in der Theo Beckmann das Gerichtsurteil feierte. Die wenig diplomatische Wortwahl des Grünen machte insbesondere Falko Böhlje von der SPD „fassungslos“. Fakt ist jedoch, dass mit dem von SPD, CDU und FDP aufgestellten Bebauungsplan Recht und Gesetz gebrochen wurde. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Münster unmissverständlich festgestellt.

Eine Absicht zum Rechtsbruch darf den drei Parteien dabei selbstverständlich nicht unterstellt werden – was Herr Beckmann übrigens nicht tut. Die Ratsmitglieder der SPD, CDU und FDP haben damals vielmehr in der besten Absicht, doch mit wenig Sachverstand den neuen Bebauungsplan aufgestellt. Ehrenamtlichen Ratsmitgliedern oder „Amateur-Politikern“, wie sie der langjährige CDU-Ratsherr Walter Deckmann nennt, mag man diese mangelnde Kompetenz nachsehen. Bei einem hauptberuflichen Verwaltungschef mit jahrelanger juristischer Erfahrung fragt sich der außenstehende Beobachter dagegen, ob eine solche Blamage vor Gericht nicht hätte verhindert werden können. Wie dem auch sei, nun geht es darum, mit dem Urteil umzugehen und, aller Voraussicht nach, das Kraftwerk mittelfristig zurückbauen zu lassen (wobei das Alte ja auch noch steht). Es bleibt zu hoffen, dass der Rat unserer Stadt und unser Bürgermeister dieser schwierigen Aufgabe gewachsen sind. Ein Anfang ist bereits gemacht: In ihrer gemeinsamen Stellungnahme schrieben SPD, CDU und FDP, dass sie den Rat als ein „Team für die Bürger und Bürgerinnen“ von Datteln aufstellen wollen – also nicht weiter als ein Team für die Interessen von Großkonzernen. Dann hören sie beim nächsten Mal am besten gleich auf die Grünen. Deren Politik erwies sich als bürgernah, zukunftsweisend und und vor allem rechtssicher.

Malte Christ

"Damit ist die Betriebsgenehmigung rechtswidrig"


Was passiert mit dem Kohlekraftwerk Datteln 4, nachdem der Bebauungsplan gerichtlich für unwirksam erklärt wurde? Eigentlich müsste daraus die Stilllegung folgen, erklärt die Juristin Francesca Mascha Klein von der Umweltrechtsorganisation Client Earth im Interview. mit Susanne Schwarz, Klimareporter, 30. August 2021


https://www.klimareporter.de/strom/damit-ist-die-betriebsgenehmigung-rechtswidrig

Datteln-4-Gegner feiern Erfolg


​„Der Anfang vom Ende“ für das Kraftwerk


Es ist ein Sieg auf ganzer Linie für die Kraftwerks-Gegner: Auch der zweite Versuch, einen rechtssicheren Bebauungsplan für Datteln 4 aufzustellen, scheitert krachend.

von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 26. August.2021


Kaum sind die Worte des Vorsitzenden Richters Detlev Klein Altstedde verklungen, da fallen sich die Antragsteller erleichtert in die Arme: Der Umweltverband BUND, Privatkläger und die Stadt Waltrop haben auf ganzer Linie gewonnen. Um 15.15 Uhr an diesem geschichtsträchtigen Donnerstag steht fest: Auch der zweite Versuch, einen rechtssicheren Bebauungsplan für das Kraftwerk Datteln 4 auf die Beine zu stellen, ist gescheitert. Dr. Thomas Krämerkämper, Vorstandmitglied im BUND und seit vielen Jahren in der ersten Reihe der Kraftwerksgegner, bringt es ungewohnt gerührt auf die Formel: „Es ist noch nicht das Ende, aber der Anfang vom Ende von Datteln 4.“ Was er damit meint: Das Kraftwerk muss nicht sofort vom Netz, aber es wird nach diesem Urteil unweigerlich irgendwann dazu kommen. Und dann muss es auch abgerissen werden. Dazu später mehr.


​Die Richter waren sich sicher

Schon vor der mündlichen Verhandlung hatte sich angedeutet, dass sie zugunsten der Kläger ausgehen könnte. Doch öffentlich wollte sich da noch niemand siegesgewiss äußern – zu viele Überraschungen hatten sie schon in Verwaltungsgerichts-Verfahren erfahren. Doch diesmal erleben die Eheleute Greiwing, Reiner Köster, die Vertreter der Stadt Waltrop und ihr Rechtsbestand Dr. Anja Baars gemeinsam mit zahlreichen weiteren Besuchern und Medienvertreter einen 10. Senat aus drei Berufsrichtern, der sich seiner Sache schon von Beginn an sicher ist: Der Regionalverband Ruhr als Planungsbehörde, sagen sie, hätte frühzeitig andere Standort-Alternativen für das Kraftwerk ermitteln müssen – und dabei den Such-Radius viel weiter ziehen müssen, als es geschehen ist.


Das Prinzip ist nämlich: Je größer die umweltbezogenen Auswirkungen, desto weiträumiger muss man suchen. „Charmant“ nennt Dr. Anja Baars, Rechtsanwältin der Stadt Waltrop, diese Denkfigur. Stattdessen hat man nur in der Emscher-Lippe-Region nach Alternativen geschaut. Warum, das liegt auf der Hand: Man wollte ja in Wahrheit gar keine Alternativen finden, sondern einzig und allein das Kraftwerk diesmal planerisch absichern, das bereits am Dortmund-Ems-Kanal stand und dessen Bebauungsplan 2009 im ersten Anlauf durchgefallen war. Jetzt sollte im Nachhinein legitimiert werden, dass es dort gebaut worden war.


​Andere Aspekte? Interessieren nicht!

Doch das ging schief, wie man jetzt weiß, und der Rat der Stadt Datteln hat diese fehlerhafte Standortwahl übernommen. Richter Klein Altstedde macht am Donnerstag von Anfang an klar, dass der Senat auf dieses Thema hinauswill. Als ein Rechtvertreter der Beklagten auf einen anderen Aspekt eingehen will, bremst er ihn brüsk. Auch will er nicht hören, ob das Kraftwerk klimafreundlich oder eine Dreckschleuder ist – alles nicht entscheidungsrelevant. Politisches spielt hier keine Rolle, anders als draußen vor dem Tor des Polizei-Bildungszentrum „Carl Severin“ bei den Anti-Kraftwerks-Demonstranten mir ihren einschlägigen Plakaten.

Die Richter machen sich auch keine Notizen, wenn die Prozessbevollmächtigten ihre Standpunkte vortragen. Ein Indikator dafür, dass er all das schon gehört oder in den Akten gelesen und bereits abgewogen hat.


Die Juristen der Stadt Datteln und Planungsbehörde versuchen mit langen Erörterungen zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Am Ende präsentieren sie noch eine Liste mit Fragen von vermeintlich übergeordneter Bedeutung, die dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt werden sollen. Würde das Gericht dem folgen, würden die Beteiligten nach jahrelangem Warten wieder ohne ein Urteil nach Hause gehen. „Wir werden darüber entscheiden“, sagt der Richter knapp. Da ahnt man schon: Die Entscheidung fällt nicht zugunsten jener aus, die das Kraftwerk retten wollen. Und so kommt es dann auch: Nach einer Pause von gut einer Stunde wird das Urteil verkündet. Der Bebauungsplan ist unwirksam, eine Revision wird nicht zugelassen, der EuGH wird auch nicht mit dem Fragenkatalog behelligt.


​Klagerecht gut für die Waltroper Stadtkasse

Freude auch bei der Stadt Waltrop, deren Vertreter sich vor Beginn der Verhandlung unsicher waren, ob das Gericht sie überhaupt für klageberechtigt hält. Doch das war der Fall. Ein aus dem Nichts kommender Versuch der Gegenseite, das mitten in der Verhandlung noch einmal in Zweifel zu ziehen, läuft komplett ins Leere. Ganz nebenbei ist die Klageberechtigung auch gut für die klamme Stadtkasse. Wäre Waltrop nicht berechtigt gewesen, dann wäre man auf den Anwaltskosten sitzen geblieben.


Das Urteil steht am Nachmittag fest, doch das OVG beeilt sich, in einer Pressemitteilung zu erklären, dass es nicht bedeutet, dass das Kraftwerk jetzt abgeschaltet werden muss. Es folgt noch die Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, also die eigentliche Betriebserlaubnis, und die ist noch nicht einmal terminiert. Wenn man mit den Kraftwerksgegnern spricht, ist die Sache klar: Ein Kraftwerk, das kein Baurecht mehr hat, darf auch nicht mehr Strom produzieren. Das sei die einzig logische Konsequenz. In der Pressemitteilung des Gerichts liest sich das aber sehr viel zurückhaltender: „Welche Bedeutung die Unwirksamkeit des Bebauungsplans für die Rechtmäßigkeit dieser Genehmigungen hat, ist eine Rechtsfrage, über die der 8. Senat zu entscheiden haben wird.“ Erst einmal aber ist damit zu rechnen, dass die Unterlegenen sich nicht damit abfinden, dass keine Revision zugelassen wurde. „Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist das Ungetüm-Wort für das Rechtsmittel, das ihnen noch zur Verfügung steht. Wie gesagt, das Ende fürs Kraftwerk bedeutet dieser Donnerstag noch nicht. Aber es ist ein großer Schritt in diese Richtung.

Umweltverband BUND


Klage gegen Datteln 4:


„Das ist noch nicht das große Finale“


Am 26. und 27. August wird in Münster auch die Klage des Umweltverbandes BUND gegen den Bebauungsplan des Kohle-Kraftwerks Datteln 4 verhandelt. Für Dirk Jansen ist das nur der Auftakt.


von Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 30. Juli 2021

Die Argumente vom Umweltverband BUND sind nicht neu. Bereits 2006 haben die Naturschützer ihre Einwände eingereicht. Auf diesem Foto sieht man BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen (li.) und Dr. Thomas Krämerkämper, der für den BUND vor Ort gegen das Kraftwerk kämpft, im Dezember 2011 vor dem damaligen Kraftwerks-Neubau. © Stefan Huxel (Archiv)

Der Umweltverband BUND sei gerüstet für die beiden Verhandlungstage am 26. und 27. August in Münster – viel besser noch als bei den ersten Einwendungen im Jahr 2006 und 2007, sagt Dirk Jansen, Geschäftsleiter für Umwelt- und Naturschutzpolitik in der NRW-Landesgeschäftsstelle der Naturschützer. Und es soll nicht die letzte Verhandlung vor Gericht sein, die das Ziel verfolgt, dass Betreiber Uniper das Kraftwerk zurückbauen muss und es somit deutlich früher als zum geplanten Kohleausstieg 2038 vom Netz geht.

„Wir betreiben solche Klagen nicht aus Jux und Dollerei“, wird Dirk Jansen deutlich, „sondern weil wir klare Rechtsverstöße sehen.“ Und die hätten nach wie vor Bestand. Beim anstehenden Normenkontrollverfahren zum Bebauungsplan geht es natürlich um die Abstände zur angrenzenden Meistersiedlung. Aus BUND-Sicht wird durch den nicht eingehaltenen Mindestabstand die direkte Nachbarschaft noch deutlich höher von dem Emissionsausstoß von Datteln 4 belastet.


Bebauungsplan ist nur der Auftakt: Immissionsschutz soll folgen

Und das Urteil gegen den B-Plan ist aus Sicht des Naturschutzbundes auch Richtungsweisend für die Immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Kraftwerks. „Denn der Bebauungsplan ist die Grundlage dafür. Ohne ihn ist auch die Genehmigung futsch“, erklärt Jansen. Trotzdem sei die Verhandlung über den B-Plan „noch nicht das große Finale“.

„Wir haben juristisch schon unheimlich viel bewegt“, blickt Jansen auf die vergangenen 15 Jahre zurück, die der Naturschutzbund schon gegen die Kohle-Kraftwerke kämpft. Mehrfach habe man Datteln 4 gestoppt, aber die Politik habe die Interessen von Eon und später Uniper verfolgt, kritisiert Jansen. Er erinnert sich noch gut an die Mitte der 2000er-Jahre. 20 Kraftwerke sollten damals noch gebaut werden. Neben Datteln 4 und Trianel in Lünen waren das unter anderem Herne 5 oder eine Anlage in Krefeld. „Und die Betreiber sind uns heute immer noch dankbar, dass wir das verhindert haben“, sagt Jansen. Denn aus wirtschaftlicher Sicht seien sie schlichtweg nicht rentabel.

„Das Ding will keiner haben, weil es keiner braucht“, schimpft Dirk Jansen über die 1050-Megawatt-Anlage, „es ist machbar, ohne die Fernwärme-Versorgung zu gefährden, ohne dass eine Bahnlinie nicht mehr fahren kann und ohne dass es dunkel wird zu Hause.“ Die Fernwärme könnte aus seiner Sicht zum Beispiel jetzt schon komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden – der BUND fordert einen deutlich früheren Kohleausstieg bis 2030.


„Klima-Sünder“ Armin Laschet ignorierte die Kohle-Kommission

Die Klima-Bedenken des Naturschutzbundes sind seit nun mehr als 15 Jahren unverändert. Dass die breite Masse erst seit 2018 – im Zuge der Klima-Streiks von Greta Thunberg in Schweden und der daraus entstehenden Fridays-for-Future-Bewegung – auf den Klimaschutz-Zug aufgesprungen ist, stört Jansen nicht. „Es gibt immer Vorreiter solcher Bewegungen. Und das waren wir“, sagt er, „aber davon profitieren wir alle.“ Auch die jüngste Klima-Katastrophe im Zuge der Starkregen und Hochwasserereignisse sieht Dirk Jansen noch einmal als „Hallo-Wach-Effekt“ an. Viele Menschen würden nun begreifen, dass es an der Zeit ist, aktiv etwas zu tun. Ob Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) einer davon ist, bezweifelt er. Er bezeichnet den Ministerpräsidenten als „obersten Klima-Sünder“, der in „beachtenswerter Art und Weise die Empfehlung der Kohle-Kommission missachtet hat.“

Bei einem Klage-Erfolg will der BUND auf die Zusicherung von Eon aus dem Jahr 2007 pochen, das Kraftwerk zurückzubauen, wenn eine Genehmigung endgültig gescheitert ist. „Vor Gericht und auf hoher See weiß man nie wo es langgeht“, sagt Jansen. Der Sekt würde zwar noch nicht kalt stehen, dennoch sei man optimistisch.

Uniper-Chef:


Früheres Aus von Datteln 4 ist eine Frage des Geldes


Klaus-Dieter Maubach ist seit Ende März im Amt. Er kündigt an, dass er die Entscheidung seiner Vorgänger, das Kohlekraftwerk in Betrieb zu nehmen, aber nicht kurzfristig revidieren werde.


von Jörn Tüffers, Dattelner Morgenpost, 26. Juli 2021


Der Chef des Energiekonzerns Uniper, Klaus-Dieter Maubach, hält einen früheren Kohleausstieg und das damit verbundene Abschalten von Datteln 4 für möglich. Wenn eine Bundesregierung sagt, dass sie über den Kohleausstieg noch mal neu sprechen wolle, dann sei das Unternehmen bereit, darüber zu sprechen, sagte der Manager, der seit März im Amt ist, in einem Interview mit dem Handelsblatt. Dies sei aber eine Frage der Kompensation, sprich: wie viel Geld die Bundesregierung Uniper dafür zahlen würde.


Uniper verweist auf bestehende Vertrge


Maubach kündigte in dem Gespräch aber auch an, dass er den Beschluss seiner Vorgänger, das umstrittene Kohlekraftwerk in Betrieb zu nehmen, nicht revidieren werde. Es sei „nahezu vollständig an unsere Kunden vermarktet. Wir haben langfristige Verträge geschlossen und damit langfristige Verpflichtungen. Das Kohleausstiegsdatum ist spätestens das Jahr 2038. Unsere Verpflichtungen, den Strom auch zu liefern, werden wir einhalten“, unterstrich der Manager im Gespräch.


Zunächst aber mache er sich darüber Gedanken, was bis 2030 ist. Maubach möchte bis 2030 die CO2-Emissionen von Uniper halbieren. In dieser Kalkulation sei Datteln 4 ein wichtiges Kraftwerk, was nach wie vor CO2 emittieren werde: „Es ist das jüngste und effizienteste Steinkohlekraftwerk und wird daher sinnvollerweise als letztes vom Netz gehen.“

Gerichtsprozess gegen Datteln 4: 


Sie kämpfen seit zwölf Jahren


Rainer Köster (73) und Frank Thiele (69) blicken auf einen langen Kampf gegen das Kraftwerk Datteln 4 zurück. Sie haben gefeiert und wieder getrauert – jetzt soll Recht gesprochen werden.


von Fabian Hollenhorst, Datteln / 16.07.2021

Rainer Köster (73/ li.) und Frank Thiele (69) vor dem Kohlekraftwerk Datteln 4. Auf dieser Uferseite fanden in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Demonstrationen gegen den Uniper-Kohlemeiler statt. © Jörg Gutzeit

Am 26. und 27. August werden die Klagen gegen den Bebauungsplan der Stadt Datteln für das Uniper-Kohlekraftwerk Datteln 4 in einem Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster verhandelt. Gegen die Stadt Datteln klagen die Stadt Waltrop, der Umweltverband BUND sowie vier Privatpersonen der für den Protest gegen den Kohlemeiler ins Leben gerufenen IG Meistersiedlung. Zwei davon sind Rainer Köster (73) und Frank Thiele (69).

Im Jahr 2009 haben die beiden Dattelner noch gefeiert, als das Münsteraner Gericht den Bebauungsplan der Stadt Datteln gekippt hatte. So auch im Januar 2019, als die von der Bundesregierung initiierte Kohlekommission die Empfehlung ausgesprochen hatte, das Kraftwerk Datteln 4 – das letzte noch in Bau befindliche Kohlekraftwerk in Deutschland – nicht ans Netz gehen zu lassen. Die Freudentänze hielten nie lange an. Es folgten Trauer und die Erkenntnis, dass auf vielen politischen und behördlichen Ebenen bis hin zur Bundesregierung ein Interesse besteht, den Kohlemeiler in Datteln in Betrieb zu nehmen.


Der morgendliche Blick aus dem Schlafzimmer auf den Kühlturm

„Dass da solche Tricks aufgeboten wurden, um das hier zu ermöglichen….“, sagt Rainer Köster kopfschüttelnd beim Blick auf den 180 Meter hohen Kühlturm. Auch am Freitag stieg dort wieder dichter, dunkler Dampf empor. „Hier wird Recht missachtet“, sagt Köster. Davon ist der pensionierte Polizist weiterhin so überzeugt wie vor zwölf Jahren, als er die IG Meistersiedlung ins Leben gerufen hat. Sein Mitstreiter Frank Thiele ist quasi direkter Nachbar von Uniper. Die 1100 Megawatt-Anlage ist das erste, was er morgens beim Blick aus seinem Schlafzimmerfenster sieht. Und wenn im Osten die Sonne aufgeht, hat sie es in den Morgenstunden schwer, gegen die Schwaden anzukämpfen, die das Kohlekraftwerk spätestens seit der Inbetriebnahme im Mai 2020 ausstößt. „Der Schattenwurf ist schon deutlich zu sehen, am Anfang dachte ich, ich habe etwas mit den Augen“, sagt Thiele.

Knapp 500 Meter entfernt wohnt Frank Thiele vom Kraftwerksbau, mit dem das Energieunternehmen E.ON im Jahr 2007 begonnen hatte. Und genau diesen Umstand beklagen die beiden Dattelner, ebenso wie zwei weitere Privatpersonen, der BUND und die Stadt Waltrop. Denn laut Abstandserlass muss das Kraftwerk mindestens 1500 Meter von Wohnbebauungen entfernt stehen. Und überhaupt war der Plan für das Kraftwerk Datteln 4 Mitte der 2000e- Jahre ein ganz anderer: Ursprünglich sollte es knapp fünf Kilometer weiter entfernt in den Rieselfeldern zwischen Datteln und Waltrop entstehen. So war es auch im Landesentwicklungsplan verankert.


Politik legitimiert Kraftwerksbau nach Gerichtsurteil

Im Jahr 2009 sahen die Richter am Oberverwaltungsgericht Münster das ebenso und gaben der Klage der Waltroper Landwirte-Familie Greiwing statt. Doch der erwirkte Baustopp sollte nicht lange anhalten. Denn die damalige rot-grüne Landesregierung passte den Entwicklungsplan kurzerhand an, legitimierte den Bau an der dafür nicht vorgesehenen Stelle und ließ E.ON weiterbauen. „Das ist eine komische Art, etwas zu rechtfertigen“, bilanziert Rainer Köster, „im Grunde genommen geht es hier nur ums Geld.“ Denn der jetzige Standort hatte für das Energieunternehmen erhebliche Vorteile. Direkt am Kanal sowie im Schatten der Altkraftwerksblöcke Datteln 1-3 war ein großer Teil der Infrastruktur für den 1100-Megawatt-Koloss schon vorhanden.

„Wenn man den ehemaligen Bürgermeister (Anm. d. Red.: Wolfgang Werner) hört, dann war ihm das scheißegal“, findet Frank Thiele deutliche Worte in Richtung Stadt Datteln. Denn wer, wenn nicht die Lokalpolitik vor Ort, sollte sich schließlich um die Interessen der Anwohner kümmern, wenn etwas unrechtmäßig erbaut wird, fragt er sich. Köster ergänzt: „Die Kraftwerksbauer von E.ON wussten genau, was sie hier machen.“ Die Stadt Datteln wohl aber nicht, da sind sich beide Kläger einig. „Mit dem Kraftwerk habe ich den Glauben an die Lokalpolitik verloren“, lautet das persönliche Urteil von Frank Thiele. Mit Demokratie habe der gesamte Prozess nicht viel zu tun, eher mit Lobbyismus.


Hohe Kosten, großer Aufwand und Unterstützung von „Client Earth“

Doch warum führen die beiden Privatpersonen zusammen mit der gesamten IG Meistersiedlung seit nunmehr zwölf Jahren diesen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen Energieunternehmen, Politik und Verwaltung? „Weil es unrechtmäßig ist“, wird Rainer Köster deutlich. Ihm ist bewusst, dass mit dem Kohleausstieg 2038 die Zeit von Datteln 4 endlich ist. Die Verantwortlichen will er damit aber nicht so einfach davon kommen lassen. Einen fünfstelligen Betrag und eine Menge Freizeit haben die Kraftwerksgegner in den vergangenen Jahren für ihre Werte geopfert. Durch Mitgliederbeiträge finanziert sich die Interessengemeinschaft. Seit 2020 werden sie finanziell und materiell auch von der gemeinnützigen Organisation „Client Earth“ unterstützt, die die gerichtliche Aufarbeitung von „dringenden Umweltproblemen“ auf der ganzen Welt unterstützen. „Ohne diese Unterstützung wäre es langsam wirklich schwierig geworden“, sagt Thiele, „wir wissen auch noch nicht, was noch für Kosten auf uns zukommen.“


„Als Greta gekommen ist, sind sie aufgewacht“

Die große öffentliche Wirkung hatte der Protest der Meistersiedlung dabei über lange Jahre nicht. „Wir haben Flugblätter vor Danielsmeier verteilt. Die wurden uns vor die Füße geworfen“, sagt Thiele. Auch an Schulen hatten sie nie Erfolg. „Erst als Greta (Anm. d. Red. Thunberg) gekommen ist, sind die aufgewacht“, sagt Köster. Die schwedische Klimaaktivistin habe bei der jüngeren Generation ein Umweltbewusstsein geschaffen. „Das spielt uns natürlich in die Karten“, sagt er. Bewusst haben sich die älteren Kraftwerksgegner bei den zahlreichen Klimaprotesten gegen Datteln 4 zurückgehalten. „Es ist an dieser Generation, ihr eigenes Jahrhundert zu gestalten.“

Beide Kläger glauben fest daran, mit dem Urteil am 27. August in Münster Recht zu bekommen. Dann soll gefeiert werden – dieses Mal ohne anschließende Rückkehr zur Trauer.

Neuer Chef zu Gesprächen bereit


Datteln 4 könnte schon vor 2038 vom Netz gehen. Vorausgesetzt der Preis stimmt …


Von Uwe Wallkötter, Dattelner Morgenpost, 18. Mai 2021


Datteln. Der Energiekonzern Uniper schließt eine frühere Stilllegung des umstrittenen Kohlenmeilers Datteln 4 nicht aus. Das macht der neue Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach in seinem vorab veröffentlichten Redetext zur Uniper-Hauptversammlung deutlich, die am Mittwoch stattfinden wird. Wesentliche Bedingungen für ein Ende der Kohleverstromung in Datteln schon vor dem Jahr 2038 dürfte eine entsprechende Entschädigungszahlung an Uniper sein. Nach dem Motto: Wenn der Preis stimmt …

Das neue Klimagesetz erhöht natürlich den Druck auf Betreiber von Kohlekraftwerken. Nach dem neuen Klimagesetz will die Bundesregierung die Anstrengungen für eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes verstärken. Es sieht bis 2030 eine Kürzung des Treibhausgas-Ausstoßes um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Uniper zeigt sich entsprechend offen für Gespräche über eine frühere Stilllegung von Datteln 4.


„Wir haben den Zeitplan beschleunigt und werden in Deutschland bis 2025 aus der Steinkohleverstromung ausgestiegen sein – mit Ausnahme von Datteln 4. Das Betriebsende von Datteln 4 im Jahre 2038 steht synonym für das Ende der Verstromung von Kohle in Deutschland – dass Datteln 4 so zum Symbol für den deutschen Kohleausstieg geworden ist, ist uns bei Uniper bewusst,“ erklärt der Uniper-Chef. Gleichwohl werde der Konzern dieses moderne Kraftwerk betreiben, solange dies wirtschaftlich möglich ist und solange ein deutscher Gesetzgeber dies gestattet.

Maubach weiter: „Sollten zukünftige Bundesregierungen den bis 2038 zu vollziehenden Kohleausstieg beschleunigen wollen, sind wir zu lösungsorientierten Gesprächen jederzeit bereit, um einen fairen Interessenausgleich zu finden.“ Dieser Interessenausgleich müsse eine technisch mögliche und wirtschaftlich wettbewerbsfähige Perspektive für aus Datteln 4 mit Fernwärme bzw. mit Bahnstrom versorgten Kunden vorsehen und er müsse die Belange der Beschäftigten vor Ort berücksichtigen. „Und er muss eben auch eine angemessene finanzielle Kompensation für eine frühere Stilllegung von Datteln 4 beinhalten.“ Auch dürfe der Druck des finnischen Uniper-Mehrheitsanteilseigners Fortum eine Rolle spielen, der Datteln 4 als Symbol für den Kohleausstieg offenbar auch loswerden will.

Uniper schließt frühere Stilllegung von Kohlekraftwerk Datteln 4 nicht aus


By Reuters Staff, 13. Mai 2021


Düsseldorf (Reuters) - Der Energiekonzern Uniper hat sich grundsätzlich zu Gesprächen über eine frühere Stilllegung seines umstrittenen Kohlekraftwerks Datteln 4 bereiterklärt.


“Sollten zukünftige Bundesregierungen den bis 2038 zu vollziehenden Kohleausstieg beschleunigen wollen, sind wir zu lösungsorientierten Gesprächen jederzeit bereit, um einen fairen Interessenausgleich zu finden”, erklärte der neue Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach in seinen am Mittwochabend vorab veröffentlichten Redetext zur Hauptversammlung in der kommenden Woche. Das Betriebsende von Datteln 4 2038 stehe synonym für das Ende der Verstromung von Kohle in Deutschland. Uniper sei sich bewusst, dass Datteln 4 zum Symbol für den deutschen Kohleausstieg geworden sei.


Uniper werde den erst vor einem Jahr in Betrieb genommenen 1100-Megawatt-Block betreiben, solange dies wirtschaftlich möglich ist und solange ein deutscher Gesetzgeber dies gestatte, betonte Maubach. Für einen früheren Zeitpunkt müsse es einen Interessenausgleich geben, der eine technisch mögliche und wirtschaftlich wettbewerbsfähige Perspektive für die aus Datteln 4 mit Fernwärme beziehungsweise mit Bahnstrom versorgten Kunden vorsehe, sagte Maubach. Zudem müssten die Belange der Beschäftigten vor Ort berücksichtigt werden und er müsse eine angemessene finanzielle Kompensation beinhalten.



Nach dem neuen Klimagesetz will die Bundesregierung die Anstrengungen für eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes verstärken. Es sieht bis 2030 eine Kürzung des Treibhausgas-Ausstoßes um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Bisher betrug die Vorgabe 55 Prozent. Dies dürfte den Druck auch auf die Betreiber von Kohlkekraftwerken wie Uniper und RWE erhöhen, ihre Ausstiegstrategie zu beschleunigen, Umweltschützern geht der geplante Ausstieg bis 2038 nicht schnell genug. Auch immer mehr Investoren machen sich dafür stark. Uniper hat zudem mit dem finnischen Versorger Fortum einen Mutterkonzern, der sich mehr Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat.

Datteln 4 soll Montag wieder dampfen


DATTELN/WALTROP. Sechs Wochen war der Meiler vom Netz.



Von Martin Behr, Uwe Wallkötter und Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 4. Dezember 2020


Was ist los mit dem Kohlenmeiler Datteln 4? Diese Frage stellen sich seit Wochen viele Dattelner. Es mehrten sich schon Gerüchte, dass etwas defekt sei bei Datteln 4, denn Dampfschwaden kamen schon lange nicht mehr aus dem Kühlturm des umstrittenen Kohlekraftwerks. Deswegen erzeugte die kürzlich getroffene Aussage von Uniper-Vorstandschef Andreas Schierenbeck bei vielen auch ungläubiges Staunen. Er sprach davon, durchaus zufrieden mit der Entwicklung des Kohle-Meilers in Datteln zu sein, das Kraftwerk sei weitaus besser verfügbar als in der Startphase erwartet. Nun zeichnet sich das Ende des Stillstands ab. Wie Uniper-Sprecherin Ilona Flechtner auf Anfrage erklärte, soll Datteln 4 ab Montag wieder Strom produzieren.


Den Gerüchten über einen Defekt im Kraftwerk widerspricht sie. Der Produktionsstopp sei geplant gewesen, um Nachjustierungen am Meiler vorzunehmen. Ein durchaus übliches Vorgehen nach der Inbetriebnahme, betont die Sprecherin weiter. Unter anderem habe es Arbeiten an den Brennern gegeben. Prozesse seien digitalisiert worden, um im laufenden Betrieb weniger CO2 zu erzeugen. Uniper habe sich angesichts der Stillstandsphase entschlossen, noch einige Arbeiten, die zu einem späteren Zeitpunkt geplant waren, vorzuziehen. Coronabedingt sei es bei der Beschaffung von Ersatzteilen zu Verzögerungen gekommen – daher die längere Pause, erklärt Ilona Flechtner.

Umweltbelastung steigt mit Datteln 4


CO2-Ausstoß von Betreiber Uniper höher als 2019 – BUND geschockt


Von Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 20. November 2020


Datteln. Zahlreiche Branchen und Unternehmen haben es in der derzeitigen Corona-Krise schwer. Nicht so der Energiekonzern Uniper, der das Steinkohle-Kraftwerk Datteln 4 betreibt. Innerhalb der ersten neun Monate 2020 verbuchte Uniper 405 Millionen Euro Gewinn ohne Berücksichtigung von Steuern und Zinsen - fast das Doppelte des Vorjahrsergebnisses. Und Uniper-Vorstandschef Andreas Schierenbeck zeigte sich bei der Präsentation der Zahlen durchaus zufrieden mit der Entwicklung des Kohle-Meilers in Datteln, der im Mai ans Netz gegangen ist. Dabei hat das Kraftwerk laut Angaben der Bundesnetzagentur bislang im November noch an keinem Tag Strom produziert – es herrscht wieder Stillstand.

Ähnlich sah es über weite Strecken des Septembers aus, als Datteln 4 an weniger Tagen produzierte als es stillstand. Den gesamten Oktober über lief der Betrieb dann konstant, wenn auch nur selten unter Vollast. Andreas Schierenbeck gibt im Zuge der Quartalszahlen aber bekannt, Uniper habe inzwischen eine gute Menge Strom aus Datteln verkauft. Das Kraftwerk sei durchaus besser verfügbar als in der Startphase erwartet, heißt es. Aussagen, die Dr. Thomas Krämerkämper, Experte aus dem Landesvorstand des Umweltverbandes BUND, im Bezug auf die geringen Produktionstage nicht nachvollziehen kann. Denn entgegen jahrelanger Versprechen, für Datteln 4 würden ältere Uniper-Kraftwerke vom Netz gehen, produziert die Anlage in Gelsenkirchen-Scholven bereits das ganze Jahr 2020 nahezu unter Vollast Strom – anders als Datteln 4.

Das umstrittene Steinkohle-Kraftwerk Datteln 4 ging erst in diesem Jahr ans Netz. Nach dem beschlossenen Kohleausstieg steht fest: spätestens 2038 ist Schluss. So lange will Uniper den Betrieb aber aufrecht halten.    © Jörg Gutzeit


Indes hat die Inbetriebnahme des umstrittenen Kraftwerks in Datteln direkte Auswirkungen auf den deutschlandweiten Kohlendioxid-Ausstoß von Uniper, wie Schierenbeck bestätigt. In den ersten neun Monaten des Jahres war die CO2-Belastung von 7,9 auf 8,2 Millionen Tonnen gestiegen. „Das ist erschreckend“, urteilt Thomas Krämerkämper, „wenn der Emissionsausstoß trotz der Corona-Effekte ansteigt, ist davon auszugehen, dass die Umweltbelastung unter normalen Bedingungen noch größer ausgefallen wäre.“ Denn laut Krämerkämper ist davon auszugehen, dass die Deutsche Bahn als Großkunde deutlich weniger Strom von Uniper abnehme, da weniger Züge fahren.

Bis 2035 will Uniper klimaneutral sein. Ein Trend dahin ist derweil nur weltweit zu erkennen. Hier sanken die CO2-Emissionen von 34,4 auf 30,1 Millionen Tonnen. Das sei Folge der geringeren Stromproduktion in Russland und Großbritannien, heißt es.

Mehr Stillstand als Produktion


DATTELN. Das Kohlekraftwerk Datteln 4 war im September nur wenige Tage am Netz.


Von Uwe Wallkötter, Dattelner Morgenpost, 29. September 2020


Die offizielle Inbetriebnahme des umstrittenen Kohlekraftwerks Datteln 4 am 30. Mai war begleitet von einer großen Demonstration von Klima-Aktivisten. Seitdem sind die Proteste weniger und kleiner geworden. Aber nicht nur vor den Wrrkstoren ist es relativ ruhig, sondern auch dahinter. Datteln 4 hat im September mehr Stillstand gehabt als Produktionstage. „Es ist aber alles im grünen Bereich“, lässt Uniper-Sprecherin Ilona Flechtner auf Anfrage wissen.

Tatsächlich lag die Stromproduktion im Dattelner Kohlenmeiler vom 29. August bis zum 7. September bei Null. Vom 8. bis 16. September produzierte Uniper Strom, allerdings lag die Kapazität mit rund 600 MW deutlich unter der möglichen Volllast von 1055 MW. Vom 17. bis zum 27. September gab es eine erneute Stillstandsphase. Am Montag wurde die Anlage wieder hochgefahren, sagt Ilona Flechtner.

Uniper schweigt zu den Verträgen

Zu den Gründen für die langen Produktionspausen befragt, betont Flechtner, Datteln 4 arbeite nach Kundenaufträgen. Zudem müsse nach der Inbetriebnahme immer mal wieder geprüft und gemessen werden. Dafür gebe es feste Termine. „Alles läuft nach Plan.“ Großkunden sind bekanntlich RWE und Deutsche Bahn – und beide seien darüber bekanntlich nicht besonders glücklich. Die teuren Abnahmeverträge sind viele Jahre alt. Und die Bahn will bis 2038 klimaneutral sein, der Kohlestrom schadet folglich dem Image. Nach Angaben des Naturschutzbundes BUND hat Uniper feste Abnahmeverträge mit RWE und der Deutschen Bahn über insgesamt 863 der 1055 Megawatt installierter Leistung. Trotzdem wird seit Mai nur an wenigen Tagen diese Menge in Datteln produziert. Die Bahn ist zwar verpfkichtet, entsprechend der Verträge Strom abzunehmen. Ob das zwingend Strom aus Datteln sein muss oder ob sich die Bahn aus dem gesamten Energieportfolio von Uniper (u. a. Wasserkraftwerke) bedienen kann, ließ Ilona Flechtner offen. Man werde sich öffentlich grundsätzlich nicht zu Verträgen mit Kunden bzw. zu deren Inhalten äußern, betont Flechtner.

Die Versorgung von Datteln mit Fernwärme sei aber unabhängig vom Produktionsstatus von Datteln 4 gesichert, sagt Ilona Flechtner weiter mit dem Verweis auf die Hilfskessel.

Die kleinen Höfe in Oberwiese werden vom großen Kraftwerksturm regelrecht erdrückt.

„Keine Pflicht zur Abnahme“
RWE will keinen Strom aus Datteln 4

Direkt aus dem dpa-Newskanal vom 26.06.2020

RWE will zu einem führenden Erzeuger von Ökoenergie werden. Strom aus dem neuen Steinkohlekraftwerk Datteln 4 passt da nicht ins Bild. Deshalb will Konzernchef Schmitz einen alten Vertrag loswerden.
Der Energiekonzern RWE will keinen Strom aus dem neuen Steinkohlekraftwerk Datteln 4. „Wir nehmen aktuell keinen Strom von Datteln 4 ab“, sagte Vorstandschef Rolf Martin Schmitz am Freitag bei der Online-Hauptversammlung des Konzerns.
RWE sei nach wie vor der Auffassung, die vor Jahren geschlossenen Verträge mit dem Datteln-Betreiber Uniper wirksam gekündigt zu haben. Deshalb bestehe „auch künftig keine Verpflichtung zur Abnahme“.
RWE war mit dieser Rechtsauffassung bereits zwei Mal vor Gerichten gescheitert. Die Frage sei aber noch nicht rechtskräftig entschieden, betonte Schmitz. RWE führe auch Gespräche mit Uniper. Datteln 4 war Ende Mai nach jahrelanger Verzögerung gegen heftige Proteste von Klimaschützern ans Netz gegangen.
Strom aus Datteln 4 passt nicht mehr zum neuen Geschäftsmodell von RWE, das sich vom Kohleverstromer zu einem weltweit führenden Erzeuger von erneuerbaren Energien wandeln will. RWE werde bis 2022 in erneuerbare Energien und Speicher 5 Milliarden Euro investieren, bekräftigte Schmitz. Daran habe auch die Corona-Krise nichts geändert.

Dampf steigt aus dem Kühlturm des Kohlekraftwerks
Datteln 4.
„Ein stinknormales Kohlekraftwerk“
DATTELN. Bernd Schäfer vom Waltroper Aufbruch sagt: „An Datteln 4 ist nichts hochmodern.“ Und damit widerspricht er anderen Stimmen.

Von Markzs Wessling, Dattelner Morgenpost, 26. Juni 2020


Der Waltroper Bernd Schäfer, politisch beim Waltroper Aufbruch (WA) aktiv, widerspricht der Darstellung in unserem Kommentar zur Fahrrad-Demo gegen das Dattelner Kraftwerk., es handele sich um „Europas modernstes Kohlekraftwerk“.
Unverändert umstritten: das Kraftwerk Datteln 4. (© Martin Behr, Dattelner Morgenpost)

„In Datteln 4 passiert, wie in jedem anderen Kohlekraftwerk auf der Welt auch, nichts anderes, als dass dort Kohle verfeuert wird, um damit – ganz banal – Wasser zum Kochen zu bringen. Mit dem so erzeugten Wasserdampf wird eine Turbine angetrieben, mittels der ein Generator Strom erzeugt. Im Prinzip sei das also eine Dampfmaschine, „mit dem Unterschied zu denen aus dem 18. Jahrhundert, dass hier der Dampf nicht in mechanische, sondern in elektrische Energie umgewandelt wird“. Aber auch das Verfahren sei prinzipiell nicht neu.

Da Kohle im Verbrennungsprozess nicht vollständig in Energie umgewandelt werden kann und anlagebedingt hohe Verluste auftreten, versuche man, die Prozessabläufe zu optimieren. „Datteln 4 sollte sich hier durch zwei Merkmale auszeichnen: mit einer neuen Stahlsorte, dem sogenannten Superstahl T24, und demNaturzug-Kühlturm.“

Mit dem T24 kann man, wie Schäfer angibt, Temperaturen von rund 600 Grad und Drücke von nahezu 300 bar erreichen. „Darüber lässt sich der Gesamtwirkungsgrad erhöhen und die Emissionen reduzieren. Die Verarbeitung dieses Werkstoffs ist schweißtechnisch allerdings höchst aufwendig und da hierbei offensichtlich systematische Fehler eingebaut wurden, blieb nur der Austausch mit einem minderwertigeren Stahl, dem T12. Damit gehe allerdings einher, wie Vergleichsrechnungen zeigten, dass der Wirkungsgrad auf unter 41 Prozent falle und die Emissionen um etwa elf Prozent zunähmen. „Die Anlage entspricht somit dem Stand der Technik der 1990er-Jahre“, resümiert Schäfer. Dass dies nicht zwangsläufig so sein muss, zeigten Erfahrungen in anderen Kraftwerken, wo der T24-Stahl eingesetzt werde: RWE Power Hamm, RDK 8 EnBW Karlsruhe, GKM Block 9 GKM Mannheim , GDF SUEZ Wilhelmshaven, Neurath G-F RWE.

Der Kühlturm von Datteln 4 wiederum ist ein sogenannter Naturzug-Kühlturm. Dieses technische Konzept wurde, wie Schäfer schreibt, erstmals 1915 in den Niederlanden von Frederik van Iterson ausgeführt und in Deutschland 1982 im Modellkraftwerk Völklingen realisiert.

„Nun, man sieht, unabhängig davon, dass das Verfeuern von Kohle zur Energiegewinnung eine Technologie des 18. und 19. Jahrhunderts ist – Datteln 4 ist ein stinknormales Kohlekraftwerk. Wenn etwas an der Anlage modern sein sollte, dann vielleicht, dass als Betriebssystem nicht mehr WIN 95 genutzt wird und in den Büros wahrscheinlich schon LED-Lampen brennen“, lautet Schäfers süffisantes Fazit.
Vorgeschmack auf den Regelbetrieb?

DATTELN. Rainer Köster, Chef der IG Meistersiedlung, ärgert sich über Störung der Nachruhe durch lautstarken Test am Kraftwerk.

Von Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 29. Mai 2020

Am 19. Mai kam es am Kraftwerk Datteln 4 zu einem lauten Knall. Während Betreiber Uniper dafür den Zeitpunkt von 19 Uhr angab, gibt es übereinstimmende Berichte mehrere Dattelner, unter anderem von Rainer Köster, dem Sprecher der IG Meistersiedlung, dass dieser Lärm im Zeitraum 21 bis 21.20 Uhr stattfand. Als Ursache dafür gab Uniper an, im Rahmen der Testphase Druck aus dem Kessel abgelassen zu haben. Rainer Köster sorgt sich in einem Schreiben an die Redaktion, dass dies ein Vorgeschmck sein könnte auf den Regelbetrieb.

Am 19. Mai kam es am Kraftwerk Datteln 4 zu einem lauten Knall. Während Betreiber Uniper dafür den Zeitpunkt von 19 Uhr angab, gibt es übereinstimmende Berichte mehrere Dattelner, unter anderem von Rainer Köster, dem Sprecher der IG Meistersiedlung, dass dieser Lärm im Zeitraum 21 bis 21.20 Uhr stattfand. Als Ursache dafür gab Uniper an, im Rahmen der Testphase Druck aus dem Kessel abgelassen zu haben. Rainer Köster sorgt sich in einem Schreiben an die Redaktion, dass dies ein Vorgeschmck sein könnte auf den Regelbetrieb.
Für Köster stellt sich die Frage, ob dies zu dieser Uhrzeit sein musste? „Kinder, die gerade eingeschlafen waren, wurden durch diese lauten Geräusche wach und ängstigten sich. Selbst Erwachsenen war dieser laute Knall nicht geheuer. Nachbarn standen auf der Straße und diskutierten darüber, was wohl der Auslöser dieses Lärms gewesen war. Nach etwa 20 Minuten war der Spuk vorbei“, berichtet Rainer Köster.
Wenn das einfache Routine beim Probebetrieb des Kraftwerkes war, dann könnten sich die Anwohner wohl auf einiges gefasst machen,vermutet der IG-Sprecher. Ob für diesen Test mit diesen Folgen und um diese Uhrzeit eine Genehmigung der Bezirksregierung vorlag, sei nicht bekannt. Uniper sagt dazu, dass dieser Test im Rahmen der genehmigten Parameter stattgefunden habe.

Köster geht es aber nicht nur um den Knall. „Schon in der Erprobungsphase kann man erahnen, mit wie viel Beeinträchtigungen wir Anwohner zu rechnen haben. Der Dampfschwaden hat selbst am Anfang dieser Erprobung schon zeitweise die Sonne verdunkelt.“ Köster findet es gut, dass sich junge Menschen zusammengefunden hätten, um mit neuen Ideen und durchaus spektakulär gegen das Kraftwerk Datteln 4 zu demonstrieren. „Ich denke mir, dass außerhalb von Zeiten, die nicht durch Corona beeinträchtigt sind, eine weitaus größere Anzahl von Sympathisanten ihren Widerstand deutlich artikuliert und sich der Demonstration angeschlossen hätten.“ Jetzt, wo sich abzeichnet, dass das größte Kohlenmonoblock-Kraftwerk Westeuropas ans Netz gehen wird, formiert sich erfreulicherweise Selbst die finnische Regierung als Hauptanteilseigner von Uniper werde mit einbezogen, freut sich Raier Köster über den Widerstand.Widerstand, so Köster. Eine ganze Reihe von Kundgebungen sind für diesen Samstag wegen der kommerziellen Inbetriebnahme von Datteln 4 schon angemeldet.
Datteln 4 geht Samstag in regulären Betrieb

DATTELN. Der Probebetrieb ist laut Uniper abgeschlossen, früher als geplant,
„Ein trauriger Tag für IG Meistersiedlung“, sagt Rainer Köster.

Von Uwe Wallkötter und Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 27. Mai 2020

Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieser Tag kommt. Am Samstag ist es soweit. Das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 geht in den kommerziellen Betrieb. Das teilte Betreiber Uniper am Dienstag mit. Damit ist der seit dem Jaheswechsel laufende Probebetrieb für die Inbetriebnahme des Kohlenmeilers am Dortmund-Ems-Kanal formal abgeschlossen. Noch vor einigen Monaten hatte Uniper den Sommer als Datum für die Inbetriebsetzung kommuniziert. Uniper-Sprecher Leif Erichsen sagt, dass der Konzern allerdings schon seit längerem den Termin Sommer auf Frühsommer korrigiert habe und folglich im Zeitplan liege. Alle Tests seien erfolgreich gewesen.

Für Rainer Köster, Sprecher der IG Meistersiedlung, kommt das nicht überraschend, angesichts der Tatsache, „was da schon während des Probebetriebs der letzten Wochen in die Luft geblasen wurde. Es war klar, dass wir das nicht verhindern könnten. Schließlich liegt eine Genehmigung für den Betrieb vor“, sagt Köster gegenüber dieser Redaktion. „Es ist ein trauriger Tag für die IG Meisersiedlung. Aber deshalb werde ich jetzt nicht in Depression verfallen,“ Stattdessen werde die IG Meistersiedlung nun mit voller Kraft sich auf den juristischen Weg gegen Datteln 4 konzentrieren. Vier Klagen der Vereinigung gegen den Bebauungsplan liegen beim OVG vor – zur Zeit ruhend gestellt. Hinzu kommen Klagen des Naturschutzbundes BUND unter anderem gegen die immissionsschutzrechliche Genehmigung für Datteln 4. Rainer Köster har Signale gehört, dass sich das OVG bis Jahresende mit den Klagen befassen wird.

Grünen-Ratsherr Mo El-Zein ist auch nicht wirklich überrascht ob des Termins, obwohl die Umweltaktivisten den 10. Juni für die Inbetriebnahme auf dem Schirm hatten, El-Zein ist überzeugt, dass Uniper dies bewusst zwei Wochen vorgezogen habe, um den Umweltaktivisten weniger Zeit für die Vorbereitung von Protestaktionen zu geben.
Dattelns Bürgermeister André Dora betonte, dass die „halbgare Zeit“ nun vorbei sei, und die Stadt Planungssicherheit habe nach einer Entscheidung, die vor Jahrzehnten getroffen worden sei. Uniper habe mit der kommerziellen Inbetriebnahme nun Gelegenheit, Geld zu verdienen. Davon profitiere auch die Stadt. Uniper hat zwar Stromabnahmeverträge mit RWE und der Deutschen Bahn. Aber RWE versucht bisher vergeblich, auf dem Rechtswege wieder aus den Verträgen herauszukommen.

Proteste gelten als sicher

Dora hat die Hoffnung, dass die zu erwartenden Proteste am Samstag auch wegen Corona so koordiniert verlaufen wie bei den letzten Malen und es nicht zu rechtswidrigen Aktionen kommt wie im Februar mit der Besetzung der Portalkratzer.
Dass Proteste zu erwarten sind, gilt als sicher. Katrin Henneberger von „Ende Gelände“ erklärte auf Anfrage: „Dieser 30. Mai wird in den Geschichtsbüchern zu finden sein als der Tag, an dem uns die Politik endgültig verriet. Die Klimabewegung wird weiter kämpfen und Datteln 4 vom Netz pflücken.“ Gemeinsam werde die Klimabewegung dafür sorgen, dass Datteln 4 sehr schnell wieder vom Netz genommen wird. „Datteln 4 ist der Sargnagel unserer Zukunft und es wird nicht ohne lauten Protest in den Betrieb gehen. Die Vorbereitungen laufen heiß“, sagte sie.
Protest an Land, im Wasser und in der Luft

DATTELN. Landesweit demonstrierten Umweltschützer gegen die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln 4.

Von Sebastian Balint und Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 21. Mai 2020
Ohne Corona wären sie zu Zehntausenden gekommen, behauptet Kathrin Henneberger vom Aktionsbündnis Ende Gelände am Mittwochmorgen vor dem Kraftwerk Datteln 4. Gemeinsam mit weiteren Aktivisten hatte sie am Tag der Hauptverammlung des Energiekonzerns Uniper zu landesweiten Protest-Aktionen aufgerufen. Allein drei Aktionen waren für Datteln geplant.

Und der Tag begann durchaus spektakulär. Mit einem motorisierten Gleitschirm umkreiste ein Greenpeace-Aktivist das umstrittene Kraftwerk. „Das wird vermutlich noch eine Anzeige nach sich ziehen“, kommentiert Polizeisprecherin Ramona Hörst die Aktion. Denn der Pilot des Gleiters hatte die zulässige Flughöhe wohl deutlich unterschritten. Auch für zwei unerlaubte Drohnenflüge wurden Anzeigen geschrieben.

Unmittelbar vor der virtuellen Hauptversammlung des Energiekonzerns Uniper protestierten heute Greenpeace-Aktivisten mit einem Gleitschirm gegen das geplante Kohlekraftwerk Datteln 4. Uniper will den umstrittenen Kohlemeiler in wenigen Wochen in Betrieb nehmen.
Vereint in ihrem Protest gegen das in unser aller Augen schmutzige Kraftwerk Datteln 4 - Prominenz am Dattelner Kanal: Lisa Göldner (Greenpeace), Luisa Neubauer (Fridays for Future), Kathrin Henneberger (Ende Gelände) und Carla Reemtsma (FFF Münster).
Gegen 9,15 Uhr rief Kathrin Henneberger die Pressevertreter zusammen. Sie und ihre Mitstreiter hatten schließlich noch was zu sagen. Unter den Rednerinnen war auch Luisa Neubauer, Deutschlands wohl prominenteste Vertreterin der Schülerbewegung Fridays for Future. Natürlich plädierte sie wie auch Kathrin Henneberger dafür, das Kraftwerk nicht ans Netz gehen zu lassen. Der Aussage mancher Politiker, dass hier produzierter Strom dringend benötigt würde, „damit die Lichter nicht ausgehen“, widersprachen beide.
Schwimm-Demo im Kanal

Um 9,30 Uhr folgte dann die erste der offiziell angemeldeten Aktionen. Ein etwa zehn mal fünf Meter großes Banner wurde zu Wasser gelassen und dann von vier Schwimmern in Neopren-Anzügen zur Mitte des Kanals gebracht. Dann bestiegen Kathrin Henneberger, Luisa Neubauer und sechs weitere Aktivistinnen vier Kanus, um dann für mehrere Minuten das Banner zu umschiffen. Vom Kanalufer forderte eine Aktivistin die Teilnehmer lautstark immer wieder zu Sprechchören wie „Hopp, hopp, hopp – Kohle-Stopp“ auf.

BUND mit Aktionen in Düsseldorf

Zur gleichen Zeit sorgte auch der BUND in Düsseldorf vor den Toren des Kraftwerksbetreibers Uniper für Aufsehen. Um 9,30 Uhr versammelten sich hier knapp 100 Demonstranten des Umweltverbandes BUND sowie der Bewegung Extinction Rebellion. Weil die Aktionen in Zeiten der Corona-Krise kleiner ausfallen und weniger Teilnehmer haben, brachten die Demonstranten insgesamt 3340 persönliche Botschaften von Menschen aus ganz Deutschland mit. Diese wurden auf eine große Leinwand projiziert und zudem in gebundener Form einem Vertreter von Uniper überreicht. „Neben den Botschaften war auch ein förmliches Anschreiben an CEO und Aufsichtsratschef beigefügt“, sagt Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND-Landesverbandes NRW.
Die Aktivisten von Extinction Rebellion veranschaulichten ihre Kritik, dass das Kraftwerk mit sogenannter „Blutkohle“ betrieben werde. Die Kohle werde aus Abbaugebieten in Norkolumbien und Sibirien importiert. Die Bevölkerung dort sei Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, lautete die Kritik der Kraftwerksgegner. Die Teilnehmer in Düsseldorf beschmierten ihre Hände daher mit roter Farbe und tauchten sie in einen mitgebrachten Berg aus Kohlestücken, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Eine Reaktion von Uniper auf die Proteste gab es nicht.

Bildergalerie für soziale Netzwerke

In Datteln folgte auf den schwimmenden Protest eine Aktion von Extinction Rebellion Recklinghausen. Zehn Mitglieder legten sich auf den Boden vor dem Besucherzentrum des Kraftwerks und stellten sich minutenlang tot – das Kraftwerk ist aus Sicht der Aktivisten ein „Klima-Killer“.
Die letzte Aktion des Tages fand schließlich auf einem Feldweg gegenüber dem Kraftwerk statt. Mitglieder der Gruppe „Datteln 4 stoppen wir“, die den Protest am Sonntag organisiert hatten, präsentierten dort Protest-Plakate. Eine kleine, eher stille Aktion, die vor allem im Internet für Aufsehen sorgen sollte.
Mit Kind und Kegel zur Klima-Demo
DATTELN. Die Proteste am Steinkohlekraftwerk Datteln 4 verliefen ruhig und friedlich. Versuche, auf das Gelände zu gelangen, gab es diesmal nicht.


Von Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 18. Mai 2020
Vor dem Werkstor des Kraftwerks hatten sich etwa 60 Unterstützer des Netzwerks „Datteln 4 stoppen wir“ versammelt. Schon um 11 Uhr waren die ersten Teilnehmer vor Ort erschienen, um alles für die um 12 Uhr angesetzte Protest-Aktion vorzubereiten und zum Beispiel Schilder aus Pappe entlang der Straße „Im Löringhof“ auszulegen – alles gemäß den Abstandsregeln.

Ausgelassene Stimmung unter den Aktivisten

Nach und nach trafen dann die Aktivisten aus den anliegenden Städten ein. Auch Vertreter der Lokalpolitik, wie etwa der Fraktionssprecher der Dattelner Grünen, Theo Beckmann, ließen sich blicken. Jeder, der ankam, wurde freundlich – aber mit Abstand – begrüßt und es wurde gelacht und gescherzt. Viele der Teilnehmer waren sogar mit ihren Kindern erschienen. Gegen 12 Uhr wurden dann die vorab auf dem Boden hinterlegten Schilder aufgenommen. „Datteln 4 stoppen wir“ war in großen Buchstaben darauf zu lesen.
Dann ertönte ein dumpfes Klopfen über einen Lautsprecher. Ein Mikrofon wurde eingeschaltet, und Roland Schumann, Mitglied des Netzwerks richtete das Wort an die Versammelten. Er erinnerte daran, dass das Kraftwerk ein „Klimaschädling“ sei und dass aktuell noch fünf Klagen gegen das Kraftwerk laufen würden. Die Rede fiel kurz und knapp aus. Applaus gab es dennoch von den Teilnehmern.
Es wurde getanzt und jongliert

Zur gleichen Zeit hatten sich ebenfalls 60 Aktivisten, die dem Aktions-Bündnis „Ende Gelände“ angehören, vor dem Besucherzentrum eingefunden. „Hier ist alles ruhig und friedlich“, beschrieb Polizeisprecherin Ramona Hörst die Situation vor Ort. In der Regel hatten sich die Demonstranten an die Corona-Schutzmaßnahmen gehalten. „Kurzzeitig kam es mal zu vereinzelten Unterschreitungen der Abstandsregeln“, sagt sie. Die Anmelder hätten dann aber eigenständig darauf hingewiesen, dass die Abstände dringend eingehalten werden müssen. Auch hier erinnerten die Teilnehmer an längst bekannte Positionen, wie etwa, dass die Kohle für das Kraftwerk in Russland und Kolumbien unter menschenunwürdigen Umständen gewonnen würde. Zwischen den Beiträgen lief Musik vom Band, hier und da wurde getanzt und einige der Demonstranten vertrieben sich mit Jonglieren die Zeit. Das hatte etwas von einem Familienausflug – wären die Banner und Plakate nicht gewesen.

Polizei war auf alles vorbereitet

Die Polizei hatte sich offensichtlich auf sämtliche Eventualitäten eingerichtet. Denn entlang der Emscher-Lippe-Straße und der Straße „Im Löringhof“ standen etwa alle 100 Meter mehrere Einsatzfahrzeuge der Sicherheitsbehörden.
Auch die berittene Polizei war mit ihren Pferden vor Ort, und ein Polizei-Hubschrauber hatte bereits am Morgen das Areal überflogen. „Schließlich gab es über die sozialen Netzwerke diverse Aufrufe, an der Aktion teilzunehmen“, erklärt Ramona Hörst. Es sei schwer gewesen, einzuschätzen, wie viele diesen Aufrufen folgen würden.
Insgesamt waren gestern, das bestätigt auch die Polizeisprecherin, 120 Personen an den Protesten beteiligt. Zwischenfälle gab es keine. Um 14.15 Uhr waren die Plätze geräumt.

Die Woche der Protest-Aktionen
DATTELN. Mit einer Kundgebung startete am Freitagnachmittag eine ganze Reihe von angekündigten Aktionen gegen das Kraftwerk Datteln 4. Am Sonntag geht es schon weiter.

Von Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 16. Mai 2020
Am Freitag verliefen die Proteste am Kraftwerk Datteln 4 friedlich – die Teilnehmer hielten sich an die Vorgaben und Hygienebestimmungen. Am Sonntag und Mittwoch folgen weitere Aktionen. (Foto Hollenhorst, Dattelner Morgenpost)

Knapp 30 Personen nahmen gestern an der Kundgebung vor dem Kohlekraftwerk Datteln 4 teil. Zu dem Protest aufgerufen hatte die frisch gegründete Ortsgruppe Fridays for Future Waltrop. In vorbereiteten Beiträgen wiesen Organisator Nils (16) aus Waltrop und andere Sprecher auf die Ausgangssituation hin: Sie kritisierten die Nutzung fossiler Brennstoffe sowie die nicht eingehaltenen Mindestabstände zur angrenzenden Meistersiedlung.
„Ich sehe das Kraftwerk jeden Tag auf dem Weg zur Schule oder von meinem Balkon aus“, erklärt der Waltroper Nils. Er habe sich schon zuvor in anderen Ortsgruppen der Freitags-Proteste engagiert. Zusammen mit Freundinnen habe er sich nun dazu entschlossen, auch aus seiner Stadt heraus aktiv zu werden.

Nach den geplanten Reden traten dann auch Freiwillige ans Mikrofon. Grünen-Ratsherr Theo Beckmann schilderte dabei den größtenteils jüngeren Mit-Demonstranten, wie dem Rat der Stadt Datteln im Jahr 2004 das Kohlekraftwerk schmackhaft gemacht wurde. „Die Kohle sollte aus dem Ruhrpott kommen, hieß es damals“, erklärte Beckmann. Er zeigte sich enttäuscht von den Grünen auf Bundes- und Landesebene. Denn die hätten ihre Unterstützung im Kampf gegen das Kraftwerk stets zugesichert. Viel habe nie dahintergesteckt.

Demo am Sonntag an drei Orten am Kraftwerk

Nach knapp eineinhalb Stunden war die friedliche Aktion beendet. Doch der Protest geht am Wochenende schon weiter. Zahlreiche Gruppen der Umwelt- und Klimabewegung haben sich zu dem Netzwerk „Datteln 4 stoppen wir“ zusammengetan. Am Sonntag soll es von 12 bis 14 Uhr an gleich drei verschiedenen Orten rund um das Kraftwerk zu Demonstrationen kommen. Das liegt daran, dass in der aktuellen Corona-Krise nur 50 Personen pro Versammlung von der Polizei zugelassen werden. So sollen Mindestabstand und Hygienevorgaben eingehalten werden können.

Die Proteste werden an der Straße „Zur Seilscheibe“, der Zentraldeponie und gegenüber von Tor 1 stattfinden, heißt es vonseiten der Polizei. Das Bündnis besteht aus gut 15 organisierten Gruppen und weiteren Einzelpersonen. Unter anderem sind die Klima-Aktivisten von „Ende Gelände“, der BUND-Ostvest, die IG Meistersiedlung sowie verschiedene Fridays-for-Future-Gruppen und Parteien in dem neuen Netzwerk organisiert.

BUND mit Botschaften an Betreiber Uniper

Am Mittwoch will der BUND dann an anderer Stelle gegen das Kraftwerk Datteln 4 vorgehen.. Am Tag der Uniper-Mitgliederversammlung will der Umweltverband ab 9,30 Uhr vor der Uniper-Zentrale in Düsseldorf protestieren. BUND-Aktive haben tausende Botschaften an die Vertreter der Versammlung geschrieben, die über einen großen Video-Screen wiedergegeben werden. Dazu ist eine Übergabe geplant, heißt es in einer Mitteilung.
Neue Proteste der Datteln 4 Gegner
„Ende Gelände“ kündigt für den 17. Mai eine Kundgebung am Kraftwerk an.

Von Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 5. Mai 2020

Datteln. Das Aktionsbündnis Ende Gelände ruft für Sonntag, 17. Mai, zu einer weiteren Kundgebung am Steinkohlekraftwerk Datteln 4 auf. Damit protestiert das Bündnis drei Tage vor der Aktionärsversammlung des Betreibers Uniper gegen die Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks. Das Protest-Bündnis hat eine Versammlung mit 60 Personen angemeldet.

So solle sichergestellt werden, dass die geltenden Abstandsregelungen eingehalten werden können, heißt es in einer Mitteilung.

Ende Gelände trage der Corona-Pandemie durch ein umfassendes Infektionsschutzkonzept Rechnung. Die Teilnehmer würden am Tag des Protests einen Abstand von mindestens drei Metern zueinander halten (1,40 Meter sind vorgeschrieben). Die An- und Abreise werde einzeln erfolgen. „Wir werden diesmal nur 60 sein, aber wir stehen für die Mehrheit der Menschen in Deutschland. Dieses Kraftwerk ist ungewollt, es darf nie ans Netz gehen. Auch und gerade in der Corona-Krise müssen wir das Klima und unsere Zukunft schützen“, sagt Versammlungsanmelder Daniel Hofinger.

Mit der Aktion will das Bündnis auf die Lieferketten der Steinkohle hinweisen. Die Kohle werde u.a. aus der russischen Region Kuzbass importiert, wo sich Lungen- und Krebserkrankungen häufen würden. Außerdem würden viele Menshen dort durch Umsiedlungsmaßnahmen ihr Zuhause und ihre Lebensgrundlage verlieren. „Uniper importiert Blutkohle, um klimaschädlichen Strom zu produzieren, den niemand braucht“, sagt Ende Gelände-Sprecherin Kim Solievna. Die Stadt Datteln will sich aktuell dazu nicht äußern. Eine für Mai geplante Aktion mit mehreren Tausen Teilnehmern hatte Ende Gelände zu Beginn der Corona-Pandemie abgesagt.
Mahnwache statt Protest in Helsinki

Umweltschützer üben Kritik an Uniper-Mehrheitseigner Fortum

Von Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 24. April 2020

Datteln. Eigentlich hätte der Umweltverband BUND gestern in der finnischen Hauptstadt protestiert. Anlass war die Hauptversammlung des finnischen Energieunternehmens Fortum, das die Mehrheit an Kraftwerksbetreiber Uniper hält. Da ein Protest in Finnland aufgrund der Corona-Krise nicht möglich war, verlagerte der BUND diesen unter Auflagen vor das Kraftwerk Datteln 4 und machte die Kritik an der Kohleverstromung deutlich.
Mit Abstand positionierten sich die 20 Teilnehmer an der vom Umweltverband BUND organisierten Mahnwache vor dem Uniper-Kohlekraftwerk Datteln 4. Kritik gab es auch in Richtung der finnischen Regierung.
(Foto: Hollenhorst)

20 Teilnehmer waren zu der angemeldeten Mahnwache mit Ausnahmegenehmigung der Stadt Datteln zugelassen. Sie alle wurden explizit vom BUND eingeladen und vor Ort mit Masken, Bannern und Schildern ausgestattet. „Das ist nun das 16. Jahr im Kampf gegen diesen Block“, sagt Dr. Thomas Krämerkämper aus dem NRW-Landesvorstand des BUND. Das oft genannte Argument, für Datteln 4 würden ältere Kraftwerke abgeschaltet, kann er weiterhin nicht verstehen: „Welche Kraftwerke sind das? Sie alle sind schon oder wären sowieso in den nächsten zwei Jahren abgeschaltet worden.“ 

Neben Uniper und Fortum stehen auch die Bundes- und Landesregierung sowie die finnische Regierung im Fokus der Kritik. Denn Letztere hält mit 51 Prozent die Mehrheit an Fortum. Während gerade die NRW-Landesregierung das Kraftwerk „mit aller Gewalt“ unterstützt, wie BUND-Sprecher Dirk Jansen sagt, gebe es deutliche Rückschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien. Die Auswirkungen zeigten sich beim Klimawandel: Landwirte fürchten das dritte Dürrejahr, der Grundwasserspiegel ist niedrig. „Nicht nur wir 20, sondern mehr als 27.000 Menschen online senden den Appell an die finnische Ministerpräsidentin, Nein zu Datteln 4 zu sagen“, fügt Jansen hinzu.
Datteln 4: Protest verlagert sich ins Netz

DATTELN. In Corona-Zeiten sind der Klimawandel und das symbolträchtige Kraftwerk weitgehend aus dem öffentlichen Blickfeld geraten. Der Umweltverband BUND erinnert: Das Thema dulde keinen Aufschub.

Von Markus Weßling und Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 22. April 2020
Solche Bilder wird es länger nicht geben: Demo von "Fridays for Future" gegen das Kraftwerk.            Foto: Andreas Kalthoff , DMP

Es ist erst ein paar Wochen her, aber manchem kommt es wie eine Ewigkeit vor: Hunderte junge (und auch einige ältere) Menschen gingen wiederholt auf die Straße gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks Datteln 4. Das Kraftwerk, so hatte es die Klima-Bewegung ausgerufen, sollte zum neuen Symbol des Widerstands gegen Kohlekraftwerke weit über die Region hinaus werden. Das Argument: Wir wollen raus aus der Kohleverstromung, und dann geht noch ein Riesen-Meiler ans Netz. Das passe nicht zusammen. Die Proteste nahmen gerade richtig Fahrt auf. Die „Fridays for future“-Bewegung ging voran.
Und jetzt? An Mobilisierung vor Ort ist einstweilen nicht zu denken. Die Corona-Regeln verbieten das. Und auch vom Anliegen der Demonstranten, das wochenlang die Schlagzeilen bestimmte, hört man weniger.

Gestern gab es eine Video-Pressekonferenz für Journalisten aus ganz Deutschland. Teilnehmer: Vertreter des Umweltverbandes BUND, eines finnischen Umweltverbandes (das finnische Unternehmen Fortum ist Mehrheits-Anteilseigner des Kraftwerksbetreibers Uniper) und ein Fachmann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die klare Botschaft: Die Dringlichkeit, Datteln 4 zu verhindern, ist unverändert groß, und die Forderungen in diesem Zusammenhang sind dieselben wie seit Langem schon. Während Uniper sein Kraftwerk weiter im Testbetrieb fährt und noch in diesem Sommer ans Netz will, fordern die Umweltverbände weiterhin die im Kohlekompromiss genannte Verhandlungslösung mit dem Ziel, dass es genau dazu nicht kommt und verweisen auch darauf, dass es immer noch die Klagen gibt, über die noch nicht entschieden ist: Da ist die sogenannte Normenkontrollklage, die Klage gegen die Immissionschutzrechtliche Genehmigung und gegen den Kohlehafen. „So lange darüber nicht befunden ist, hängt das wie ein Damoklesschwert über dem Projekt“, sagt Dirk Jansen, Sprecher der BUND NRW. Ein wesentliches Argument gegen das Kraftwerk: Trotz der angekündigten Abschaltung älterer Anlagen werde die Belastung durch das neue Kraftwerk am Ende steigen, da es wegen seiner höheren Effizienz öfter am Netz sein werde. Und wirtschaftlich sei es auch nur wegen der Strom-Abnahme-Verträge mit der Deutschen Bahn.

Genehmigung für Mahnwache ist erteilt
Flankieren würde der Umweltverband solche Sach-Argumente gerne mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf der Straße. Doch das geht nicht. So verständlich es auch aus Sicht des BUND ist, dass die Corona-Bekämpfung mitsamt der damit verbundenen Einschränkungen nun Priorität hat – es bedeute, dass man sich neue Aktionsformen überlegen müsse, und die spielten sich vor allem im Internet ab. Gespannt ist man auch beim BUND, wie der „Netz-Streik fürs Klima“ in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, zu dem „Fridays for future“ am kommenden Freitag aufgerufen hat. Auch die Proteste aus Anlass der Fortum-Hauptversammlung in Finnland am Donnerstag werden sich online abspielen.

Eine Aktion im „realen Leben“ kündigt BUND-Experte Jansen dann doch an: Man habe eine Mahnwache am Kraftwerk am Donnerstag angemeldet, in Übereinstimmung mit den Corona-Bestimmungen. Maximal 20 Teilnehmer, auf den Abstand werde geachtet, alle sollen Mundschutz tragen. Zuständig ist in diesen Ausnahme-Zeiten die Stadt Datteln, die das nach den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes prüfen muss. Auf Anfrage bestätigte Stadtsprecher Dirk Lehmanski, dass die Ausnahmegenehmigung für die Mahnwache erteilt wurde, weil es einen aktuellen Anlass gibt und die Personenzahl begrenzt ist. „Es handelt sich hierbei nicht um eine öffentliche Demonstration, sondern um eine Mahnwache“, betont er.
Stacheldraht am Kraftwerk

Uniper zieht Lehren aus den letzten Wochen und rüstet auf


Von Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 28. März 2020

Datteln. Am 2. Februar war es 120 Aktivisten gelungen, sich Zutritt zum Gelände des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 zu verschaffen und in der Folge zwei Portalkratzer zu besetzen. Nur drei Wochen später, am 25. Februar, gelang es 11 Aktivisten, die Maschinen ein weiteres Mal zu besetzen.
Um weitere Übertritte dieser Art zu verhindern, hat Uniper nun aufgerüstet und die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Gelände erhöht. Sowohl auf den Zäunen rund um das Kraftwerksgelände, als auch auf dem Gelände selbst wurde Stacheldraht verlegt. „Wir haben gemeinsam mit den Behörden die Ereignisse der letzten Wochen analysiert„“ sagt Unternehmenssprecher Leif Erichsen.
Die jetzt sichtbaren Maßnahmen seien ein Ergebnis dieser Erkenntnisse. Über Details will Erichsen jedoch nicht sprechen. Das Ziel der ergriffenen Maßnahmen sei nicht nur, das Eigentum des Unternehmens zu schützen, sondern auch die Sicherheit der Mitarbeiter vor Ort zu gewährleisten.
„Die Aktivisten, die sich in den letzten Wochen unrechtmäßig Zutritt zu unserer Anlage verschafft haben, haben nicht nur sich selbst gefährdet,“ erklärt Erichsen. „Das Betreten des Geländes und das Besetzen der Maschinen bringt auch unsere Mitarbeiter und die der Behörden in Gefahr.“
Durch die Besetzung der Portalkratzer wollten die Aktivisten erreichen, dass die Versorgung des Kraftwerks mit Kohle unterbrochen wird und der Betrieb somit gestoppt oder zumindest gestört wird. Beide Aktionen dauerten mehrere Stunden und hatten einen Großeinsatz der Polizei zufolge.
Um ihre Identität zu verschleiern, hatten einige der Aktivisten ihre Fingerkuppen mit Sekundenkleber beschmiert. Uniper stellte Strafanzeige gegen alle Aktivisten, die sich Zutritt verschafft hatten.

Der Stacheldraht soll weiteres Eindringen durch Aktivisten verhindern.   Foto: © Andreas Kalthoff
Dattelner Lichtspiele

Auszüge aus der Dattelner Morgenpost vom 27. Februar 2020

Nur zwölf Stunden nach Beendigung der Kraftwerksbesetzung durch die Polizei am Dienstagabend gab es am Kraftwerk Datteln 4 erneut eine Protestaktion. Verantwortlich waren diesmal Umweltaktivisten von Greenpeace. Die lösten allerdings bei Weitem nicht eine solche Polizeipräsenz aus wie tags zuvor, als sich elf Aktivisten an Portalkratzern angekettet hatten. Greenpeace hatte von einem Lkw an der Seilscheibe per Beamer Sprüche auf den Kühlturm von Datteln 4 projiziert. Dort war unter anderem „Kohle zerstört unsere Zukunft“ oder „Datteln 4 stoppen“ zu lesen.
Bericht und Bilder: https://www.greenpeace.de/themen/energiewende-fossile-energien/kohle/dattelner-lichtspiele

Aktivisten von Greenpeace projizierten den Schriftzug: "Datteln 4 stoppen" an den Kühlturm von Datteln 4. 
Foto: Dattelner Morgenpost (dpa)

Die elf Aktivisten, die im Laufe des Dienstags in Gewahrsam genommen wurden, sind inzwischen alle wieder freigelassen worden. Vor dem Polizepräsidium in Recklinghausen hatte sich Dienstagabend ein kleines Grüppchen zu einer „Spontan-Demo“ versammelt – aus Solidarität mit den in Gewahrsam genommenen, wie es hieß. Die dortigen Aktivusten erklärten sich solidarisch mit den Zielen der Kraftwerks-Besetzer.

Volllast-Betrieb im März
Der Testbetrieb von Datteln 4 läuft trotz der Störaktion wie geplant weiter. Nach Angaben von Uniper-Sprecherin Ilona Flechtner sei die Phase des Volllastbetriebs aber noch nicht erreicht worden. Das sollte eigentlich im Februar geschehen. Man habe noch Testphasen dazwischen geschoben. Flechtner rechnet mit dem Volllastbetrieb Mitte März.

Der Protest geht weiter
DATTELN. Wieder ist es Umweltaktivisten gelungen, sich Zutritt zum Gelände des Kohlekraftwerks Datteln 4 zu verschaffen. Durch die Besetzung zweier Portalkratzer wollten sie die Stromproduktion unterbrechen.

Von Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 26. Februar 2020


Als am frühen Dienstagmorgen ein Polizeihubschrauber über dem Steinkohlekraftwerk Datteln 4 seine Kreise drehte, ahnten viele Bürger bereits, dass dort eine weitere Protestaktion von Umweltaktivisten stattfinden könnte. Und tatsächlich: Ähnlich wie bei der ersten Aktion am 2. Februar, war es elf Aktivisten der Gruppe „Datteln 4 vom Netz“ gelungen, sich gegen 6,30 Uhr Zutritt zum Gelände des Kraftwerks zu verschaffen. Dies geschah vermutlich zum Schichtwechsel der Polizei.
Die Bergung der Aktivisten aus luftiger Höhe war keine leichte Aufgabe für die Einsatzkräfte des Höheninterventionsteams. Die Aktion nahm mehere Stunden in Anspruch.     Foto: Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost

Nach unseren Informationen überwanden sie einen Zaun nordöstlich des Kraftwerks, der entlang der Bahnlinie verläuft. Sie nutzten dazu eine Leiter, die sie an den Zaun stellten. Um sich vor den Spitzen oben am Zaun zu schützen, legten die Aktivisten einen Teppich darüber. Wenige Minuten später konnten sie dann zwei Portalkratzer und einen Bagger auf dem Gelände besetzen.
Zeitgleich formierte sich vor den Toren des Kraftwerks eine eher kleine Mahnwache. „Wir wollen uns mit den Besetzern solidarisch erklären“, sagt Tatjana Rösch, eine Teilnehmerin. Mit der Aktion wollten sie und ihre Mitstreiter auch auf die Situation der Menschen in Kolumbien und Sibirien aufmerksam machen, die, so Tatjana Rösch, die Kohle für den Betrieb von Datteln 4 unter menschenunwürdigen Bedingungen abbauen müssten. Über Twitter versuchten Tatjana Rösch und ihre Mitstreiter, weitere Teilnehmer für die Mahnwache zu mobilisieren – mit eher mäßigem Erfolg. Am Nachmittag erklärten die Dattelner Andreas Bylebyl und Bernd Kaschmer (IG Meistersiedlung) im Gespräch mit unserer Redaktion, die Polizei habe versucht, sie davon abzuhalten, sich der Mahnwache anzuschließen. Erst nach erheblichem Protest seien sie von den Beamten zur Mahnwache geführt worden.
Auf den Portalkratzern hatten sich die Besetzer zwischenzeitlich mit sogenannten Lock-ons angekettet. Dabei handelt es sich um Rohre, die über die Arme gestülpt werden und die es den Einsatzkräften erschweren sollen, die darunter liegenden Ketten zu lösen.

Besetzer wollten Betrieb unterbrechen
Unter den Besetzern war auch einer, der sich Linus nennt. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte er per Handy, die Aktivisten seien vorbereitet, den Protest so lange fortzuführen, „bis die Stromproduktion unterbrochen oder gedrosselt werden muss“.
Währenddessen sammelten sich immer mehr Polizeikräfte in der Nähe des Portalkratzers, gegen 11 Uhr trafen Kräfte des Höheninterventionsteams ein. „Wir gehen davon aus, dass die vorhaben, bald zu räumen“, erklärte „Kati“, eine der Aktivistinnen, ebenfalls per Handy. Sie sollte recht behalten. Nach und nach entfernten die Einsatzkräfte die Lock-ons. Gegen 12 Uhr bestätigte sie, dass die Polizei zwei Aktivisten davongetragen und in Gewahrsam genommen habe. Die Aktion sei aber ruhig verlaufen. Ihr sei nicht bekannt, dass es zu gewaltsamen Aktionen seitens der Polizei gekommen ist.

Aktivisten kletterten bis auf Portalkratzer-Spitze
Nur eine gute Stunde später wurden die nächsten vier Besetzer von der Polizei in Gewahrsam genommen. Somit befanden sich noch fünf Besetzer auf dem Gelände. Zwei hatten sich auf der Spitze eines Portalkratzers eingerichtet, weitere am äußeren Ende des zweiten Kratzers. Nun kam das Höheninterventionsteam zum Einsatz. Gegen 14,30 Uhr gelang es den Einsatzkräften, die beiden Aktivisten von der Spitze zu lösen und mit einem Hubsteiger sicher herunterzuholen. Zuvor hatten die Einsatzkräfte versucht, an die Vernunft der Besetzer zu appellieren. „Mensch, jetzt kommt doch einfach runter“, war zu hören. Als schwerer sollte sich die Bergung der verbliebenen drei Aktivisten auf dem zweiten Portalkratzer erweisen. Dort waren die Besetzer immer weiter an den Rand des Kratzers geklettert. Um 17,48 Uhr meldete die Polizei schließlich, dass auch die letzten Besetzer vom Gelände entfernt werden konnten. Uniper hat Strafanträge wegen Hausfriedensbruchs gestellt.


Berufliche Blicke auf das Kraftwerk
Zwei junge Menschen äußern sich zu Datteln 4: Tobias Schülken arbeitet am Institut für Berg- und Energierecht der Uni Bochum, Mira Finkenbusch ist Umwelttechnikerin
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Von Markus Weßling, Waltroper Zeitung, 24. Februar 2020


Waltrop. Es ist kompliziert, selbst für Fach-Juristen. Derjenige, der das sagt, ist selbst einer, Tobias Schülken, Waltroper CDU-Ratsherr, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Insttitut für Berg- und Energierecht der Uni Bochum. Dort soll eine Veröffentlichung entstehen: Arbeitstitel: „Datteln 4 – die never ending story“ - die nie endende Geschichte also.
Sie blicken (auch) aus beruflichem Interesse aufs Thema Kraftwerk. Mira Finkenbusch bringt ihre Erfahrung als Umwelttechnikerin ein, Jurist Tobias Schülken lehrt und forscht zum Energierecht.
(Foto: Wehrland, Waltroper Zeitung)

Während Schülken als Jurist auf das Kraftwerk blickt und versucht, bei all den anhängenden Klageverfahren und politischen Wirrungen den Überblick zu behalten, hat eine weitere Waltroperin aus einem anderen beruflichen Blickwinkel eine Meinung zum Dattelner Kraftwerk. Mira Finkenbusch hat einige Jahre beruflich bei einem Energieunternehmen in der Schweiz verbracht. Als Umweltingenieurin achtet sie darauf, dass ihr Unternehmen bei Kraftwerksprojekten die Regeln beim Schutz von Umwelt und Anwohnern berücksichtigt, damit Gerichte ihm nicht einen Strich durch die Rechnung machen.
Da geht es zum Beispiel um den Abstand der Anlage zur Wohnbebauung, wofür es klare Vorgaben gibt – bekanntlich ein Konfliktpunkt im Fall des Dattelner Kraftwerks. Mira Finkenbusch rät immer dazu, erst die komplette Genehmigung durch die Behörden abzuwarten, bevor man mit dem Bau eines Kraftwerks beginnt. „Ich habe bei meinem Bewerbungsgespräch extra gefragt, ob man für das Pumpspeicherkraftwerk, das von dem betreffenden Unternehmen in der Schweiz gebaut werden sollte, erst eine umfassende Genehmigung einholen will. Hintergrund war, dass ich die Erfahrung mit Datteln 4 vor Augen hatte.“
Dort hatte der Betreiber, damals Eon, nämlich eben nicht die endgültige Genehmigung abgewartet, sondern auf eigenes Risiko vorzeitig mit dem Bau begonnen, Und fiel damit vor Gericht auf die Nase. Im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster von 2009 heißt es sinngemäß, für die Standort-Wahl am Dortmund-Ems-Kanals spreche im Grunde nichts - außer dem Willen des Betreibers genau dort sein Kraftwerk zu bauen. Gefragt, ob sie diese Bewertung teile, antwortet Mira Finkenbusch kurz und bündig „Ja!“ Und doch steht es nun einmal da – und zwar bekanntlich gerechtfertigt durch ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren, das den eigentlich ungeeigneten Standort im Nachhinein legitimiert. Erschüttert es nicht das Vertrauen der Menschen ins rechtliche und politische System, dass zugunsten eines Unternehmens das Recht so zurechtgebogen wird? Er könne verstehen, dass das so gesehen werde, sagt Schülken. Aber das Recht gebe das Instrument des Zielabweichungsverfahrens her.

Auf hohe Effizienz ausgerichtet
Was hält Mira Finkenbusch von der Argumentation, das Kraftwerk dürfe deshalb noch ans Netz, weil ja dafür alte, weniger effiziente, abgeschaltet werden? Mit einem Wort: nichts. Denn die älteren Kraftwerke, die nun als Kompensation für die Inbetriebnahme von Datteln 4 vom Netz gehen sollen, haben zuletzt kaum noch Strom produziert, weil sie in der Effizienz-Rangfolge hinten stehen und nur noch als „Stand-by“-Anlagen dienen.
Das neue Kraftwerk sei aber auf hohe Effizienz ausgerichtet, habe zudem feste Abnahmeverträge – und werde deshalb viel mehr Betriebsstunden haben als die alten, die man dafür abschalten will. Unterm Strich habe man damit eine höhere CO2- Belastung. Ganz ähnlich argumentiert übrigens auch der Umweltverband BUND. Auch das Argument, man brauche das Kraftwerk für Versorgungssicherheit und Netzstabilität, weist Mira Finkenbusch zurück.
Warum aber macht die Bundesregierung den Weg frei für die Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks, wo es doch eigentlich um den Kohle-Ausstieg geht? Jurist Schülken weist auf einen Aspekt hin: 2016 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, das den Energiekonzernen wegen des beschleunigten Atomausstiegs nach der Katastrophe von Fukushima eine „angemessene“ Entschädigung zustehe.
Jetzt habe die Bundesregierung offenbar Angst, dass sich das Szenario beim Thema Kohleausstieg wiederholt – und gibt Uniper die Möglichkeit, noch eine Weile seine Investition zurückzuverdienen, um nicht wieder in die Entschädigungs-Debatte zu kommen.
Zum Schluss ein Blick in die Glaskugel: Wird Datteln 4 so lange am Netz bleiben, wie sich Uniper das monentan vorstellt – bis 2038? Wenn die Klima-Proteste sich noch verstärkten, dann glaube sie nicht daran, sagt Mira Finkenbusch, sonst schon. „Aber das ist wirklich ganz schwer vorherzusagen.“


Deutsche Bahn:
100 Prozent grün nur auf dem Papier
Die Bahn möchte nur noch mit Ökostrom fahren und muss doch Strom aus dem Kohlekraftwerk Datteln 4 abnehmen. So wirklich grün ist der Bahnstrom aber ohnehin nicht.

Eine Analyse von Caspar Schwietering , Die Zeit, 23. Februar 2020

Deutschland steigt aus der Kohleverstromung aus, lässt aber im Sommer 2020 noch ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz: Datteln 4. Diese Entscheidung der Bundesregierung im sogenannten Kohlekompromiss empört viele Umweltschützerinnen. Heikel ist das nicht nur für den Kraftwerksbetreiber Uniper, sondern auch für einen Konzern, der derzeit versucht, sich als Vorreiter einer ökologischen Verkehrswende zu profilieren: die Deutsche Bahn. Denn der Staatskonzern hatte sich 2007 mehr als 400 Megawatt Leistung des 1.100-Megawatt-Kraftwerks gesichert.
Die Bahn sollte ihre roten Streifen nicht grün, sondern schwarz streichen.

Datteln wird damit voraussichtlich den gesamten Bahnstrom für Nordrhein-Westfalen und ein Viertel des gesamtdeutschen Bahnstroms liefern. Das Kraftwerk ist überhaupt nur in dieser Größe errichtet worden, weil sich die Deutsche Bahn in einem langfristig laufenden Vertrag verpflichtet hat, diese gewaltige Strommenge abzunehmen. Die Entscheidung für Datteln 4 fiel zu einer Zeit, als die Bahn auf einige wenige Großkraftwerke setzte, um sich sicher und günstig mit Strom zu versorgen.
Doch nun, da Datteln 4 nach zehnjähriger Verzögerung wegen Bauproblemen und Klagen schließlich ans Netz geht, droht das Kraftwerk für die Bahn zu einem PR-Desaster zu werden. Denn eigentlich ist die Deutsche Bahn längst auf eine Grünstromstrategie umgeschwenkt. Sie stattet, um das zu unterstreichen, sogar ICEs mit grünen statt roten Zierleisten aus. Derzeit nutzt die Bahn nach eigenen Angaben bereits zu 60 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien, bis 2030 will sie mit 80 Prozent Ökostrom fahren und 2038 sollen elektrisch betriebene Züge dann komplett klimaneutral unterwegs sein.
Gefährdet Datteln diese grünen Ambitionen nun? Die Bahn selbst äußert sich nur sehr zurückhaltend: "Wir halten an unseren Ökostromzielen fest." Das Kraftwerks- und Vertragsportfolio verändere man dafür grundlegend, teilt der Konzern mit. Die Inbetriebnahme von Datteln 4 will die Bahn nicht direkt kommentieren.

Zu teure Entschädigung
Die Bahn hat in der Vergangenheit allerdings probiert, aus dem ungeliebten Datteln-4-Vertrag herauszukommen. Und zuletzt hatte sie gehofft, dass der Kohlekompromiss das Aus für Datteln 4 bringen würde. Die Kohlekommission, die von Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla geleitet wurde, hatte der Bundesregierung empfohlen, Uniper zu entschädigen und Datteln 4 nicht ans Netz gehen zu lassen. Der Bundesregierung war die Entschädigung jedoch zu teuer.
In einem Interview hat Uniper-Chef Andreas Schierenbeck nun angekündigt, dass er Datteln 4 möglichst lange laufen lassen will. Das Kraftwerk wird damit vermutlich bis weit in die Dreißigerjahre hinein Bahnstrom aus Kohle liefern. Doch damit habe die Bahn ohnehin gerechnet, sagt der Energieexperte Frank Peter von der Denkfabrik Agora Energiewende. Der Dattelner Kohlestrom sei in den Planungen der Deutschen Bahn sowieso enthalten gewesen. Kurzfristig werde sich durch Datteln 4 für die Bahn deshalb wenig ändern, so Peter. Denn Uniper speise über den Umrichter in Datteln, der den Strom für die Bahn auf die richtige Spannung bringt, bereits heute Steinkohlestrom aus anderen Kraftwerken ins Bahnnetz ein.

Grüner Strom nur dank Zertifikaten
Ähnlich sieht das Philipp Kosok vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland: "Die Bahn hat damit kalkuliert, dass Datteln 4 ans Netz geht." Seine Ökostromziele könne der Konzern weiterhin erreichen. "Ohne den Kohlestrom aus Datteln hätte die Bahn aber bereits 2030 nur mit Ökostrom fahren können", sagt Kosok. Energieexperten der Bahn hätten ihm versichert, dass man bis dahin genug Grünstromanlagen fürs Bahnnetz gewinnen könne. Kosok ärgert sich deshalb darüber, dass die Bundesregierung Datteln 4 nicht verhindert hat. "Wir müssen den Menschen rasch wenigstens eine klimaneutrale Reiseart ermöglichen."
Dass man laut der Bahn bereits heute im Fernverkehr allein mit Ökostrom reist, hält Kosok dagegen für bloßes Marketing. Tatsächlich nutzen rein physikalisch natürlich alle Züge denselben Fahrstrom. Wenn also die Fernverkehrszüge offiziell nur mit Ökostrom fahren, bedeutet das im Umkehrschluss, dass der Nahverkehr und der Güterverkehr mit besonders viel fossilem Strom unterwegs sind.
Mit dem Strommix der Deutschen Bahn ist Kosok insgesamt dagegen zufrieden. Mit 60 Prozent Ökostromanteil sei die Deutsche Bahn ein Vorbild für die Wirtschaft. Und ein Großteil des Stromes, so Kosok, komme aus Kraftwerken, die extra für die Bahn produzierten. Nur einen kleinen Teil bestreite die Bahn mit zugekauften Ökostromzertifikaten, die als wenig nachhaltig gelten.  
Die Zertifikate funktionieren so: Die Bahn verbraucht fossilen Strom, erwirbt aber das Recht, ihn bilanziell als Ökostrom geltend zu machen. Entsprechend verschlechtert sich aber auch die Strombilanz eines anderen Verbrauchers. Der Ökostrom wird also nur in der Bilanz verschoben, der regenerative Anteil am Stromverbrauch in Deutschland steigt dadurch aber nicht.
Die Frage, inwieweit der hohe Ökostromanteil in der Bahn-Bilanz durch Zertifikate entsteht, entscheidet deshalb wesentlich darüber, wie nachhaltig der Stromverbrauch der Bahn wirklich ist. Offizielle Zahlen dazu gibt es von der Deutschen Bahn nicht – Geschäftsgeheimnis.

Keine "belastbare Ökostromstrategie"
Die Konkurrenz der Bahn stellt folgende Rechnung auf: Die Bahn habe Bezugsverträge für vier Kohle- und Gaskraftwerke, sagt Peter Westenberger vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen, das die Wettbewerber der Deutschen Bahn im Güterverkehr vertritt. Die darin vereinbarte Abnahmemenge summiere sich auf mehr als die Hälfte des Stroms, der tatsächlich ins Bahnnetz geleitet werde. Das würde bedeuten, dass die Bahn mehr als zehn Prozent ihres Stroms nur über Zertifikate grün macht.
Westenberger geht davon aus, dass sich daran bis in die Dreißigerjahre hinein kaum etwas ändern wird. Denn neben Datteln 4 soll auch das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt, das 110 Megawatt Bahnstrom erzeugt, nach dem Kohlekompromiss bis 2034 am Netz bleiben. Die DB Energie, die Energietochter der Deutschen Bahn, könne ihre Ökostromziele deshalb nur durch Zertifikate erfüllen. "Wir werden unseren Mitgliedern daher empfehlen, sich nach anderen Stromanbietern umzusehen, die eine belastbarere Ökostromstrategie haben", sagt Verbandschef Westenberger.

Am 22. Februar 2020 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:

Proteste gegen Datteln 4 schützen und stärken unsere Demokratie


„Recht und Gesetz sind immer noch absolut“, schreibt Herr Störbrock. Er sorgt sich um unsere Demokratie, sollte dieses absolute Recht und Gesetz nicht gegen die Aktivisten durchgesetzt werden, die das Kraftwerk Datteln 4 besetzten.
Auch mein Vertrauen in unsere Demokratie ist durch das Kohlekraftwerk Datteln 4 erschüttert worden, Herr Störbrock. Denn die Entstehungsgeschichte dieses Kohlekraftwerks zeigt, dass Recht und Gesetz in unserer Demokratie leider nicht absolut sind. Am 3. September 2009 wurde der Bebauungsplan für Datteln 4 vom Oberverwaltungsgericht Münster aufgehoben, u.a. weil die Stadt Datteln das Gefährdungspotential des Kraftwerkes und den Schutz der Bevölkerung nicht ausreichend beachtet habe. Daraufhin wurde ein neuer Bebauungsplan erarbeitet und am 14. Mai 2014 vom Rat der Stadt Datteln beschlossen. Durch Beschlüsse des RVR und der Landesregierung im Jahr 2013 wurden die laut Landesplanung vorgeschriebenen 1500 Meter Abstand zwischen Kraftwerk und Wohngebiet umgangen und der tatsächliche Abstand von nur 450 (!) Metern genehmigungsfähig.
Über die aktuell diskutierten 1000 Meter Mindestabstand zwischen neuen Windrädern und Wohnhäusern können Anwohner von Datteln 4 nur den Kopf schütteln. Hier steht der größte Kohlekraftwerksblock Deutschlands nur 700 Meter neben einer Kinderklinik. Im Februar 2018 wurde zudem klar, dass Uniper die genehmigten Schadstoff-Emissionen überschreiten werde,  Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde daraufhin durch das NRW-Wirtschaftsministerium überarbeitet und die erlaubte Menge des Quecksilberausstoßes verdoppelt.

Kurz: Im Falle von Datteln 4 wurde von Politikern über Jahre hinweg geltendes Recht und Gesetz an die Interessen eines Energiekonzerns angepasst! Es bleibt zu hoffen, dass die zurechtgebogenen Pläne und Genehmigungen für das Kraftwerk vor Gericht erneut durchfallen werden. Ansonsten gilt festzustellen: Recht und Gesetz sind absolut, ja absolut beugsam.
Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Proteste gegen Datteln 4 nicht Gefahr für unsere Demokratie, sondern ein zivilgesellschaftliches Korrektiv gegen von Konzerninteressen fehlgeleitete Politikerentscheidungen. Sie gefährden nicht unsere Demokratie, sie schützen und stärken sie!
Malte Christ, Datteln

Am 17. Februar 2020 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:

Datteln 4 – ein beklagenswerter Tatbestand!

Datteln 4 ist nicht – wie jüngst in der DMP zu lesen war - „das neue Feindbild“ (scheinbar geschaffen von Ängste schürenden Wissenschaftlern und bösartigen Klima-Aktivisten), sondern in erster Linie ein beklagenswerter Tat(!)bestand; und zwar in mehrfacher Hinsicht:
1. umwelt- und klimapolitisch (weil diesbezügliche Aspekte nicht allein vom Betreiber-Unternehmen, sondern auch von dessen politischen Promotoren in Datteln, Düsseldorf und Berlin bis heute eher gering-geschätzt werden);
2. kommunal- und regional-politisch (da hierbei Wirtschafts-Interessen stets vorrangig im Blick bleiben, Bürger-Interesen dagegen weit seltener); sowie vor allem
3. rechtspolitisch (aufgrund eines teilweise recht willkürlichen Umgangs mit Gesetzen und Erlassen seitens Politik wie Wirtschaft).

Datteln 4 ist jetzt ein unübersehbares Denk-mal (!) einer seit seiner Grundsteinlegung andauernden Problem- und Konfilkt-Geschichte. Verantwortlich dafür sind Vertreter beider sog. Volks(nahen)parteien in NRW und insbesondere vor Ort; ferner eine relativ kleine Fraktion – und im Kern nach wie vor wirtschaftsnahe Klientel-Partei, die – angeblich primär und prinzipiell – stets Bürger/innen-Rechte zu sichern trachtet.
Datteln 4 ist von Anfang an kein gründlich und umsichtig bedachtes Projekt gewesen; ganz und gar nicht „ein guter Nachbar für Datteln … und auch für Waltrop“ (wie vom amtierenden Dattelner Bürgermeister seinerzeit „gewünscht“)

Eine unverzeihliche Provokation
Der Wunsch-Standort des Unternehmens (!) für sein Kraftwerk wurde mithilfe von kommunal- wie regionalpolitischer Bewilligung und Unterstützung selbstverständlich Realität. Die am Ende zustande gekommene Ansiedlung war und ist eine im Grunde unverzeihliche Provokation der standortnah lebenden Dattelner Bürger/innen (nicht nur was deren Lebensqualität angeht); sie fand auch in Waltrop keineswegs Wohlgefallen.
Datteln 4 hat sich (natürlich) erst recht nicht als ein Vorhaben erwiesen, bei dem Ziel des Betreibers (wie von Pfarrer Hans Overkämping bei der symbolischen Grundsteinlegung ausdrücklich „erbeten“) doch nicht zuletzt die Bemühung sein sollte, dass „die Bewahrung der Schöpfung“ Vorrang habe vor „dem Streben nach Profit“.

Kraftwerks-Kritiker aus der Dattelner Bürgerschaft werden von den politischen „Entscheidungs-Trägern“ gern ironisch „Bedenken-Träger“ genannt – oder einfach als Kraftwerks-Gegner bezeichnet. Von Unternehmens-Vertretern, die sich selbst als weitsichtige (!) „Durchsetzer“ ihres Projekts vestehen, sowie von jenen Vertretern aus Wirtschaft und Politik, die als Promotoren oder Befürworter von Datteln 4 auftreten, werden Kraftwerks-Kritiker in der Regel als kurzsichtige (!) „Verhinderer“ gescholten. Deren Interessen, Position wie Argumentation werden darüber hinaus noch „verteufelt“ als die Energiesicherheit und/oder den Gewinn vieler neuer Arbeitsplätze vor Ort gefährdend.

Datteln 4 ist letztlich ein recht aufschlussreiches (wenngleich nicht das einzige) Symbol für eine überwiegend wirtschafts-fördernde Kommunalpolitik in Datteln. Das entspricht zwar dem entschiedenen Votum in NRW wie im Bund für einen steten „Primat der Ökonomie über die Politik.“ Doch eine solche dominant wirtschaftspolitische Maxime (die sich in einem vornehmlich ökonomie-zentrierten, aber kaum ökologisch-orientierten Denken und Handeln konkretisiert) hat nicht allein negativ (!) nachhaltige Auswirkungen auf natürliche Umwelt und menschliche Lebensqualität. Diese Maxime ignoriert vorsätzlich rechtsstaatliche Vorgaben von Grundgesetz (nach Art. 14.2; „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“) und nordrhein-westfälischer Landesverfassung (nach Art. 24.1: „Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen.“). Ein absolut inakzeptabler Tat(!)bestand.

Datteln 4 ist leider – so mein Fazit – ein Beleg für die fortwährende Pflege „unheiliger Allianzen von Politik und Wirtschaft“ lokal wie überregional. Planung und Standortwahl für die Ansiedlung eines eigentlich un-zeitgemäßen Kraftwerks legen nahe, bei diesem Projekt erneut von einem „dreckigen Stück Stadtgeschichte“ zu sprechen (ein Urteil, das vor Jahren – angesichts des Ruhr-Zink-Skandals – zu Recht bereits Björn Korte formuliert hat).
Prof. Dr. Gerd Stein, Datteln


Nagelneu – und schon auf dem Abstellgleis

Kohleausstieg  Umweltschützer fordern, das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 dürfe nie in Betrieb gehen. Es wäre dann mit 1,5 Milliarden Euro die vielleicht teuerste Bauruine der Welt. Aber in der Bergarbeiterstadt Datteln gibt es auch andere Stimmen.

Von Christoph Link, STUTTGARTER ZEITUNG, Samstag/Sonntag, 15./16. Februar 2020 | Nr. 38

Die Wachmänner mit ihren gelben Westen stehen am Zaun, und macht jemand Fotos, greifen sie zum Handy, und bald kommt ein Polizeiwagen. „Achtung, Bestreifung des Geländes durch Diensthunde“ steht auf den Schildern des Kraftwerks, das durch einen Kanal, eine stark befahrene Straße und nasse Äcker so gut wie eine Burg abgeschirmt sein sollte. Ist es aber nicht, vor Kurzem sind Aktivisten aufs Gelände gedrungen und haben sich mit Plakaten auf ein Förderband gesetzt. Ein Albtraum für den Werkschutz, der seither verständlicherweise nervös ist. Und die Polizei aus Recklinghausen fackelt nicht lange: Kürzlich nahm sie am Zaun drei Theologen aus Münster fest, beschlagnahmte deren Auto und steckte sie über Nacht in Zellen. Laut Polizei standen die drei im Verdacht „unmittelbar bevorstehende Straftaten zu verüben“. Er erwies sich als unbegründet.
Aus dem fast 180 Meter hohen Kühlturm und dem Kesselhaus steigen weiße Rauchschwaden auf, Wind und Regen drücken sie nach unten. 500 Megawatt Leistung soll das zum Uniper-Konzern gehörende Kraftwerk schon jetzt im Testlauf erzeugen. Hinter Tor 2 liegen häusergroße, schwarz glänzende Kohlehalden – antransportiert per Schiff. Geht es im Sommer in den Regelbetrieb, sollen täglich bis zu 8000 Tonnen Kohle verfeuert werden.

Aber Klimaschützer wollen Datteln 4 zum Ziel ihres Protestes machen. Eine zweite Front, denn in der 35 000-Einwohner-Stadt, die Anzeichen einer verarmten Ruhrgebietsstadt hat, gibt es schon lange Widerstand. Aus einem Wohngebiet – der Meistersiedlung – haben Anwohner geklagt, den Bau immer wieder verzögert, noch sind Klagen anhängig, vom BUND, Bürgern und der weiter östlich gelegenen Stadt Waltrop, die die Sorge hat, dass der Dreck zu ihr herüberweht.
Der Grünen-Fraktionschef im Stadtrat, Theodor Beckmann, empfängt im Büro seiner Partei in der Fußgängerzone, das in einem ehemaligen Laden ist und ein so großes Schaufenster hat, dass man denkt: Sieht verletzlich aus. Wenn hier nicht mal ein Kohlebrocken reinfliegt? Doch Datteln ist friedlich, und der „Bergmannstand“, der hier auf Gedenktafeln verehrt wird, ist zwar noch da, aber im Ruhestand. Die letzte Zeche hat 1972 dichtgemacht, die Kokerei 1983. „Abbrechen!“, sagt Beckmann auf die Frage, was seiner Ansicht nach mit dem 1,5 Milliarden Euro teuren Kraftwerksbau passieren sollte. „Schon 2007, bei einem gerichtlich verfügten Baustopp hatte sich der damalige Investor Eon verpflichtet, den Neubau abzureißen, falls er die Klage letztinstanzlich verlieren sollte.“ Das Risiko war Eon also bewusst.
Nach Lesart der Grünen ist Datteln 4 noch ein Schwarzbau, es fehle die planungsrechtliche Grundlage und eine Betriebsgenehmigung. Mit vier Grünen und zwei Linken stehen die Gegner des 1100-Megawatt-Kraftwerks im Stadtrat einer Phalanx von 32 Befürwortern entgegen, allen voran SPD und CDU. Für Beckmann zählt das Argument der Jobs wenig: „Da arbeiten 100 Leute auf einem Gelände von 50 Hektar – ein Witz!“ Aber Datteln sehe sich ja noch als „Industriegemeinde“.

Auch Joachim Hermes hat mal in der Industrie gearbeitet, als Informatiker in der Mineralölindustrie. Heute ist er der einzige in Datteln wohnende Greenpeace-Aktivist. Blickt er aus dem Schlafzimmerfenster, sieht er den Kühlturm, und dessen Form habe „eine gewisse Ästhetik“, meint er. Damit endet die Sympathie. „Man muss mit gesundheitlichen Schäden rechnen. Das Werk setzt neben Kohlendioxid Stickoxide, Schwefeldioxid und toxische Metalle frei. Die Anlage steht 450 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt, 700 Meter von einer Kinderklinik, in der kranke
Säuglinge behandelt werden. Da fragt man sich als Dattelner, wie kann so was sein?“ Gleichzeitig werde bei Windrädern ein Abstand von 1000 Metern verlangt, und es gebe in der Gesellschaft den Konsens zum Abschied von der Kohle: „Da ein neues Kohlekraftwerk zu eröffnen ist doch absurd.“ Der Uniper-Konzern wirbt mit dem „ehrgeizigen Ausstiegspfad“ für seine Kohlekraftwerke, und vom Satiriker Jürgen Becker sei das in einem Beitrag aufgespießt worden, erzählt Hermes: „Uniper kommt ihm vor wie ein Gewalttäter, der sich fürs neue Jahr vorgenommen hat, ein besserer Mensch zu werden. Und dann richtet er erst noch mal ein Massaker an.“

Graue Arbeiterhäuser, Kik-Laden, Dönerbuden und Spielsalons – die Stadt Datteln hat an manchen Ecken das Antlitz einer verarmten Stadt. Die Arbeitslosigkeit beträgt 6,6 Prozent, die Stadt ist mit 70 Millionen Euro überschuldet, fährt mit einem Nothaushalt und muss sich Ausgaben genehmigen lassen. Gökahn Tonguc, Ortsvorsitzender der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) und der DGB-Gewerkschaftssekretär Tobias Krupp sitzen in einem schön renovierten westfälischen Bauernhaus von 1809, es ist die Volkshochschule. Mit dem Betrieb von Datteln 4 gebe es 100 gute, vernünftige und nach Tarif bezahlte Arbeitsplätze, sagen sie – und endlich mehr Gewerbesteuern: „Das Kraftwerk anzufahren ist die richtige Entscheidung.“ Wenn es erst laufe, werde das Arbeit für Zulieferer und Wartungsfirmen bringen. Zurzeit seien der größte Arbeitgeber in Datteln die zwei Krankenhäuser, außerdem gebe es nur noch einen Zink verarbeitenden Industriebetrieb mit 450 Jobs.
Tonguc war am Vortag bei einer Ehrung von 60 treuen IG-BCE-Mitgliedern, vier davon sind seit 70 Jahren dabei. Auch der SPD-Bürgermeister André Dora, starker Befürworter von Datteln 4, war bei der Veranstaltung und hat gewarnt, dass größere Proteste das Image der Stadt beschädigen könnten. Tonguc teilt die Sorge: „Wir haben kein Verständnis für die Demos.“ Beim letzten Mal sei so viel Stau gewesen, dass Rettungswagen nicht durchkamen. Sollte die Stadt bei der nächsten Demo den Parkstreifen der Hauptstraße sperren, „kippt hier die Stimmung“.

Auf der Energie-Messe in Essen ein Treffen mit den Leuten von Uniper: Sie scharen sich hinter den Argumenten ihres Vorstandsvorsitzenden Andreas Schierenbeck, der gesagt hat, dass Uniper durch die freiwillige Stilllegung von fünf älteren Steinkohlekraftwerken in den nächsten fünf Jahren die CO2-Emissionen um 40 Prozent senken werde. Ein Argument der Klimaschützer lassen sie nicht gelten: dass der Kohlendioxid-Ausstoß mit Datteln 4 über die Laufzeit gerechnet laut unterschiedlichen Schätzungen zehn bis 40 Millionen Tonnen höher sein werde als die der alten Werke, die mit einer schwachen Auslastung gefahren worden sind. Das sei „nur Spekulation“, wie hoch die Auslastung von Datteln 4 einmal sein werde, sagt ein Mitarbeiter. Im Übrigen habe Uniper „schon genug Opfer gebracht“. Statt 40 Jahre zu laufen, müsse das nagelneue Werk vermutlich nach 18 Jahren vom Netz – mit dem Kohleausstiegsjahr 2038. Und der Uniper-Betriebsratsvorsitzende Holger Grzella sagt: Mit Datteln 4 gehe das sauberste und modernste Kohlekraftwerk ans Netz: „Wegen der Proteste sind einige Mitarbeiter schon verängstigt, wenn sie an die Aktionen im Hambacher Forst denken, wo Leute von RWE persönlich angegangen worden sind. Das geht überhaupt nicht.“ Protestgruppen wie Ende Gelände, BUND und Fridays for Future planen für Frühjahr aber schon neue Aktionen, spätestens zur Uniper-Hauptversammlung am 22. Mai.


Als Reaktion auf diesen Bericht in der Stuttgarter Zeitung erreicht uns folgender Post der Umweltinitiative für Datteln:

Gökhan Tonguc, ich lese gerade das Interview in der Stuttgarter Zeitung. Euer Büro ist ja in einem der ältesten Häuser von Datteln. Genauso alt ist eure Einstellung. Diese 100 Arbeitsplätze im Kraftwerk werden nicht mit Dattelner Arbeitnehmern besetzt. Die versprochenen Gewerbesteuereinnahmen sind das, was sie sind. Leere Versprechungen. Welche Zulieferer meinen Sie? Die 3000 Schiffsbewegungen jedes Jahr? Oder die Kohlefrachter die Blutkohle aus Kolumbien um die halbe Welt fahren? [1]
Gar etwa die kilometerlangen Steinkohlezüge aus Russland? [2]
Wir fassen zusammen, jede Tonne Steinkohle, die in Datteln verbrannt wird, unterstützt Despoten, zerstört unwiderruflich intakte Umwelt in den Abbaugebieten von Australien, Kolumbien und Russland. Ganz zu schweigen von der Beimengung von Petrolkoks.

Dieses Kraftwerk anzufahren, ist eine schallende Ohrfeige in das Gesicht der Menschen, die Angst um ihre Existenz haben. Dass Rettungswagen nicht durchkamen, haben wir so nicht erlebt. Eher im Gegenteil, wie man hier sehen kann. [3]
Dass Datteln 4 CO2 einsparen soll, ist .... sachlich falsch.
Selbst Umweltaktivisten vom Managermagazin [4] und Blackrock Investment [5] sehen das kritisch.
Dass Innenminister Reul [6], ferngesteuert von der Kohlelobby in Person von Gregor Golland [7], versucht, die Klimaaktivist*innen mit Gewalt zum Schweigen zu bringen, hat schon im Hambi nicht funktioniert.

Datteln 4: Protest in Finnland

Aktivisten demonstrieren bei Fortum, einem Großaktionär von Uniper

Dattelner Morgenpost vom 7. Februar 2020


Helsinki/Datteln. (dpa) Aktivisten von Greenpeace und der Klimabewegung Extinction Rebellion (XR) haben beim finnischen Energiekonzern Fortum gegen das deutsche Kohlekraftwerk Datteln 4 protestiert. „Coal ain't cool!“ (Kohle ist nicht cool) war am Donnerstag auf einem Transparent zu lesen, das ein Paraglider vor dem Fortum-Firmensitz in Espoo bei Helsinki in der Luft hinter sich herzog. Demonstrantinnen hielten Schilder mit der Aufschrift „Datteln 4 stoppen“ in den Händen. Neben dem Paraglider beteiligten sich laut Greenpeace 25 Aktivisten an dem Protest.

  • Hintergrund der Aktion war die Veröffentlichung der Jahreszahlen des finnischen Energieriesen. Fortum ist Großaktionär beim Düsseldorfer Energiekonzern Uniper, der das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 im Sommer ans Netz nehmen will. Fortum will seinen Anteil an Uniper von knapp 50 auf gut 70 Prozent aufstocken, indem es die bisher von zwei Fonds gehaltenen Anteile übernimmt.
    Finnland habe einige der ambitioniertesten Klimaziele der Erde, erklärte der finnische Greenpeace-Aktivist Olli Tiainen: Gleichzeitig behindere der Staatskonzern Fortum den Ausstieg aus der Kohleförderung in anderen europäischen Ländern. „Die Situation ist höchst kontrovers und, um ehrlich zu sein, empörend“, so Tiainen.
    Unterdessen hat Dattelns Bürgermeister André Dora Kontakt zur Stadt Kerpen aufgenommen, die unter den lang anhaltenden Protesten von Klimaaktivisten im Hambacher Forst zu leiden hatte. Über einen Austausch mit Kerpen möchte sich André Dora die Erfahrungen der Stadt im Umgang mit den Protesten zunutze machen. (Fotos: Greenpeace)

    Am 6. Februar 2020 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:

    Die Politik jubelt bei Datteln 4 zu früh – und sollte das OVG abwarten

    Thema: Datteln 4 – und die Lehren aus dem Kfz-Maut-Debakel


    Obgleich thematisch grundlegend verschieden, ist die Ähnlichkeit beider Verfahren doch beeindruckend: Es scheint, als solle erneut eine poltische Agenda wider aller rechtlichen Einwände und Bedenken durchgesetzt werden.
    Doch den unrühmlichen Ausgang dieses politischen Possenspiels konnten wir erst vergangenen Sommer bestaunen, als der Bundesverkehrsminister die o.g. Maut als das Allheilmittel pries, um die Kasse seines Ministeriums zu füllen. Sämtliche Kritiken im Vorfeld wurden als vollkommen unbegründet abgeschmettert und belächelt. Verträge mit diversen Dienstleistern wurden geschlossen, obwohl Juristen aus dem eigenen Ministerium mangels Rechtssicherheit dringend davon abrieten. Das Fell des Bären wurde sozusagen bereits verteilt, obwohl der Bär noch nicht erlegt war.
    Doch dann urteilte im Juni 2019 der EuGH klar und eindeutig. Dies hatte doch niemand so erwarten können, oder? Heute beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss im Bundestag mit dem Thema. Der Bundesrechnungshof benennt viele Fehler im Vergabeverfahren. Es stehen Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe im Raum und der Minister beteuert, alles sei absolut korrekt gelaufen. Das höchstrichterliche Urteil des EuGH als letzte Instanz wollte er nicht abwarten!

    Im Prinzip ist die Situation verwandt mit der des Kohlekraftwerks Datteln 4. Hier sind gegenwärtig zwei Klagen beim zuständigen OVG Münster anhängig – und zwar eine Normenkontrollklage gegen den neuen B-Plan der Kommune Datteln und eine weitere Klage gegen die Betriebsgenehmigung durch die Bezirksregierung Münster. Nach mir vorliegenden Informationen wird sich das OVG Münster in diesem Jahr mit beiden Themen beschäftigen, Anhörungen werden stattfinden und ggf. auch Urteile verkündet. Der Ausgang beider Verfahren ist heute natürlich noch offen.

    Augenblicklich wird durch die Politik jedoch erneut suggeriert, dass neue Realitäten bereits geschaffen seien und dass das Kraftwerk Datteln 4 dauerhaft ans Netz gehe. Exakt an diesem Punkt droht sich das Desaster des Kfz-Mautverfahrens zu wiederholen. In der Spitze der Kommune ist genügend juristischer Sachverstand vorhanden, sodass die Vorgänge vor Gerichten und deren Wirkungen ausreichend bekannt sein sollten.
    Wäre es angesichts dieser Parallelen für Lokal- und Landespolitiker etc. nicht angemessener, zunächst die juristisch anhängigen Verfahren des zuständigen Gerichtes in Münster und ggf. weiterer Instanzen abzuwarten, als frühzeitig in Jubel auszubrechcn. Die relevanten Klimaaspekte hier einmal bewusst ausgeklammert. Von meinen Volksvertretern würde ich wenigstens erwarten, dass sie auf diese anhängigen Gerichtsverfahren klar und deutlich hinweisen. Ich vertraue hier ganz auf die Kompetenz der OVG-Juristen aus Münster, die sich bereits seit ca. 13 Jahren mit sämtlichen Aspekten des Kraftwerks Datteln 4 intensiv beschäftigen.
    Justitias Mühlen mahlen zwar langsam, aber stetig. Warten wir beide Verfahren beim OVG doch einfach ab. Dies wäre beim Thema Kfz-Maut, mit Blick auf das Urteil beim EuGH, auch klüger gewesen, wie wir heute rückblickend wissen.
    Günter Benning, Datteln


    Alle schauen auf Datteln
    03.02.2020

    Die Kohlekommission hatte die Empfehlung abgegeben, einen Weg zu finden, damit das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 nicht ans Netz geht. Weil die Bundesregierung diese Empfehlung der Expertenkommission aus Wissenschaft und Wirtschaft, aus Industrie und Umweltverbänden in ihrem Entwurf zum Kohleausstieg frech missachtet, ist bei vielen Menschen der Glauben an die Ehrlichkeit dieser Regierung noch geringer geworden. Dass sie ihren Unmut nun lautstark zu Gehör bringen, kann nicht verwundern - und wird von der Mehrzahl der Berichterstatter verständnisvoll wahrgenommen und kommentiert.


    Kohleausstieg bis 2038 auf den Weg gebracht
    Umweltverbände kritisieren die Regierungspläne als unzureichend.

    Von Andreas Hönig und Teresa Dapp (dpa), Dattelner Morgenpost, 30. Januar 2020

    Berlin. Es hat länger gedauert als ursprünglich geplant, aber jetzt steht das Kohleausstiegsgesetz – jedenfalls als Entwurf, den das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin verabschiedet hat. Jetzt ist der Bundestag an der Reihe. Bis Mitte des Jahres soll alles in trockenen Tüchern sein, damit dann auch das Gesetz zu den Milliarden-Hilfen für die Kohleregionen in Kraft treten kann. Grundsätzlich ist nun also klar, wie der Kohleausstieg für den Klimaschutz bis 2038 ablaufen soll.
    Steinkohle: Steinkohle-Zechen gibt es in Deutschland keine mehr, Kraftwerke schon noch. Deren Betreiber können sich darauf bewerben, gegen Entschädigung abzuschalten. Wer früh vom Netz geht, kann mehr bekommen – in diesem Jahr maximal 165.000 Euro pro Megawatt, dann jedes Jahr weniger und 2026 nur noch 49.000 Euro.
    Braunkohle: Zu den Braunkohle-Kraftwerken gehören auch Tagebaue, deswegen wären Ausschreibungen wie für die Steinkohle zu kompliziert. Es gibt stattdessen einen festen Abschaltpfad von 2020 bis 2038. Los geht es in Nordrhein-Westfalen, Ostdeutschland ist später dran.
    Überprüfungsjahre: Viermal wird offiziell überprüft, wie es mit dem Kohleuasstieg läuft – ob die Stromversorgung gesichert ist, wie der Strompreis sich entwickelt und wie es um den Klimaschutz steht. Das passiert erstmals 2022, dann 2026, 2029 und 2032. Von 2026 an wird auch geprüft, ob der Kohleausstieg um drei Jahre vorgezogen werden kann – also ob schon 2035 statt 2038 Schluss ist.
    Neues Kohlekraftwerk: Es klingt unlogisch, dass der Kohleausstieg damit beginnt, dass ein neues Steinkohle-Kraftwerk ans Netz geht – aber Datteln 4 ist gebaut und genehmigt, es wäre sehr teuer geworden, Betreiber Uniper da herauzukaufen. Die Bundesregierung hat aber versprochen, dass dafür zusätzliche Steinkohle vom Netz geht, sodass keine zusätzlichen Treibhausgase entstehen.
    Greenpeace warf der Bundesregierung vor, sie mache Deutschland mit ihren „halbherzigen Kohleausstiegsplänen“ zum Schlusslicht in Europa. Alle übrigen westeuropäischen Länder planten den Abschied von der Kohle bis spätestens 2030, Länder wie Frankreich, Schweden und Großbritannien sogar bis 2025. „Dieses Gesetz blamiert Deutschland – so verlieren wir beim Kohleausstieg endgültig den Anschluss an Westeuropa“, erklärte Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid.

    „Ende Gelände“ will im Mai protestieren
    Umweltaktivisten rufen zur Demo gegen das Kraftwerk Datteln 4 auf

    Von Uwe Wallkötter, Dattelner Morgenpost, 30. Januar 2020

    Datteln. Gerüchte über mögliche Protestaktionen auswärtiger Umweltaktivisten gegen das Uniper-Kraftwerk Datteln 4 gab es schon länger, seit bekannt wurde, dass das Kraftwerk ans Netz gehen soll. Jetzt wird das Anti-Kohle-Bündnis „Ende Gelände“, das auch den Widerstand im Hambacher Forst mit organisiert hatte, konkreter. Johnny Parks von „Ende Gelände“ kündigt als Reaktion auf das Kohleausstiegsgesetz für Mai eine Protestaktion in Datteln an.
    Details zum Umfang der Aktion, Dauer und Teilnehmerzahlen konnte Parks zum jetzigen Zeitpunkt auf Anfrage noch nicht nennen. Man sei noch in der Planungsphase.
    „Dieses Gesetz hilft den Kohlekonzernen, aber nicht dem Klima. Mit Entschädigungs-Milliarden und Subventionen wird die veraltete, dreckige Technologie künstlich am Leben gehalten. Was muss noch passieren, damit der Groschen endlich fällt?“, teilt Parks in einer Pressemitteilung des Umweltbündnisses mit. Man stecke mitten in der Klimakrise und der Regierung falle nichts Besseres ein, als den Kohleausstieg um weitere 20 Jahre zu verschieben. „Diese Farce macht uns entschlossener denn je, den Kohleausstieg wieder selbst in die Hand zu nehmen. Wir kommen, um RWE, Uniper und Co. die Bilanz zu versauen“, schreibt Parks weiter.
    Neben dem Abbau von Braunkohle kritisiert „Ende Gelände“ insbesondere die Ankündigung, das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz zu nehmen. Der Betreiber Uniper importiere hierfür Steinkohle aus Nordkolumbien und Sibirien. Der Kohleabbau dort stehe in Verbindung mit massiven Menschenrechtsverletzungen der lokalen Bevölkerung. Parks nennt hier den Begriff „Blutkohle“.
    Für „Ende Gelände“ sei es „klimapolitischer Wahnsinn“, dass die Regierung im Jahre 2020 die Inbetriebnahme neuer Kohlenmeiler zulasse. „Gemeinsam mit der gesamten Klimabewegung werden wir verhindern, dass die Dreckschleuder namens Datteln 4 ans Netz geht.“

    Datteln im Visier der Klimaschützer
    Sicherheitsbehörden bereiten sich auf weitere Proteste vor.


    Von Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 28. Januar 2020

    Datteln. Seit der Demonstration der Fridays-for-Future-Bewegung gegen das Kohlekraftwerk Datteln 4 mit rund 430 Teilnehmern sind erst wenige Tage vergangen. Jetzt zeichnet sich ab, dass zukünftig mit wesentlich größeren Protestaktionen gerechnet werden kann.
    Nachdem das Aktionsbündnis „Ende Gelände“ erfolgreich dafür gekämpft hat, den Hambacher Forst zu erhalten, wollen die Klima- und Umweltschützer nun verhindern, dass Datteln 4 – wie vom Betreiber Uniper geplant – im Sommer ans Netz geht. Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser hat unlängst die Losung augegeben, dass Datteln 4 für die Umweltorganisation nun an die Stelle des Hambacher Forst trete.
    Das bestätigt Medienberichten zufolge auch Kathrin Henneberger, Sprecherin des Protestbündnisses „Ende Gelände“. Sie rechnet mit ähnlich großen Protesten wie am Hambacher Forst. Es stehen Gerüchte im Raum, dass sogar eine Dauerbelagerung von Datteln 4 geplant ist.

    In Datteln waren die Proteste bislang friedlich verlaufen. Dennoch bereitet sich das Polizeipräsidum in Recklinghausen auf weitere, größere Protestaktionen vor. „Wir bereiten uns organisatorisch und personell darauf vor, dass Proteste gegen das Kraftwerk uns demnächst weiterhin beschäftigen“, sagt Politeipräsidentin Friederike Zurhausen. Sie habe Verständnis dafür, dass den Menschen Umweltpolitik und Klimaschutz am Herzen liegen. Das Recht zur Meinungsäußerung sei ein hohes Gut unserer Gesellschaft. „Friedlichen Versammlungsteilnehmern werden wir die Ausübung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit ermöglichen“, sagt die Polizeipräsidentin. „Ergeben sich aber Anzeichen für Gewalttätigkeiten oder Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen oder sonstigen Aktionen, wird die Polizei entschlossen einschreiten und gegen Straftäter vorgehen.“
    Auch die Kraftwerksanwohner der IG Meistersiedlung wollen weiterhin eine Inbetriebnahme des Kraftwerks verhindern, erteilen aber allen illegalen oder womöglich gewalttätigen Aktionen von vornherein eine Absage.

    Am 24. Januar 2020 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:

    Laschets Argumentation zum Kraftwerk ist unbegreiflich

    Über die Missachtung der Empfehlungen der Kohlekommission zu neuen Kraftwerken ärgern sich sehr viele Menschen.
    Wozu wurden dort unter Bürgerbeteiligung Beschlüsse herbeigeführt, die kurze Zeit später wieder über Bord geworfen werden?
    Der Bau des Kraftwerks in Datteln, der von Anfang an ein Stein des Ärgernisses war, zuerst Schwarzbau und dann durch Zugeständnisse doch noch in den Bebauungsplan aufgenommen, ist viel zu nah an der Wohnbebauung und entlastet nicht die CO2-Emissionen.
    Für Waltrop ist es ein Unding, an den Stadtgrenzen in Zukunft zwei Kraftwerke zu haben, die Millionen Tonnen CO2 ausstoßen.

    800 Mio. Euro sind schon abgeschrieben
    Herr Laschet (Ministerpräsident des Landes NRW, CDU) freut sich über die Inbetriebnahme von Datteln 4 und behauptet dabei noch: Ein neues Kraftwerk ist sauberer als die alten, und der Staat spart sich Entschädigungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Das halte ich für Unwahrheiten.
    1,5 Milliarden Euro ist die gesamte Bausumme von Datteln 4. Davon hat Uniper nachweislich der Geschäftsberichte schon ca. 800 Millionen Euro abgeschrieben. Eine Entschädigung, falls sie gezahlt werden müsste, wenn der Schwarzbau nicht ans Netz geht, wäre also deutlich geringer. Für die Abschaltung der alten Kraftwerke muss der Bund ebenfalls noch Entschädigungen zahlen. Damit wäre die Entschädigung für Datteln 4 nie so hoch, wie Laschet behauptet.

    Sauberer ist das neue Kraftwerk auch nicht

    Sauberer ist das neue Kraftwerk auch nicht. Es stößt im Jahr bei hoher Auslastung, und das wird kommen, vier Millionen Tonnen CO2 aus. Es ist ein Kraftwerk mit 1052 Megawatt Leistung.
    Dies haben die alten Kraftwerke zusammen nicht, und sie sind auch nicht ausgelastet, so dass die ausrangierten Kraftwerke gar nicht auf diesen CO2-Ausstoß kommen würden.
    Wenn dann noch dazu kommt, dass die Steinkohle auf weiten Wegen von Kolumbien und Australien nach Datteln gebracht wird, ist das für den Klimaschutz kein Vorteil.
    Der Kohleausstieg ist damit nicht abzusehen. Unbegreiflich ist die Argumentation des Ministerpräsidenten, der in unseren Augen ein Wirtschaftslobbyist ist, aber den Klimaschutz überhaupt nicht berücksichtigt und damit unseren Kinden wissenstlich Schaden zufügt.

    Hoffen auf die Klagen des BUND
    Uns bleibt nur zu hoffen, dass die Klagen des BUND zu besseren Ergebnissen führen. Aus diesem Grund sollten die Aktionen des BUND von uns unterstützt werden.
    Anne Heck-Guthe, Waltrop

    Wolken steigen gleich aus zwei Quellen in die Luft - aus dem Kühlturm und dem Kesselhaus.
    © Foto: Andreas Kalthoff, Dattelner Mogenpost

    Wasserdampf aus dem Kesselhaus

    Datteln 4: Warum seit Wochen zwei Wolken über dem Kraftwerk stehen …

    Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 22. Januar 2020


    Datteln. Es ist kaum zu übersehen, erst recht bei klarem Himmel. Nicht nur aus dem 180 Meter hohen Kühlturm, sondern auch aus dem Kesselhaus des Kohlekraftwerks Datteln 4 steigt zurzeit eine Wolke in den Himmel. Ist das normal, fragt sich da mancher Bürger. Und was ist drin in der Wolke?
    Ja, es ist normal, versichern Fachleute für Kraftwerkstechnik – selbst solche, die sonst dem Projekt nicht wohlwollend gegenüberstehen. Was da aus dem Kesselhaus herauskommt, ist ungefährlicher Wasserdampf. Die Technik funktioniert so: Kohle wird gemahlen, in die Brennkammer eingeblasen und dort verbrannt. Dabei entstehen heiße Rauchgase. Diese erhitzen Wasser, das über ein Rohrsystem durch die Brennkammer geführt wird. Heißer Dampf entsteht. Der Dampf durchströmt eine Turbine und gibt seine Energie an die Turbinenschaufeln ab. Und was hier zu viel an Dampf im System ist, wird eben abgeblasen. Und das ist es, was man aus dem Kesselhaus strömen sieht. Die Energie aus dem Dampf wird in Drehenergie umgewandelt. Die Turbinenwelle treibt einen Generator an, der Strom erzeugt. Weil das Kraftwerk zurzeit im Probebetrieb ist und verschiedene Last-Profile getestet werden, ist der Wasserdampf-Ausstoß kräftiger als etwa beim Kesselhaus des Trianel-Kraftwerks in Lünen, das schon seit Jahren im Regelbetrieb ist und wo nichts mehr getestet werden muss.
    Weil hier nur Wasserdampf und keine Giftstoffe in die Luft gepustet werden, bedarf dieser Vorgang auch keiner besonderen Genehmigung durch die Behörden. Anders sieht es beim Kühlturm aus, aus dem neben viel Dampf auch die Rauchgase aus der Verbrennung kommen.


    Die dicken Dampfschwaden sind der Beweis, dass Datteln 4 Strom produziert – aktuell 500 Megawatt.    
    Foto © Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost

    Datteln 4 - der Streit geht weiter

    DATTELN/WALTROP. Von zufrieden bis verärgert: Die Entscheidung im Kanzleramt, dass das umstrittene Kraftwerk nach jahrelangen Debatten nun doch ans Netz gehen soll, löst vor Ort unterschiedliche Reaktionen aus.

    Von Uwe Walkötter und Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 17. Januar 2020

    Nach 13 Jahren „Bauzeit“ und 1,5 Milliarden Kosten kann das umstrittene Kraftwerk Datteln 4 doch noch ans Netz gehen. Das ist das Ergebnis eines Spitzentreffens im Kanzleramt. Die politische Entscheidung löst vor Ort in Datteln und Waltrop ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Vor allem die kraftwerkskritischen Anwohner der Meistersiedlung erleben ein Wechselbad der Gefühle. Wir haben für Sie die „Stimmen zum Spiel“:
    Bürgermeister André Dora blickt aus Dattelner Sicht nach vorne. „Wir haben jetzt endlich Planungssicherheit. Die Flächen des Altkraftwerks stehen in überschaubarer Zeit für uns als neues Gewerbegebiet zur Verfügung. Und wir können mit Gewerbesteuerzahlungen rechnen“ - nach Informationen unserer Redaktion im siebenstelligen Bereich. Aus Klimaschutz-Gründen begrüßt Dora ebenfalls die Entscheidung, da ein modernes Kraftwerk am Netz bleibe, dafür alte Dreckschleudern vom Netz genommen würden. Einen Imageschaden für Datteln sieht er nicht, auch wenn sich Umweltschützer jetzt wohl auf Datteln konzentrieren würden. „Wenn Leute demonstrieren und ihre Meinung sagen, habe ich damit kein Problem. Es muss aber im rechtlichen Rahmen bleiben.“ Das Kraftwerksgelände vor Klima-Aktivisten zu schützen, sei Aufgabe von Uniper.

    Die Flinte nicht ins Korn werfen
    Rainer Köster, Sprecher der IG Meistersiedlung, erlebt gerade ein Wechselbad der Gefühle. „Nach dem Kohlekompromiss sollte Datteln 4 nicht ans Netz gehen. Da waren wir froh.“ Jetzt ist diese Stimmung ins Gegenteil gekippt. „Ich denke, die Lobbyisten haben gewonnen und das umgeworfen, wofür sich 28 Leute in der Kommission ausgesprochen haben.“ Die Flinte aber wirft die IG Meistersiedlung nicht ins Korn und hofft auf das Aus von Datteln 4 auf dem juristischen Weg. Neben dem BUND haben  allein drei Familien aus der Meistersiedlung Klage eingereicht. Dabei gehe es auch um den Bebauungsplan für Datteln 4. „Wir haben gute Chancen“, ist Köster überzeugt. Sämtliche Klagen aber sind aktuell ruhend gestellt, bis in Sachen Trianel-Kraftwerk (Lünen) eine Entscheidung gefallen ist. Schließlich sei E.ON mit Datteln 4 ja schon 2009 durchs Rost gefallen. Auf 100 Seiten habe das OVG begründet, warum dort nicht rechtens gebaut wurde.
    „Noch ist keine Unterschrift der Bundesregierung unter dem Vertrag“, gibt sich Ilona Flechtner, Uniper-Pressesprecherin für Datteln 4, gegenüber unserer Redaktion noch etwas zurückhaltend. „Wenn es so kommt, freuen wir uns natürlich darüber.“ Wir – das sind rund 100 Mitarbeiter, die künftig im konventionellen Betrieb das Kraftwerk betreiben wollen. Sie nennt als Termin für die Aufnahme des normalen Betriebs den Sommer 2020. Aktuell produziert Datteln 4 bis zu 500 Megawatt. Das werde sukzessive bis Mitte Februar auf 1052 Megawatt hochgefahren – die Stromerzeugung unter Volllast. Danach geht das Kraftwerk wieder vom Netz für weitere Feinabstimmungen. Im Mai starte dann ein weiterer achtwöchiger Testlauf, danach gehe Datteln offiziell ans Netz.

    Keine Bäume für Klima-Aktivisten
    Unter Dattelns Alt-Bürgermeister Wolfgang Werner ist die Kraftwerksplanung – damals noch von E.ON – auf die Schiene gesetzt worden. Von Beginn an gehörte Werner zu den Befürwortern von Datteln 4. Daran hat sich nichts geändert. „Ich finde es eine gute Entscheidung, die da getroffen wurde“, sagt Werner. Man brauche weiterhin Kohlekraftwerke wie Datteln 4 für eine sichere Grundversorgung. Auch Werner befürchtet, dass die „bezahlten Aktivisten aus dem Hambacher Forst“ sich nun in Richtung Datteln in Bewegung setzen, „um hier Theater zu machen“. „Ich weiß nur nicht, wo sie ihre Baumhäuser hinsetzen wollen. Am Kraftwerk gbt es keine Bäume.“
    Wenig begeistert sind natürlich die Grünen. Deren Dattelner Ratsmitglied Mo El-Zein sagt: „Schade, dass das Aus von Datteln 4 nicht über den Kohlekompromiss geregelt werden konnte.“ Immerhin müssten die Steuerzahler nicht für die Fehler aufkommen, die von der SPD in Sachen Kraftwerksbau gemacht wurden. Seiner Meinung nach werde Datteln 4 aber trotzdem nicht ans Netz gehen. Es stünden noch einige Klagen gegen das Kraftwerk aus und Mitbetrieber Fortum habe kein Interesse daran, Kohlestrom zu produzieren. „Aus meiner Sicht hat Uniper zu hoch gepokert und auf eine satte Entschädigung gehofft.“
    Indes kündigt Carsten Majewski von der Fridays-for-Future-Bewegung die nächste Klima-Demo in Datteln an. Er rechnet mit mindestens 250 Teilnehmern aus mehreren Städten. Angesichts der aktuellen Entscheidung zugunsten des Kraftwerks könnten es aus seiner Sicht aber durchaus mehr werden. Ziel der Demo ist wieder Datteln 4.
    Das Landwirte-Paar Heinrich und Marieluise Greiwing aus Waltrop-Oberwiese hatte durch seine erfolgreiche Klage gegen das Kraftwerk vor dem Oberverwaltungsgericht Münster die juristische Auseinandersetzung vor Jahren ins Rollen gebracht. Heute sagt Marieluise Greiwing: „Ich hatte mit der Entscheidung, dass Datteln 4 ans Netz darf, gerechnet. Unsere Politiker haben ja auch alles dafür getan, dass es so kommt.“ Wenn nun Fridays-for-Future und andere Aktivisten verstärkt das Kraftwerk vor ihrer Haustür in den Protest-Fokus nehmen, will sie sich dem eher nicht anschließen, sondern abwarten, wie am Ende juristisch entschieden wird.
    Theo Hemmerde ist ebenfalls Landwirt in Oberwiese und zugleich Waltroper CDU-Ratsherr. Er hatte – „schweren Herzens“, wie er damals sagte – zwei kleinere Parzellen uralten Familienbesitzes an Uniper-Vorgänger E.ON für den Kraftwerksbau verkauft. Auch er hatte mit der aktuellen Entwicklung gerechnet, sagt aber auch: „Es ist bedauerlich, dass hier nicht nach sachlich- fachlichen Gesichtspunkten entschieden wurde.“ Die Belange der Bürger vor Ort hätten zuletzt keine Rolle mehr gespielt. Ob er sich an Protest-Veranstaltungen gegen das Kraftwerk beteiligen würde? Das werde er im Einzelfall entscheiden, sagt Hemmerde. Wichtig ist ihm, dass mögliche Proteste friedlich bleiben.


    Wird Datteln zum neuen Hambacher Forst?

    Das Kohlekraftwerk darf ans Netz gehen. Umweltschützer wollen weiter kämpfen und rufen die Schüler zur Demonstration am 24. Januar auf.


    Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 17. Januar 2020


    Eine grauweiße Wolke aus Dampf und Rauch steht dieser Tage weithin sichtbar über dem umstrittenen Uniper-Kohlekraftwerk. Das Kraftwerk Datteln 4 – es könnte nun bundesweit zum Negativ-Symbol der Klimaschutz-Aktivisten und damit zu einem neuen Hambacher Forst werden.
    Denn anders als die Politiker gestern nach dem „Kohlegipfel“ im Kanzleramt glauben machen wollten: Das Thema Datteln ist längst noch nicht abschließend geklärt, die Frage, ob das Kraftwerk dauerhaft in Betrieb geht, weiter offen. Als nämlich bekannt wurde, dass zwar der Hambacher Forst erhalten bleibt, aber dem 1100-Kilowatt-Bau am Dortmund-Ems.Kanal aus politischer Sicht keine Steine mehr in den Weg gelegt werden und er wohl im Sommer ans Netz gehen kann, zeigten sich Gegner des Projektes umso kämpferischer. Sie wollen zum Schutz des Klimas weiter verhindern, dass die Uniper-Anlage nach jahrelanger Verzögerung durch juristischen Streit und technische Probleme regulär Strom produziert.
    Dr. Thomas Krämerkämper vom Umweltverband BUND sagte unserer Redaktion, am Ende sei durch das Kraftwerk Datteln ein Gigawatt mehr Steinkohle-Kapazität im Netz. Inwiefern das bei anderen Steinkohlekraftwerken – etwa durch deren vorzeitiges Abschalten – teilweise kompensiert wird, ist noch offen. Und auch die Nachricht, dass dafür mehr Braunkohle-Kapazität im Rheinischen Revier verschwindet als vorgesehen, ordnet Krämerkämper anders ein. Denn auch diese Vereinbarungen blieben hinter dem, was im Kohlekompromiss vor einem Jahr ausgehandelt wurde, zurück. „Bei der Braunkohle weniger zu machen als empfohlen, dazu noch an der falschen Stelle, und bei der Steinkohle sogar Zubau der Kraftwerksleistung anstelle Rückbau – das beerdigt den mühsam ausgehandelten Kohlekompromiss. Offenbar hatten die beteiligten Politiker nie die Absicht, den Kompromiss 1:1 umzusetzen.“

    Protest auch in Berlin geplant
    Er kündigt an, dass die nächste „Fridays-for-Future“-Demo mit Schwerpunkt Anti-Kraftwerks-Protest am 24. Januar zeitgleich in Datteln und Berlin stattfinde. Aktivistengruppen seien im Hintergrund gerade dabei, sich für ihren Kampf gegen Datteln 4 zu vernetzen. Ob das Kraftwerk wirklich ans Netz gehe, „das wollen wir doch mal sehen“, sagte Krämerkämper. Obwohl die Anlage bereits mit der Hälfte ihrer Maximal-Leistung im Probebetrieb ist, steht eine endgültige jurstische Entscheidung über ihre Genehmigung aus.
    In der Nacht zu Donnerstag hatte eine Runde mit Kanzlerin Angela Merkel, Bundesministern und und den Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer über den Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle beraten. Die Politik hätte verhindern können, dass Datteln 4 ans Netz geht, dafür wären aber hohe Zahlungen an den Betreiber Uniper fällig geworden. Genau eine solche Entschädigungslösung hatte die Kohlekommission vorgeschlagen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) machte jedenfalls gestern deutlich, dass er gegen „Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe“ gewesen ist.
    Der von Uniper vorgeschlagene Handel, der für Datteln ein frühes Abschalten ostdeutscher Braunkohlekraftwerke vorsah und dort für Widerstand sorgte, ist ebenfalls vom Tisch. Die Laufzeit wurde verlängert.

    STANDPUNKT
    Die Argumente für Datteln 4 sind dünn
    Die Kraftwerksgegner haben gute Gründe, ihren Kampf noch nicht aufzugeben

    Von Markus Weßling
    Dass Umweltverbände und Klimaschützer auch nach dem Kohlegipfel immer noch glauben, dass der Betrieb des Kraftwerks Datteln 4 nicht von Dauer sein wird, ist kein Pfeifen im Walde.
    Denn auch wenn die hohe Politik dafür nach jahrelangen Auseinandersetzungen jetzt den Weg frei gemacht hat: Die Gerichte in Deutschland sind glücklicherweise unabhängig. Und ein Gericht wird letztlich auch über die Klagen gegen das Kraftwerk entscheiden, die es weiterhin gibt und die durchaus Erfolgschancen haben. Die Überschrift „Datteln 4 geht ans Netz“, die man jetzt überall liest, ist mithin voreilig, jedenfalls, wenn man damit den dauerhaften Betrieb meint.
    Politisch gesehen sind die Argumente für Datteln 4 in der aktuellen Situation eher dünn. Dass das neue „saubere“ Kraftwerk alte „dreckige“ ersetzt und so unter dem Strich einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, das stimmt bei genauerem Hinsehen so nicht.

    Entschädigung sollte vermieden werden
    Der Eindruck ist vielmehr, dass die Sache in Berlin und Düsseldorf so zurechtgebogen wird, wie man es braucht, damit die 1050-Megawatt-Anlage Strom produziert und nicht gegen eine hohe Entschädigung dauerhaft ausgeschaltet bleibt. Letzteres hatte die Kohlekommission der Bundesregierung eindeutig empfohlen.
    Gute Gründe also für die Gegner, ihren Kampf nicht einzustellen. Und sie sind motivierter denn je. Dass Datteln 4 der neue Hambacher Forst wird, ist durchaus realistisch.


    Datteln 4-Hauptaktionär Fortum will schnelleren Kohleausstieg – Energiekonzern bestätigt BUND-Analyse

    Pressemittelung des BUND (Landesverband NRW) vom 15. Januar 2020

    Fortum will mehr Gas statt Kohle

    Düsseldorf | Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Landesverbandes des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) unterstützt der finnische Uniper-Großaktionär Fortum einen schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung und wünscht sich von der Bundesregierung eine beschleunigte Reduktion des Treibhausgases CO2. Der finnische Staat ist Hauptaktionär des Energieunternehmens Fortum, das wiederum derzeit einen Anteil von 49,9 Prozent an Uniper hält. Fortum erwirbt gerade zusätzliche Aktienpakete für eine Gesamtbeteiligung an Uniper von über 70 Prozent.

    Der BUND hatte unlängst nachgewiesen, dass die von Uniper angebotene Stilllegung aller ihrer deutschen Kohlekraftwerke wegen deren geringer Auslastung von nur 25 Prozent im Jahr 2019 weniger real benutzter Leistung entspricht, als das neue Kraftwerk Datteln 4 nominell aufweisen würde. Zudem würde das Festhalten an der Kohle die wesentlich effizienteren Gaskraftwerke weiter kannibalisieren", stellt der stellvertretende BUND-Landesvorsitzende Thomas Krämerkämper fest. „Obwohl wir diese Gaskraftwerke für die Energiewende brauchen, waren zum Beispiel die Uniper-Gaskraftwerke im letzten Jahr nur zu etwa 1 Prozent ausgelastet. Insofern freuen wir uns, dass der zukünftige Uniper-Mehrheitseigner Fortum unsere Analyse teilt."

    In einem Interview mit dem finnischen NachrichtenmagazinTekniikka ja Talous  hatte Fortum-Sprecherin Pauliina Vuosio die BUND-Ausführungen ausdrücklich bestätigt. Fortum habe Uniper gerade wegen der emissionsarmen Gaskraftwerke gekauft. Die Forderung des BUND nach einer stärkeren CO2-Reduzierung auch durch eine bessere Auslastung der Gaskraftwerke entspreche auch der Strategie von Fortum. „Wir haben genau das gleiche Ziel, die Kohle aufzugeben. Es macht uns nichts aus, wenn das so schnell wie möglich geschieht“, wird die Fortum-Sprecherin zitiert.
    Fortum fordert deshalb sowohl die finnische als auch die deutsche Regierung auf, beim Klimaschutz ambitionierter vorzugehen. „Die finnische und die deutsche Regierung sollten sich darauf konzentrieren, die Emissionsreduzierung zu beschleunigen “, sagte Esa Hyvärinen, Direktor von Fortum. 

    Deutschland kann sich nach BUND-Auffassung allerdings ein Beispiel an Finnland nehmen. Der finnische Staat hat bereits einen Kohleausstieg bis 2030 beschlossen. „Dem gegenüber will die Bundesregierung den Einstieg in den Kohleausstieg mit der Inbetriebnahme  des neuen Kohlekraftwerks in Datteln beginnen. Das zerstört den allerletzten Rest an klimaschutzpolitischer Glaubwürdigkeit“, so BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen. Der BUND und andere Klimaschützer kündigen deshalb weitere Proteste gegen das Steinkohlenkraftwerk Datteln 4 an. Auch die Bewegung Fridays for Future mobilisiert gegen das Kraftwerk. So sollen ersten Demonstrationen am 24. Januar in Datteln und Berlin starten.
    https://www.bund-nrw.de/presse/detail/news/datteln-4-hauptaktionaer-fortum-will-schnelleren-kohleausstieg-energiekonzern-bestaetigt-bund-analys/

    Ganz offensichtlich zurzeit im (Probe-) Betrieb: Das Kraftwerk Datteln 4.    (Foto: Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost)

    Datteln 4 ist am Netz  - 500 Megawatt verfügbar

    DATTELN. Das Uniper Kraftwerk Datteln 4 ist offenbar im mehrwöchigen Probebetrieb. Damit speist der Versorger bereits große Mengen Kohlestrom ins Netz, wenn die Verfügbarkeit abgerufen wird.

    Von Markus Weßling und Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 9. Januar 2020

    Das Uniper Kraftwerk ist offenbar im mehrwöchigen Probebetrieb. Nachdem vor Weihnachten das Kraftwerk an zwei Tagen nur kurz mit dem Stromnetz synchronisiert war, meldet das Unternehmen auf der „Transparenz-Seite“ der Strombörse EEX seit gestern bis zum 15. Februar eine konstante Nichtverfügbarkeit von 552 Megawatt. Im Umkehrschluss heißt das, das Kraftwerk ist mit etwa 500 Megawatt verfügbar, also etwa mit der Hälfte seiner Kapazität. Uniper speist damit, wenn die Verfügbarkeit auch abgerufen wird, bereits große Mengen Kohlestrom ins Netz.
    Allerdings hat das Unternehmen ab dem 15. Februar bis Ende Juni eine komplette Nichtverfügbarkeit gemeldet, der Zeitraum, in dem Strom ins Netz gegeben wird, endet also erstmal Mitte Februar – Stand jetzt.
    Der Kraftwerks-Fachmann des Umweltverbandes BUND, Dr. Thomas Krämerkämper, hält unterdessen den jüngsten Vorschlag des Energiekonzerns Uniper zum Kraftwerk Datteln 4 für eine „Unverschämtheit“. Wie berichtet, hatte Uniper angeboten, alle seine Kohlekraftwerke abzuschalten, wenn dafür die umstrittene Anlage Datteln 4 ans Netz geht.

    „Weniger Leistung als Datteln 4“
    Krämerkämper sagte, alle deutschen Uniper-Kraftwerke zusammengenommen, inklusive der Braunkohle-Anlagen, seien im vergangenen Jahr mit weniger Leistung am Markt gewesen als jene, über die Datteln 4 verfügt. Insofern sei der Vorschlag, der offenbar in Hintergrundgesprächen schon im vergangenen Jahr aufkam, kein Beitrag zum Ausstieg aus der Kohle-Verstromung. Zudem sollten laut Uniper-Vorschlag einige Anlagen gar nicht abgeschaltet, sondern in Gas-Kraftwerke umgewandelt werden. Auch die stoßen CO2 aus, wenn auch deutlich weniger als Kohlekraftwerke. Und das Braunkohlekraftwerk in Schkopau will Uniper erst 2026 auf Gas umrüsten. Bis dahin soll diese Anlage mit Braunkohle offenbar parallel zu Datteln 4 weiterlaufen.
    Der BUND stützt seine Argumentation mit Zahlen. „Nach Angaben der Bundesnetzagentur und verschiedenen Fachdiensten kamen Unipers noch aktive sieben große Stein- und Braunkohle-Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtkapazität von gut 3.700 Megawatt im vergangenen Jahr auf eine durchschnittliche Auslastung von 25 Prozent. Im Jahresmittel waren real nur noch 919 Megawatt am Markt. Datteln 4 hat jedoch eine Nettoleistung von 1.055 Megawatt.“ Aufgrund der besonderen Situation alter Abnahmeverträge für den Kraftwerksneubau, so erklärt der BUND weiter, wäre mit einer hohen Auslastung des Kraftwerkneubaus zu rechnen, obwohl RWE und die Deutsche Bahn, die alte Verträge mit Uniper haben, diesen Strom gar nicht mehr wollten und teilweise sogar gegen die Abnahmeverträge gerichtlich vorgingen. Unipers Vorschlag sei „das Gegenteil des Kohle-Ausstiegskompromisses und einer Energiewende“.

    „Nicht sauber und immer noch schädlich“

    Auch Rainer Köster, Sprecher der Kraftwerksgegener der IG Meistersiedlung, verfolgt die Entwicklung genau. „Uniper folgt damit den Forderungen von Ministerpräsident Armin Laschet“, sagt er. Der hatte im November gesagt, dass eine Inbetriebnahme von Datteln 4 zu geringeren CO2-Emissionen führen würde, da in diesem Zuge weniger effiziente, alte Anlagen abgeschaltet werden. Für Köster steht aber fest: „Ein sauberes Ding ist das Kraftwerk hier auch nicht. Und es ist immer noch schädlich.“ Die Klagen der IG seien zwar ruhend gestellt, Köster will die rechtlichen Schritte aber auf jeden Fall aufrecht erhalten. „Auch wenn wir dafür tief in die Tasche greifen müssen.“ Bei Klimaaktivisten rückt Datteln 4 immer mehr in den Fokus. Am Sonntag wollen sich Vertreter der „Klimavernetzung Ruhr“ mit der IG Meistersiedlung treffen und gemeinsame Schritte planen. Ein Anspechpartner für eine Auskunft war nicht zu erreichen.

    Unipers Kraftwerks-Deal

    von Jan Drebes und Antje Höning, Dattelner Morgenpost, 8. Januar 2020


    Der Neubau Datteln 4 soll unbedingt ans Netz – dafür bietet der Düsseldorfer Energiekonzern an, alle anderen Kohlekraftwerke abzuschalten.


    Fast ein Jahr ist es her, dass die Kohlekommission ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, wonach Deutschland bis 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen soll. Noch immer ringen Bund, Länder und Konzerne um die Umsetzung. Nun will der Düsseldorfer Versorger Uniper in die Offensive gehen: Er bietet an, möglichst alle seine Kohlekraftwerke zur Abschaltung oder Umrüstung anzubieten, um zugleich das Kraftwerk Datteln ans Netz zu bringen. Das erfuhr unsere Redaktion aus Berlin.
    „Wir werden uns erst dann äußern können, wenn die Sachlage in Form eines Gesetzes geklärt ist“, sagte der Uniper-Sprecher. Zugleich betonte er: „Uniper hat immer klargemacht, dass wir einen konstruktiven Beitrag beim Kohleausstieg in Deutschland leisten wollen.“ Die Verringerung der CO2-Emissionen und die Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung lasse sich am besten mit moderner Erzeugungstechnologie erreichen.
    Bundesweit betreibt Uniper Kohlekraftwerke an fünf Standorten mit einer Kapazität von 3800 Megawatt: In den NRW-Städten Gelsenkirchen-Scholven und Heyden (Kreis Minden-Lübbecke), zudem in Wilhelmshaven, Staudinger (Hessen) und Schkopau (Sachsen-Anhalt). Scholven soll zum Gaskraftwerk umgerüstet werden, wie Uniper bereits angekündigt hatte. In Schkopau betreibt Uniper ein Braunkohlekraftwerk mit dem tschechischen Konzern EPH. Das Kraftwerk in Staudinger am Main gilt als systemrelevant, hier müsste die Netzagentur zustimmen. An den deutschen Kohlekraftwerken hat Uniper rund 850 Beschäftigte.
    Im Ruhrgebiet steht mit Datteln 4 das modernste Kohlekraftwerk Europas mit einer Kapazität von 1100 Megawatt. Wegen Klagen, Planungsfehlern und Kesselschäden konnte es über Jahre nicht ans Netz gehen. Doch im Sommer könnte es so weit sein. „Am 18. und 19. Dezember war Datteln 4 zu Testzwecken am Netz, die Synchronisation war erfolgreich“, sagte der Uniper-Sprecher – und bestätigte Berichte unserer Zeitung. „Wir sind zuversichtlich, dass der Block im Sommer 2020 in Betrieb geht.“

    Die Kohlekommission hatte eigentlich empfohlen, neue Kraftwerke nicht mehr ans Netz gehen zu lassen. Der Bundesregierung kommt es aber letztlich auf die Höhe der abgeschalteten Megawatt an, nicht auf die Standorte. Er halte die Inbetriebnahme von Datteln 4 für „vertretbar“, weil man sich im Kohlekompromiss auf Abschaltmengen geeinigt habe, hatte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth im Dezember erklärt.
    Die Regierung plant laut einer internen Vorhabenliste damit, das Gesetz zum Kohleausstieg am 15. Januar ins Kabinett zu bringen. Aus Koalitionskreisen hieß es jedoch, dass der 22. Januar wahrscheinlicher sei. Alledings steht die Einigung über die Braunkohlekraftwerke noch aus, deren Abschaltung fürs Klima viel bedeutender ist.

    Entscheidung könnte am 14. Januar fallen
    Am 14. Januar soll es dem Vernehmen nach ein weiteres Treffen mit Vertretern der Energiekonzerne  auf Bundesebene geben. Eine Einigung über Entschädigungen gilt mit RWE als machbar: RWE soll einen Großteil der Abschaltungen von drei Gigawatt tragen, die bis 2023 vom Netz genommen werden. RWE fordert 1,2 bis 1,5 Milliarden pro Gigawatt an Entschädigung. Die ostdeutschen Braunkohle-Länder, obwohl erst später von Stilllegungen betroffen, blockieren eine Einigung, heißt es in Branchenkreisen.
    „Das Bundeskabinett wird sich in Kürze mit Strukturstärkung und Kohleausstieg befassen, der Bund muss zügig zu einer Entscheidung kommen“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unserer Redaktion. „Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende ein gutes Ergebnis für die Regionen haben werden.“


    Das Dampf-/Rauch-Gemisch über den Dächern der angrenzenden Wohnhäuser wird von Tag zu Tag dunkler und dichter.

    Das Kraftwerk war schon mit dem Netz verbunden

    Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 7. Januar 2020


    DATTELN. Am 19. und 20. Dezember hat Uniper probeweise einige Stunden lang Strom eingespeist. Der Regelbetrieb soll im Sommer beginnen.

    Der Kraftwerksbetreiber Uniper testet weiterhin seine Anlage Datteln 4 am Dortmund-Ems-Kanal und hält daran fest, im Sommer in den kommerziellen Betrieb gehen zu wollen.
    Auch das Dampf-/Rauch-Gemisch, das bereits heute zeitweise aus dem Kühlturm kommt, ist das Ergebnis dieses Test-Betriebs. Wie Uniper-Sprecherin Ilona Flechtner auf Anfrage sagte, sei die Anlage kurz vor Weihnachten bereits probehalber auch schon mit dem Stromnetz synchronisiert gewesen. Alles habe problemlos funktioniert. Ursprünglich hatte es in Medienberichten geheißen, die Synchronisation stehe erst in diesem Januar an. Auf der Internetseite www.smard.de, die die Bundesnetzagentur betreibt, lässt sich nachvollziehen, dass das Kraftwerk vor Weihnachten kurz mit dem Netz verbunden war: am 19. Dezember zwischen 13 und 17 Uhr und ein weiteres Mal am 20. Dezember zwischen 10 und 15 Uhr. Die maximale Leistung, die dabei erreicht wurde, lag dabei bei 229 Megawatt – etwa einem Fünftel der Leistungskapazität der Anlage. „Das ist so, als würde man beim Auto den Motor anmachen und einmal kurz Gas treten“, erläutert ein Branchen-Kenner.

    Uniper hat eine gültige Genehmigung
    Nun wird die Anlage noch in diversen Last-Zuständen getestet. Wenn sie dann bei der Strombörse EEX als für den regulären Betrieb verfügbar gemeldet ist, wird es ernst. Dann sollte das Kraftwerk, jedenfalls in Zeiten, in denen das wirtschaftlich ist, Strom produzieren.
    Unmittelbare rechtliche Hürden muss das Unternehmen nicht mehr nehmen, um in den regulären Betrieb zu gehen. Der Betreiber hat die nötige immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Freilich sind auch die Klagen gegen das Kraftwerk noch nicht hinfällig, und der zivilgesellschaftliche Protest gegen das milliardenteure Projekt dürfte im gerade begonnenen Jahr eher noch weiter zunehmen als nachlassen.
    Der Kraftwerks-Fachmann des Umweltverbandes BUND, Thomas Krämerkämper, sagte unserer Zeitung, er sei verwundert, dass das Kraftwerk erst im Sommer in Betrieb gehen solle. „Wenn es doch schon praktisch betriebsbereit ist, warum nicht im Februar oder März, wenn der Strombedarf besonders hoch ist?“ Krämerkämpers Vermutung: Das Unternehmen wolle sich noch eine Tür für eine Verhandlungslösung offen halten. Bekanntlich sollte laut Kohlekompromiss zwischen Betreiber und Regierung über Datteln 4 verhandelt werden – mit dem Ziel, dass gegen eine Entschädigung das Kraftwerk gar nicht erst ans Netz geht. Aber offenbar gibt es bisher keine Einigung. Der letzte Stand war aber, dass die Verhandlungen weiter laufen.

    Irritation um den Start des Regelbetriebes
    Weil im Sommer viel Sonnen-Energie im Netz ist, die die konventionellen Erzeuger verdrängt, ist diese Zeit oft für die Kohlekraftwerks-Betreiber eine auslastungsschwache. Daher Krämerkämpers Irritation, dass Uniper ausgerchnet im Sommer mit dem Regelbetrieb starten will. Dennoch lässt es sich technisch begründen, dass zwischen der ersten probeweisen Netz-Synchronisation und dem Regelbetrieb etwa ein halbes Jahr vergeht. Im Falle des Trianel-Kraftwerks war das erste Kohlefeuer mitsamt erster Stromeinspeisung am 2. Weihnachtstag 2012, im Juli 2013 wurde das Kraftwerk an das Konsortium übergeben, erst seit Dezember 2013 ist die Amlage ganz offiziell im Dauerbetrieb.
    Krämerkämper ist sich derweil sicher, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, dass das Kraftwerk wieder vom Netz genommen wird. Dass es das als Enddatum im Kohlekompromiss genannte Jahr 2038 erreichen wird, hält er für ausgeschlossen.


    Am 4. Januar 2020 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:

    Datteln 4 steht da, wo es nicht stehen dürfte.


    Erstaunt und in der Tat auch kopfschüttelnd las ich den Leserbrief von Herrn Bottermann aus Gelsenkirchen zum Thema Datteln 4. Da ich in Datteln wohne und in den letzten Monaten und Wochen auch vor Ort war, ist mir nicht zu erklären, wie der Herr darauf kommt, der Betreiber Uniper hätte alle gesetzlichen Vorschriften beachtet.
    Fakt ist doch nun mal nach wie vor, dass das Kradftwerk zu nah an der Wohnbebauung gebaut wurde und im Nachhinein – dank großer Lobby – baurechtlich durchgewunken wurde. Die Häuser der angrenzenden Siedlungen stehen immer noch da, wo sie vorher standen, und auch das Kraftwerk steht noch da, wo es eigentlich nicht stehen sollte. Ich kann nur hoffen, dass die Finnen (Uniper-Mutterkonzern Fortum) den ein oder anderen Gedanken darüber verlieren, ob dieses Kraftwerk gewinnbringend für sie sein wird, Denn nur darum geht es im Endeffekt.
    Jutta Münch-Kalusche, Datteln

    Der BUND findet in Finnland Gehör
    Die dortige Regierung soll im Kampf gegen Datteln 4 aktiviert werden.

    Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 14. Dezember 2019

    Datteln. „Die Reise hat sich gelohnt“, resümiert der NRW-Geschäftsleiter des Umweltverbandes BUND, Dirk Jansen, nach seiner Rückkehr aus Finnland. Es war keineswegs ein Urlaubs-Trip, den er gemeinsam mit anderen Vertretern von Umweltorganisationen gen Norden unternahm. Es ging um die Zukunft des Dattelner Kraftwerks.
    Warum die Reise, an der auch der lokal verankerte Dr. Thomas Krämerkämper teilnahm, nach Finnland führte? Mit einem Anteil von 50,8 Prozent ist der finnische Staat Mehrheitseigentümer des Energieversorgers Fortum. Der hält wiederum 49,9 Prozent an Uniper und erwirbt gerade zusätzliche Aktienpakete für einen Gesamtanteil an Uniper von über 70 Prozent. Und Uniper ist Betreiber des Kraftwerks. Damit „erbt“ der finnische Staat das seit mehr als einem Jahrzehnt umstrittene Vorhaben am Dortmund-Ems-Kanal. Genau darum geht es den Umweltschützern. Dass die Politik in Helsinki realisiert, dass das Kohlekraftwerk in Datteln ihren eigenen Zielen zuwiderläuft und dass sie daher ihren Einfluss auf Deutschland geltend macht. Ziel soll es sein, dass die im deutschen Kohle-Kompromiss empfohlene Verhandlungslösung greift und das Dattelner Kraftwerk gar nicht erst ans Netz geht.

    Dass man die Finnen dafür aktivieren kann, daran glaubt der BUND fest. Schließlich hätten sie „ehgeizige Klimaziele“. Bis 2029, so ein Regierungsbeschluss, wolle man dort aus der Kohleverstromung aussteigen. Außerdem ist Finnland Mitglied einer Allianz, die sich verpflichtet hat, keine konventionellen Kohlekraftwerke mehr zu bauen. „Würde Fortum an dem Vorhaben festhalten, würde es nicht nur der Reputation der finnischen Regierung schaden, auch wären damit große juristische und ökonomische Risken verbunden“, sagt Dr, Krämerkämper. „Wir haben uns sehr gefreut, dass die finnischen Regierungsvertreter ein offenes Ohr für unsere Argumente hatten und der „Fall Datteln“ damit auch in der finnischen Politik angekommen ist.“ Das war bis dato offenbar nicht der Fall. Die Gesprächspartner hätten versichert, am Kurs der Energiewirtschaft zur Einhaltung des Pariser 1,5-Grad-Ziels festhalten zu wollen. Das ist das Ziel, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf unter 1,5 Grad zu begrenzen.

    Gesprochen haben die BUND-Vertreter nach eigenen Angaben mit der Gruppe, die die finnischen Staatsbeteiligungen steuert, und mit Vertretern von drei der fünf Regierungsparteien. Auch Datteln 4-Anteilseigner Fortum habe eigentlich kein Interesse an der Kohlekraft, sagt Dirk Jansen. Ihm gehe es um den Rückzug aus der Kohle und mittelfristig um die Gaskraftwerke. Im Februar wollen BUND-Vertreter erneut nach Finnland reisen.

    Unterdessen deutet der Umweltverband an, das symbolträchtige Dattelner Kraftwerk könne in nächster Zeit zum „hot spot“ der Klima-Bewegung werden. Die jüngsten „Fridays-for-future“-Proteste dort wären dann nur ein Auftakt gewesen.

    https://www.24vest.de/waltrop/waltropdatteln-umweltverband-reiste-nach-helsinki-warum-finnen-kraftwerk-stoppen-sollen-13306466.html


    Am 12. Dezember 2019 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:

    Filz erlaubt es, dass das Kohlemonstrum Datteln 4 doch ans Netz geht.

    Belogen, betrogen, hintergangen, getäuscht, desillusioniert – das sind viele Menschen in Deutschland von der Politik der sogenannten herrschenden Elite. Die Demokratie in Deutschland wird ausgehebelt durch die Macht des Kapitals, der Banken, die Macht großer Unternehmer, einiger superreicher Familien und einiger Konzerne, die durch penetrante Lobbyarbeit, mit en Medien und aggressiver Werbung ihre Interessen gegen die lebenswichtigen Bedürfnisse der Bevölkerung durchsetzen.
    Wie können wir uns auf internationalem Parkett erdreisten, usn zu Moralaposteln für polen, Brasilien, Australien und die Entwicklungsländer zu machen, wenn bei uns Justitia zu einer Hure der Wirtschaft gemacht wird und Klimagesetze gekippt werden, um die größte Monoblockanlage Europas ans Netz zu bringen, obwohl wir genügend sauberen Strom durch Windkraft und Sonne produzieren könnten. Jeder Bürger in Deutschland verursacht durchschnittlich jährlich 10 bis 11 Tonnen CO2. Eine Reduktion auf notwendige 2 Tonnen ist nur möglich durch eine radikale bkehr von fossilen Brennstoffen.
    Während die Holländer uns auf ihren Straßen mit Tempo 100 vorangehen, die Schweden und Norweger mit Elektrofahrzeugen längst davon geeilt sind, vergiften wir unsere Städte und Menschen in kaum zu beschreibender Einfalt mit Verbrennugsmotoren. Wie können wir auch nur einen Funken Glaubwürdigkeit der Politik erwarten, wenn unser Minister Altmaier gerade hinter den Kulissen einen Referentenausnahmeentwurf auf den Tisch legt, um die „Riesendreckschleuder“ Datteln 4 gegen alle Vernunft mit einem Ausstoß von 6,2 Millionen Tonnen CO2 im Jahr durchzupeitschen, obwohl die Kohlekommission beschlossen hatte, geplante Kohlekraftwerke nicht ans Netz zu lassen. Jeden Tag soll in Zukunft Kohle aus sechs rund 600 Meter langen Güterzügen mit importierter Australienkohle dort verfeuert werden. Filz erlaubt es, ein über 180 Meter hohes Kohlekraftwerk in weniger als 400 Metern Entfernung zu Wohngebieten zu betreiben und gleichzeitig Riesenabstände für Windmühlen zu propagieren, die Schatten auf Wohnhäuser werfen könnten, während doch in Datteln eine ganze Stadt durch ein Kohlemonster verschattet und verpestet wird.
    Die Bundesbahn wird der Abnehmer des superdreckigen Stroms sein, 40 Jahre lang und keiner der so sauberen Züge auf den Schienen wird sich zu den 6,2 Millionen Tonnen CO2 und der ungeheuren Last an Feinstaub bekennen, die über Datteln ausgeblasen werden.
    Ralf Rieder, Oer-Erkenschwick


    Auf der Klimakonferenz der UN
    Staatssekretär mit klarer Aussage zum Betrieb des Kohlekraftwerks Datteln 4
    10.12.2019
    Auf dem Klimagipfel in Madrid wurde einmal mehr das Ende der Stromgewinnung aus Kohlekraftwerken gefordert. Was das für Datteln 4 bedeutet, erklärte der deutsche Staatssekretär des Umweltministeriums.
    Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 wird nach Einschätzung des Staatssekretärs im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, trotz des deutschen Kohleausstiegs ans Netz gehen.
    Das sei zwar schwer zu erklären in einer Welt, in der vomUN-Generalsekretär bis zur Bewegung Fridays for Future alle ein Ende der Stromgewinnung aus Kohle forderten, sagte Flasbarth am Montag in Madrid am Rande der UN-Klimakonferenz. Er halte es aber trotzdem für „vertretbar“, weil man sich im Kohlekompromiss auf Abschaltmengen geeinigt habe. Wenn Datteln 4 ans Netz gehe, müssten andere Kraftwerke dafür aus dem Stromnetz.
    Datteln 4 soll möglichst im Sommer 2020 ans Netz gehen
    DerStromkonzern Uniper will das Kraftwerk im Sommer kommenden Jahres in Betrieb nehmen und bereitet diesen Schritt derzeit vor. Umweltschützer fordern das Aus für Datteln 4 und verweisen auf den Abschlussbericht der Kohlekommission, in dem empfohlen wird, noch im Bau befindliche Kohlekraftwerke nicht in Betrieb zu nehmen.
    Das Bundeswirtschaftsministerium betont dagegen, Uniper habe alle für das Anfahren des Kraftwerks erforderlichen Genehmigungen.
    Anfang Dezember waren bereits Dampfschwaden über dem Kraftwerk zu sehen. Was dahinter steckte, erklärte eine Sprecherin von Uniper.
    Zuletzt waren die Betreiber noch mit der Bundesregierung im Gespräch, wann es zur Inbetriebnahme von Datteln 4 kommen kann.


    Finnen sollen Gegnern von Datteln 4 helfen
    Was die Regierung in Helsinki mit Datteln 4 zu tun hat.


    Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 7. Dezember 2019

    Datteln. Der Umweltverband BUND und die Initiative „urgewald“ hoffen, dass die finnische Regierung ihren Kampf für das Aus fürs Kraftwerk Datteln 4 unterstützt. Zu diesem Zweck führen Vertreter der Organisationen – unter ihnen der lokale Kraftwerks-Experte Dr. Thomas Krämerkämper – nächste Woche Gespräche mit Regierungs- und Parteienvertretern in der finnischen Hauptstadt Helsinki.

    Finnen „erben“ Datteln 4
    Hintergrund_ Finnland hat beschlossen, bis 2029 aus der Kohle auszusteigen. Das Land ist auch Mitglied in der „Powering Past Coal Alliance“ und hat sich damit unter anderem dazu verpflichtet, keine konventionellen Kohlekraftwerke mehr zu bauen. Mit einem Anteil von 50,8 Prozent ist der finnische Staat Mehrheitseigner des Energieversorgers Fortum. Fortum hält wiederum 49,9 Prozent an Uniper und erwirbt gerade zusätzliche Aktienpakete für einen Gesamtanteil an Uniper von gut 70 Prozent. „Damit ergibt sich die aktuelle Situation, dass der finnische Staat trotz beschlossenen Kohleausstiegs und der Entscheidung, keine neuen Kohlekraftwerke bauen zu wollen, das Kraftwerksvorhaben Datteln 4 „erbt“, erklärt Dirk Jansen vom BUND.

    Die Hoffnung beruht auf den Finnen

    Bei ihren Gesprächen die Delegations-Mitglieder den Finnen den „Fall Datteln“ und die damit einhergehenden Risiken aus ihrer Sicht darlegen. „Würde Fortum an dem Vorhaben festhalten, würde das nicht nur der Reputation der finnischen Regierung schaden, auch wären damit große juristische und ökonomische Unwägbarkeiten vorhanden“, meint der BUND. Er hegt die Erwartung, dass die finnische Regierung ihren Einfluss geltend macht und im Sinne der Empfehlungen der deutschen Kohle-Kommission „eine Verhandlungslösung zur endgültigen Stilllegung des Kraftwerks findet“.


    Foto: Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost
    Es dampft, aber das Feuer ist noch aus
    Kraftwerk: Über dem Kühlturm sind Dampfschwaden zu sehen.

    Von Uwe Wallkötter, Dattelner Morgenpost, 5. Dezember 2019


    Datteln. Es dampfte gestern aus Kühlturm und Kesselhaus des Kraftwerks Datteln 4. Seit Montag läuft nach Angaben von Uniper-Sprecherin Ilona Flechtner die sogenannte Luftfahrt. Dass der Dampf am Mittwoch zu sehen war, lag an dem blauen Himmel und den niedrigen Temperaturen.
    Im Zuge der Inbetriebnahme von Datteln 4 testet Uniper derzeit die Funktionsgruppen der der Frischluft- und Rauchgaswege. Die weißen Wölkchen über dem Kühlturm waren Schwaden von warmem Wasser, sagt Flechtner. Voraussichtlich heute wird der Prozess auch schon wieder beendet sein.
    Das Feuer im Kessel ist nach wie vor nicht angezündet, es wird noch keine Kohle verbrannt. Bis dahin würden noch einige Tage vergehen, so die Uniper-Sprecherin auf Anfrage. Vorher müssten noch zahlreiche andere Komponenten getestet werden, die Turbine müsse angefahren werden und es stünden auch noch Zündversuche aus. Mit dem Anfeuern von Datteln 4 dürfte aber noch in diesem Jahr zu rechnen sein, wenn alles planmäßig abläuft.
    Denn voraussichtlich im Januar soll dann erstmals mit dem Kessel Strom produziert werden, wenn auch in geringem Umfang. Das Ganze dient ersten Synchronisationen mit dem Stromnetz. Danach soll Datteln 4 wieder heruntergefahren werden. Nach wie vor hält Uniper an der kommerziellen Stromproduktion ab Sommer 2020 fest. Es ist aber noch nicht geklärt, ob Datteln 4 im Zuge des Kohleausstiegs überhaupt ans Netz gehen darf. Es laufen weiterhin Gespräche zwischen Uniper und der Bundesregierung.


    Doch kein Aus für Dreckschleudern?

    Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 27. November 2019

    DATTELN. Das Kraftwerk Datteln 4 werde alte „Dreckschleudern“ ersetzen, wenn es ans Netz geht, sagen Befürworter. Der Umweltverband BUND entgegnet: Stimmt nicht!

    Um zu illustrieren, wie lange sich die Diskussion um das Kohlekraftwerk Datteln 4 nun schon hinzieht, empfiehlt sich ein Blick in die Liste der Anlagen, die das moderne Kraftwerk laut damaliger Genehmigungen ersetzen sollte, die Kraftwerke Datteln 1 bis 3, Shamrock in Herne, Knepper in Castrop-Rauxel und den Block D des Kraftwerks Scholven in Gelsenkirchen.
    Allesamt sind sie schon vor mindestens fünf Jahren vom Netz gegangen, und zwar, wie Dr. Thomas Krämerkämper vom Umweltverband BUND süffisant bemerkt, „ohne dass die Lichter ausgegangen sind oder die Bahn stehen geblieben ist“. Klarer Fall: Das neue Kraftwerk kann keine ersetzen, die längst vom Netz sind. Und da gibt es in der Branche auch niemanden, der widersprechen wollte.
    Kompliziert wird die Sache, wenn man fragt, ob der Markt ältere Krafterke aus dem Netz drängt, wenn das Dattelner Kraftwerk den Betrieb aufnimmt und so unterm Strich die CO2-Belastung sinkt. Auch dazu sagt der BUND: Das trifft nicht zu. Die Argumentation geht so: Die Strom-Kapazitäten, die durch das Abschalten von Atom- und Kohlekraftwerken verschwinden, müssen anderswo wieder entstehen. Das könnte geschehen, indem man weniger Strom exportiert, die erneuerbaren Energien ausbaut oder die Gaskraftwerke übergangsweise stärker auslastet. Strom in der entsprechenden Größenordnung einzusparen, gilt als unrealistisch, bleiben also die drei genannten Optionen.

    „CO2-Belastung würde steigen“
    Der BUND meint: Ein unterm Strich geringerer Strom-Export wird die entstehende Lücke nicht schließen. Ein großes Wachstum bei den Erneuerbaren werde von der Landesregierung „aus ideologischen Gründen“ verhindert. Übrig ist der verstärkte Einsatz von Gaskraftwerken. Die haben höhere spezifische Kosten, sind aber erheblich klimafreundlicher als Kohlekraftwerke. Und ausgerechnet mit denen, so prognostiziert es der Umweltverband, würde das Dattelner Kohlekraftwerk konkurrieren und sie aus dem Markt drängen – und eben nicht weitere „alte Möhrchen“, wie es zum Beispiel NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) als Argument für die Inbetriebnahme ins Feld führt.
    Das Ergebnis wäre laut BUND eine unterm Strich höhere CO2-Belastung. Konkret sei gegenüber dem Vorschlag der Kohlekommission, Datteln 4 nicht in Betrieb zu nehmen, ein zusätzlicher Ausstoß von zwei bis vier Millionen Tonnen zu erwarten – nicht insgesamt, sondern jedes Jahr. Das entspreche etwa einer bis zwei Millionen Benzin- oder Diesel-Autos mit durchschnittlicher Nutzung.
     Ob Datteln 4 wirklich Gaskraftwerke verdrängen würde, wird in der Kraftwerks-Branche allerdings bezweifelt. „Wir gehen schon davon aus, dass Datteln 4 alte Kohlekraftwerke verdrängen würde“, sagt ein Branchen-Experte. Hintergrund sind die Brennstoffkosten. Wie die sich entwickeln werden, dazu haben BUND und Branchen-Vertreter unterschiedliche Erwartungen. Aber genau das ist wichtig, denn Kraftwerke werden abhängig davon ins Netz zugeschaltet, wie hoch ihre Einsatzkosten sind – von ganz geringen Kosten bis zu dem Punkt, an dem die Nachfrage gedeckt ist. Wenn das erreicht ist, gehen die Kraftwerke mit höheren Einsatzkosten nicht mehr ans Netz. Die Frage ist: Sind das Gas- oder Kohlekraftwerke?

    AUF EIN WORT
    Oberflächliche Betrachtung

    von Markus Weßling
    Man muss es so deutlich sagen, Die Aussage, das neue Dattelner Kraftwerk „ersetze“ dreckige Altanlagen und trage so zu einer Minderung der CO2-Belastung bei, ist oberflächlich. Ob das so kommen wird, hängt von komplexen Zusammenhängen ab und ist noch keineswegs ausgemacht.
    Fest steht schon heute: Die ursprüngliche Argumentation, Datteln 4 werde drei Anlagen in der Region ersetzen, ist längst überholt. Seit fünf Jahren.

    https://www.24vest.de/waltrop/ersetzt-kraftwerk-datteln-alte-dreckschleudern-bund-sagt-nein-13250002.html

    Der aktuelle BUND-Hintergrund bewertet Datteln 4 im Hinblick auf den Klimaschutz und auf ökonomische Risiken.


    Am 27. November 2019 stand folgender Leserbrief in der Dattelner Morgenpost:

    „Das versteht kein Mensch“

    Ich bin doch sehr verwundert darüber, dass die Bunderegierung mit Uniper vertrauliche Gespräche über Entschädigungszahlungen für das Kraftwerk Datteln 4 führt, obwohl die Rechtmäßigkeit des Standortes weiterhin ungeklärt ist. Es sind mehrere Klagen anhängig, die genau diese Frage klären sollen.
    Die Verhandlung darüber wird voraussichtlich Mitte/Ende 2020 vor dem OVG Münster fortgesetzt. Der Vorstand von E.on und Uniper hat immer wieder betont, dass der Bau des Kraftwerks Datteln 4 auf eigenes Risiko forciert wird, im Wissen, dass das Kohlekraftwerk möglicherweise auf eigene Kosten zurückgebaut werden muss. Zur Erinnerung: E.on wurde verpflichtet, eine Bürgschaft im zweistelligen Millionenbereich für den Rückbau der Anlage zu hinterlegen.
    Es ist m.E. nicht die Angelegenheit des Steuerzahlers, vor dem Hintergrund der anhängenden Klagen Uniper zu entschädigen oder mit der Bundesregierung bis zur Klärung der Rechtslage Gespräche über mögliche Entschädigungen zu führen. Erst wenn die Standortfrage eindeutig geklärt ist, kann man entweder über eine erforderliche Stilllegung sprechen oder aber die Aktionäre dann mit ihrem Vorstand über mögliche Regressansprüche, denn der Vorstand hat auf eigenes Risiko gebaut. Das sollte doch klar sein.
    Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass das Kraftwerk aufgrund des zu geringen Abstandes zur Wohnbebauung am jetzigen Standort deplatziert ist. Durch die vielen Änderungen an der R
    tecnik erfüllt es zudem nicht mehr den Anspruch, den man an ein „hochmodernes Kraftwerk“ stellt. Was ist denn von dem einst so hochgelobten „Referenzkraftwerk NRW“ an modernen und effizienten Innovationen übrig geblieben? 55 Prozent der eingesetzten Ressource Kohle wird für die Erderwärmung, sprich Erwärmung der Luft und des Wassers, genutzt! Knapp 45 Prozent werden dann für Strom und Fernwärme abgeführt. Dieses Verhältnis der Resoourcen-Nutzung ist inakzeptabel. Hierzu hatte das OVG Münster in seinem Urteil vom 3. September 2009 unter anderem festgestellt: „Auch mit Blick auf die volkswirtschaftlichen Kosten können Kraftwerksplanungen nur realisiert werden, wenn damit in der CO2-Bilanz und bei anderen klimarelevanten Stoffen ein Fortschritt erreicht wird.“

    Keine Züge stehen geblieben

    Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat man das Kraftwerk nicht vermisst. Weder sind, wie seinerzeit angedroht, Züge stehen geblieben, noch sind die Heizungen kalt geblieben. Auch die 8,5 Mio. Tonnen CO2 vermisst sicherlich niemand. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls kann es m.E. nicht mehr um Entschädigungen gehen, sondern Uniper muss das eingegangene Risiko möglicherweise teuer bezahlen. Weshalb die Bundesregierung nun zusätlich das Geld des Steuerzahlers in das Kraftwerk investieren will, damit es nicht produziert, versteht kein Mensch.
    Man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen (E.on/Uniper) und sich hinterher wundern, dass man eine Beule abbekommen hat. Und wenn man Risiken eingeht, kann man auch mal die negativen Konsequenzen wie z.B. einen Totalschaden tragen müssen.
    Karl Seelig, Datteln


    Foto: Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost
    Über Datteln 4 wird noch verhandelt
    Ist die Entschädigungs-Lösung noch nicht vom Tisch?

    Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 20. November 2019

    Heute so hieß es lange, werde endlich eine Entscheidung hinsichtlich des Kraftwerks Datteln 4 fallen – schließlich werde die Bundesregierung das Kohle-Ausstiegsgesetz vorlegen. Doch was die Zukunft der von Beginn an umstrittenen Uniper-Anlage am Dortmund-Ems-Kanal angeht, ist nun doch keine abschließende Auskunft zu erwarten. So wird das jedenfalls in Experten-Kreisen eingeschätzt.
    Zur Erinnerung: Eine Nachrichtenagentur hatte kürzlich gemeldet, die Verhandlungen über eine Lösung, bei der der Betreiber eine Entschädigung bekommt und dann nicht ans Netz geht, seien gescheitert. Das würde bedeuten: Das Kraftwerk könnte seinen Betrieb aufnehmen. Einem Referentenentwurf des Ministeriums ist zu entnehmen, auf welcher Basis das geschehen könnte: Das von der „Kohlekommmission“ vorgeschlagene Verbot, neue Steinkohleanlagen in Betrieb zu nehmen, gelte nicht für solche, für die „bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt“ worden sei. Diese Bedingung ist auf Datteln 4 geradezu zugeschnitten.

    Gespräche zum Kraftwerk "vertraulich"
    Der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer von den Grünen hat jedoch auf eine Frage an den Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Bareiß im Bundestag eine andere Antwort erhalten. Er wollte wissen: „Inwiefern hat die Bundesregierung mit dem Eigentümer des Kohlekraftwerks Datteln 4 über die Nichtinbetriebnahme verhandelt, und kann die Bundesregierung bestätigen, dass das Kraftwerk Datteln 4 zeitnah seinen Betrieb aufnehmen wird?“ Die Antwort des Staatssekretärs: Gemäß den Empfehlungen der „Kohlekommission“ führe das Ministerium Gespräche mit dem Kraftwerksbetreiber Uniper zu Datteln 4. Und weiter: „Die Gespräche dauern noch an. Der Inhalt der Gespräche ist vertraulich.“ Keine Rede von einem Scheitern der Verhandlungen.
    Datteln 4: 1,5 Milliarden Euro "nicht der aktuelle Wert"
    Obwohl Uniper derzeit regelmäßig darauf hinweist, man mache große Fortschritte bei der technischen Inbetriebnahme des Kraftwerks, erscheint alles andere als gewiss, dass der Betreiber überhaupt ans Netz will. In der Branche wird spekuliert, es gehe ihm nur um eine möglichst hohe Entschädigung – und die fiele umso höher aus, je besser die Anlage dasteht. Aber was ist das Kraftwerk tatsächlich wert? Fachmann Dr. Thomas Krämerkämper vom Umweltverband BUND schreibt dazu in einem Positionspapier: „Uniper gibt die Investitionssumme mit ca. 1,5 Milliarden Euro an. Dies ist jedoch nicht der aktuelle Wert des Kraftwerks und nicht der Maßstab für etwaige Entschädigungen. Uniper selbst hat schon seit der Übernahme der Kraftwerksbaustelle von E.ON in den Jahren 2017 und 2018 offiziell 0,5 Milliarden Euro auf dieses Kraftwerk abgeschrieben.“

    https://www.24vest.de/waltrop/waltrop-uebers-kraftwerk-datteln-wird-weiter-verhandelt-13232922.html


    „Ich will wissen, was Fortum vorhat“

    Düsseldorf: Uniper-Chef Andreas Schierenbeck ist 15 Marathons gelaufen. Nun will er das Kohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz bringen und die Unabhängigkeit sichern, wie er interview erzählt.

    Von Antje Häning (Wirtschaft), Dattelner Morgenpost, 16. November 2019

    Andreas Schierenbeck ist ein Marathon-Mann: 15 Marathons ist er bereits gelaufen, auf allen sechs Kontinenten. Auch beim „Antarktis-Marathon“ 2018 war er dabei. 42 Kilometer bei minus 8 Grad, „eine besondere Herausforderung“, wie der 53-Jährige sagt. Aktuell läßt er das Training etwas ruhen, zu sehr fordert ihn sein neuer Job. Seit Juni ist Schierenbeck Chef des Energiekonzerns Uniper, dessen Zentrale mit rund 2400 Beschäftigten in Düsseldorf ist. Ausdauer kann er gebrauchen, Unipers Geschäfte sind politisch brisant, der finnische Großaktinär umstritten.

    Was sind Ihre ersten Erfahrungen?
    (lacht) Meine Erwartungen wurden jedenfalls nicht enttäuscht. Auf der einen Seite haben wir ein starkes Portfolio für die Energiewende und eine engagierte Mannschaft, auf der anderen Seite gibt es mit dem Kohleausstieg und der Gas-Pipeline Nord Stream 2 politische Herausforderungen.
    Nett gesagt. Eigentlich soll kein neues Kohlekraftwerk ans Netz, nun macht die Regierung eine Ausnahme für Blöcke, die eine Genehmigung haben. Was heißt das für Ihr Kraftwerk Datteln 4?
    Für Datteln 4 haben wir bereits seit Januar 2017 eine gültige Immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Deshalb setzen wir alles daran, dass wir das Krafterk im Sommer 2020 ans Netz bringen können. Wenn wir in Deutschland für eine zuverlässige Energieversorgung bis 2038 Kohlestrom benötigen, sollten die modernsten Anlagen und nicht die schmutzigsten laufen. Daher macht die Inbetriebnahme von Datteln 4 gesamtwirtschaftlich wie ökologisch Sinn. Es ist das sauberste und effizienteste Steinkohlekraftwerk der Welt.
    Wann kann Datteln 4 ans Netz?
    Der Kessel hat die wichtige Druckprobe bestanden. Anfang des Jahres kann Datteln 4 probeweise ans Netz gehen – die sogenannte Netzsynchronisierung, im Sommer kann es dann endlich losgehen.

    In Russland wird Unipers Schicksal entschieden: Russische Kartellbehörden prüfen , ob sie Ihrem Großaktionär Fortum die Übernahme der Mehrheit erlauben. Wie läuft's?
    Wir sitzen bei den Gesprächen zwischen Fortum und den russischen Behörden nicht mit am Tisch. Aber: Die russischen Kartellbehörden haben sich, wie in solchen Fällen üblich, auch bei uns gemeldet, um Daten zum Russland-Geschäft zu erfragen. Zugleich sind wir in konstruktiven Gesprächen mit Fortum.
    Ihr Vorgänger Klaus Schäfer hat Fortum-Chef Pekka Lundmark einen „Wolf im Schafspelz“ genannt. Was sagen Sie?
    Ich telefoniere jede Woche mit Pekka Lundmark, wir treffen uns regelmäßig, um uns auszutauschen. Die Gespräche laufen gut. Es ist eine Chance, als Neuer diese Gespräche zu führen, ohne die Emotionen der vergangenen Jahre. Aber auch ich will wissen, was Fortum mit Uniper vorhat. Klarheit über diese alles entscheidende Frage hat Uniper, allen voran die 11.000 engagierten Mitarbeiter, verdient.
    Die Mitarbeiter fürchten, das Fortum Uniper zerschlägt und die Zentrale in Düsseldorf überflüssig wird. Was können Sie ihnen sagen?
    Bis auf weiteres bleibt Uniper ein eigenständiges Unternehmen. Als Fortum angekündigt hat, von den Investoren Elliott und Knight Vinke gut 20 Prozent zu übernehmen und so seinen Anteil auf gut 70 Prozent aufzustocken, hat Pekka Lundmark zugesagt, dass es zwei Jahre lang keinen Beherrschungsvertrag geben wird. Das gibt Uniper und der Belgschaft weitere Sicherheit.


    Datteln 4: Ab Montag dampft es wieder
    Uniper fährt die Hilfskessel an, ab Januar soll Strom produziert werden.

    Von Uwe Wallkötter, Dattelner Morgenpost, 16. November 2019

    Die Bundesregierung entscheidet darüber, welche Regelungen im Kohleausstiegsgesetz für das Kraftwerk Datteln 4 gelten - derweil treibt Uniper die Inbetriebnahme voran.
    Vor Uniper und dem Kohlemeiler Datteln 4 liegen spannende Tage. Zum einen politisch, zum anderen technisch. In der kommenden Woche soll die Bundesregierung entscheiden, welche Regelungen im Kohleausstiegsgesetz für Datteln 4 gelten. Parallel dazu wird es aus dem Kesselhaus auch wieder dampfen, denn nach dem erfolgreichen Drucktest für den neuen Kesselstahl im Herbst wird die Inbetriebnahme weiter vorangetrieben.
    Wie Uniper-Sprecherin Ilona Flechtner mitteilt, werden in den nächsten Tagen die Hilfskessel angefahren, um für die spätere Inbetriebnahme des Kessels Dampf zu erzeugen. Dadurch werdn laut Uniper ab Montag über die sogenannten Anfahrentspanner auf dem Kesselhausdach werden so ab Montag unter Umständen kleinere Mengen Dampf entweichen.
    Voraussichtlich in der folgenden Woche sollen dann alle Funktionsgruppen des Frischluft- und Rauchgasweges getestet werden. Dann ist auch mit dem Austritt von Wasserdampf aus dem Kühlturm von Datteln 4 zu rechnen. Der nächste wichtige Schritt erwartet den Kraftwerksbetrieber dann voraussichtlich im Januar. Denn dann soll erstmals mit dem Kessel Strom produziert werden. Das hat Uniper bereits bei der Strombörse EEX angemeldet. Dann wird die Turbine mit 3000 Umdrehungen in Betrieb gehen. „Es wird allerdings nur eine kleine Menge Strom sein“, so Ilona Flechter auf Anfrage unserer Redaktion. Das Ganze dient Stromsynchronisationen mit dem Stromnetz.  Danach soll Datteln 4 aber wieder heruntergefahren werden. Es folgen im Zuge der Inbetriebnahme weitere Messungen und Einbauten. Nach wie vor hölt Uniper an der kommerziellen Stromprodktion ab Sommer 2020 fest. Der gesamte Prozess der Inbetriebnahme sdauert laut Ilona Flechter fünf bis sechs Monate. Je nach Ablauf des Verfahrens könnte Uniper demnach auch schön früher, unter Umständen im Mai, in die Produktion einsteigen. Falls das Kohleausstiegsgesetz dem Ganzen nicht einen Strich durch die Rechnung macht.

    https://www.24vest.de/datteln/datteln-bundesregierung-entscheidet-ueber-kraftwerk-datteln-13223780.html


    Uniper pokert, der BUND schimpft – und die Bahn?

    Von Markus Weßling, Dattelner Morgenpost, 4. November 2019

    DATTELN. Wer hat welche Interessen im Kampf um die Zukunft des Kraftwerks Datteln 4? Selbst für Branchen-Fachleute wird die Gemengelage langsam undurchsichtig. Am 20. November soll Klarheit herrschen.

    Die Gespräche zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und Kraftwerksbetrieber Uniperzum Kraftwerk Datteln 4 seien gescheitert,  meldete eine Nachrichtenagentur vergangene Wiche und bezog sich damit auf Regierungskreise. Branchenvertreter haben das inzwischen auch gegenüber unserer Zeitung bestätígt.
    Das klingt erst einmal eindeutig: Die im Kohlekompromiss vorgesehenen Verhandlungen über eine Entschädigungslösung ohne Inbetriebnahme haben kein Ergebnis gebracht, nun geht das Kraftwerk eben im Sommer 2020 mit dann neunjähriger Verspätung doch ans Netz – so ist die Lesart. Doch so einfach ist das Thema bei Weitem nicht.
    Denn natürlich ist damit noch nicht die rechtliche Hürde genommen. Das Kraftwerk ist nach wie vor Gegenstand einer Klage. Und der Umweltverband BUND reagiert höchst verärgert auf die Meldung über die Nicht-Einigung. Dr. Thomas Krämerkämper, in der Region bekannter Kraftwerks-Fachmann und stellvertretender Vorsitzender des BUND in NRW, kritisiert: „Es wäre ein fatales Signal, wenn hier politisch der Weg für einen neuen Klimakiller geebnet würde. Das rechtswidrig errichtete Datteln 4 würde jährlich bis zu 8,4 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Wenn die Bundesregierung bei solchen Großprojekten nicht selbst liefert, wird sie auch weiterhin kaum private Hausbesitzer und Pkw-Fahrer davon überzeugen können, Kohlendioxid einzusparen.“ Der BUND appelliere deshalb an die Vertreter von Bundesregierung und Uniper, eine Verhandlungslösung zu finden. „Das wäre volkswirtschaftlich allemal preiswerter, als das Kraftwerk unter hohen Verlusten mit aller Gewalt ans Netz zu bringen“, so der BUND.
    Sollte der Appell ungehört bleiben, wird das Uniper-Kraftwerk wohl Teil eines Ausschreibungsverfahrens. In seinem Ausstiegsgesetz, das für den 20. November erwartet wird, soll das Wirtschaftsministerium unter anderem die Einzelheiten dafür festlegen. In der ersten Phase würden dann solche Steinkohlekraftwerke ausscheiden, für die die Betreiberunternehmen die geringsten Stilllegungsprämien verlangen. Spannend dürfte sein, welche Kraftwerke überhaupt dem Mechanismus unterzogen werden. In Süddeutschland, so hört man aus Branchenkreisen, seien einige für die Versorgungssicherheit unabdingbar und würden ausgenommen. Aus der Wertung fallen auch ehemalige Kohlekraftwerke, die zu Gaskraftwerken umgebaut werden.
    Die Gruppe der Kraftwerke, die dem Verfahren unterliegen, könnte also recht klein sein und es könnten auch vergleichsweise moderne Anlagen betroffen sein. Das Verfahren beträfe Anlagen nördlich der Main-Linie. Wenn der Mechanismus nicht greift, sind offenbar auch Zwangs-Abschaltungen ohne Entschädigung noch nicht vom Tisch.

    Will die Bahn noch aus dem Vertrag?
    Interessant ist zudem, wie sich die Deutsche Bahn verhält, für die das Kraftwerk Bahnstrom liefern soll. Der Bahn wurde zuletzt sinkendes Interesse an Strom aus dem Kohlekraftwerk nachgesagt, weil der Kohle-Bahnstrom nicht mehr in die Öko-Strom-Philosophie der Bahn passe und die Preise inzwischen zu hoch seien. Die Bahn-Tochter DB Energie bemühe sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten „um einen Ausstieg aus den Stromlieferungsverträgen mit diversen Kohlekraftwerken“, hatte die Bundesregierung im Mai auf eine Anfrage der Grünen geantwortet. Ob es dabei auch um Datteln 4 geht, wollte die Bundesregierung damals in der Antwort nicht konkretisieren. Auch schriftliche Fragen unserer Redaktion zu den Verträgen mit Uniper hat die Bahn bisher nicht beantwortet.
    Für Uniper, das sich zu der Angelegenheit derzeit ebenfalls nicht äußert, dürfte jedenfalls gerade jetzt entscheidend sein, den Vertrag mit der Bahn zu halten, denn anders als zum Beispiel Trianel in Lünen hat der Datteln-4-Betreiber damit einen festen industriellen Großabnehmer.
    Die Bahn hätte hingegen wohl gerne gesehen, wenn die Verhandlungen zwischen Wirtschaftsministerium und Uniper erfolgreich gewesen wären, damit der Vertrag gegenstandslos gewesen wäre. So aber hat er einstweilen Bestand. In Branchenkreisen kursiert folgendes Szenario: Die Bahn-Spitze interveniert bei der Bundesregierung und fordert sie auf, Uniper in der Höhe zu entschädigen, wie der Kraftwerksbetreiber es verlangt – nur um aus dem Vertrag herauszukommen. Das wäre eine neue Wendung in diesem Spiel um viele Millionen Euro: Das Kraftwerk ginge am Ende doch nicht ans Netz. Wer dann Gewinner oder Verlierer wäre, ist eine Frage der Sichtweise.

    https://www.24vest.de/waltrop/waltropdatteln-warum-fuers-kraftwerk-datteln-jetzt-tage-entscheidung-bevorstehen-13189380.html


    Kraftwerksgegner haben Hoffnung
    IG Meistersiedlung wartet gespannt auf das Kohleausstiegsgesetz

    Von Norbert Schmitz, Dattelner Morgenpost, 21. Oktober 2019

    Die Streiter gegen das Uniper-Kohlekraftwerk Datteln 4 warten mit Spannung auf den 20. November. Denn an diesem Tag soll der Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes debattiert und möglicherweise beschlossen werden.
    Darüber wurde natürlich in der jüngsten Zusammenkuft der IG Meistersiedlung auch gesprochen. Denn der Paragraf 38 des „Entwurfes eines Gesetzes zur schrittweisen und stetigen Reduzierung und zur Beendigung der Steinkohleverstromung“ weckt bei den Kraftwerksgegnern Hoffnungen, dass abgesehen von den noch ausstehenden Verhandlungen vor dem OVG Münster, das umstrittene „Pannenkraftwerk“ schon dann ein Ende haben wird, bevor es überhaupt in Betrieb genommen werden kann.
    Denn in diesem Paragrafen 38 heißt es: „Es ist verboten, neue Steinkohleanlagen in Betrieb zu nehmen, es sei denn, die Steinkohleanlage ist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits vollständig errichtet.“ Das sei hier nicht der Fall, weil in der Kesselkonstruktion der Stahl ausgewechselt werden msuste und es dadurch im Zeitplan des Betreibers zu Verzögerungen gekommen ist.
    „Wenn dieses Gesetz beschlossen werden sollte, dann ist Datteln 4 tot“, folgert Rainer Köster, Sprecher der IG Meistersiedlung. Denn noch sei Uniper weit davon entfernt, das Kraftwerk ans Netz zu bringen. Hinsichtlich der Klagen, unter anderem gegen den Bebauungsplan und der emissionsrechtlichen Genehmigung durch die Bezirksregierung Münster, würden die Klagen des BUND und der IG Meistersiedlung wohl noch warten müssen, solange die Klagen gegen das Trianel-Kraftwerk an der Stadtgrenze zu Waltrop noch nicht durchverhandelt sind. Auch hier geht es um den Klimaschutz.
    Inzwischen sei bekannt geworden, dass Uniper die Ölhilfskessel zur Versorgung mit Fernwärme auf dem alten Kraftwerksgelände durch Gasanlagen ersetzt habe. Damit sei das Gelände schon wieder für mehrere Jahre belegt. Rainer Köster: „Das verstößt eigentlich gegen die Verträge, die mit der Stadt abgeschlossen wurden. Aber die Bezirksregierung winke diese Veränderungen einfach durch.

    https://www.24vest.de/datteln/gegner-kraftwerks-datteln-hoffen-einen-beschluss-kohleausstieg-13134699.html


    Russland könnte Fortum Weg für Uniper-Übernahme ebnen
    Reuters Staff, 15. Oktober 2019 / 16:22

    Moskau (Reuters) - Die russische Wettbewerbsbehörde erwägt einer Agenturmeldung zufolge eine Änderung von Regeln, die bislang einer Übernahme des Düsseldorfer Versorgers Uniper durch den finnischen Konkurrenten Fortum im Wege stehen.
    Die Nachrichtenagentur Interfax meldete am Dienstag, die Behörde erwäge eine Regeländerung, so dass Uniper eine als strategisch bedeutend eingestufte Wasseraufbereitungsanlage ausgliedern könne. Fortum hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, sich Zugriff auf rund 70 Prozent der Uniper-Aktien gesichert zu haben. Der Konzern sei optimistisch, dass die Beschränkung durch die Gesetzeslage in Russland in den kommenden Monaten aus dem Wege geräumt werde.
    Kern des Problems ist eine Anlage zur Trinkwasseraufbereitung, die zu einem Kraftwerk Unipers in Russland gehört. Fortum selbst hatte nach eigenen Angaben die Trinkwasseranlagen seiner Kraftwerke in Russland in eine russische Gesellschaft ausgelagert. Interfax zitierte Behördenchef Igor Artemjew mit den Worten, auch die Trinkwasseranlage Unipers könne ausgelagert werden, so dass die Wettbewerbshüter Fortum grünes Licht geben könnten. Dies sei aber nur unter der Bedingung möglich, dass die Transaktion zur Übernahme Unipers erst abgeschlossen werde, nach dem das Gesetz in Russland geändert worden sei.
    Uniper wollte sich zu der Meldung nicht äußern. Vorstandschef Andreas Schierenbeck hatte in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Dienstagsausgabe) gesagt: “Wir sind bei den Gesprächen zwischen den russischen Behörden und Fortum nicht dabei. Klar ist: Die Beschränkung für Fortum basiert auf der aktuellen Gesetzeslage.”
    https://de.reuters.com/article/deutschland-russland-uniper-idDEKBN1WU20D


    Will Uniper überhaupt noch ans Netz?

    Von Markus Weßling und Uwe Wallkötter, Dattelner Morgenpost, 9. Oktober 2019


    DATTELN. Der Betreiber von Datteln 4 verbreitet den Eindruck, die Anlage könne schon bald Strom produzieren. Aber es gibt Zweifel, ob das das Ziel ist.

    Nach dem Desaster mit dem defeken Kesselstahl – 2017 wurden Risse an den Schweißnähten festgestellt – scheint Kraftwerksbetreiber Uniper mit aller Macht daran zu arbeiten, so schnell wie möglich ans Netz zu gehen. Doch die Zukunft von Datteln 4 liegt längst nicht mehr nur in den Händen von Uniper.  Der geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 hängt wie ein Damoklesschwert über Datteln 4. Zudem wird letztlich vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster die Entscheidung fallen, ob der Bebauungsplan und die emissionsschutzrechtliche Genehmigung rechtens waren.
    Angesichts solcher Risiken stellen sich viele die Frage: Warum macht Uniper das überhaupt und pumpt weiter Millionen in die Fertigstellung?  Dr. Thomas Krämerkämper, Kraftwerks-Fachmann beim Umweltverband BUND hat jedoch eine Vermutung: Er sagt, er gehe davon aus, dass es Uniper darum gehe, das Kraftwerk in positivem Licht darzustellen, um in den Gesprächen mit der Bundesregierung im Zuge des Ausstiegs aus der Kohleverstromung eine möglichst hohe Entschädigung zu bekommen. Mit anderen Worten: Man tut so, als habe man ein technisch perfektes, höchst effizientes Kraftwerk, das schon sehr bald Strom liefern kann – eine Inbetriebnahme wäre aber tatsächlich gar nicht das Ziel.
    Zu diesen Spekulationen wollte Georg Oppermann, Sprecher von Uniper in der Konzernzentrale in Düsseldorf, keine Stellung beziehen. Er verweist auf die derzeit laufenden Gespräche zwischen der Bundesregierung und Uniper hinsichtlich der Zukunft von Datteln 4. Laut Oppermann sollen diese Gespräche bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

    Hintergrund: Im Abschlussbericht der Kohlekommission wurde für bereits gebaute, aber noch nicht in Betrieb befindliche Kraftwerke „eine Verhandlungslösung“ vorgeschlagen, um diese Kraftwerke nicht in Betrieb zu nehmen. Diese Formulierung ist ganz offensichtlich vor allem auf Datteln 4 gemünzt.
    Uniper hatte stets erklärt, man verschließe sich der Verhandlunslösung nicht, eigentliches Ziel sei aber, ans Netz zu gehen. Dass das nur die halbe Wahrheit sein könnte, ist nicht nur vom BUND, sondern auch aus Branchenkreisen zu hören.
    Dabei weiß natürlich auch die Bundesregierung, dass das Bild, das Uniper zeichnet, nicht so ganz der Realität entspricht. Denn die Probleme des Kraftwerks sind zahlreich. Da ist nicht nur der genannte Rechtsstreit, sondern zum Beispiel auch die Frage, ob durch den Einsatz des herkömmlichen Kesselstahls statt des T24-Superstahls nicht auch der Wirkungsgrad des Kraftwerks sinkt.
    Das tut er, sagen Fachleute. Eigentlich brauche es eine neue Genehmigung. Denn der CO2-Ausstoß sei nun höher als mit dem ursprünglich geplanten Kesselstahl. All das wird man zu berücksichtigen haben, wenn man über die Höhe der Entschädigung spricht.
    Klar ist derweil, dass sich mit den neuen Steinkohlekraftwerken im Moment die sogenannten Vollkosten nicht verdienen lassen – beim Trianel-Kraftwerk in Lünen lässt sich das beobachten. Uniper hätte, selbst wenn das Kraftwerk tatsächlich 2020 ans Netz ginge und 2038 wieder Feierabend wäre, noch einmal sechseinhalb Jahre weniger Zeit als Trianel, um mit der Milliarden-Investition Geld zu verdienen.
    Derweil gibt es einen Entwurf, wie mit Steinkohlekraftwerken umgegangen werden soll, die schon am Netz sind. Möglicherweise fällt bald auch Datteln 4 darunter, wenn die Verhandlungslösung scheitert. Jedes Jahr würden dann Kraftwerke abgestellt werden, wobei die Betreiber anbieten können, ab welcher Summe sie dazu bereit wären. Für jede Ausschreibung soll jedoch vorab ein Höchstwert festgelegt werden und der letztendliche Zuschlag für die Abschaltprämie soll sich aus einer Kombination aus Preis und CO2-Emissionen der betroffenen Anlage ergeben. Ein komplexes Verfahren. Ob das einst auch für Datteln 4 greift oder sich das Kraftwerks-Thema anderweitig klärt, wird man bald erfahren.

    https://www.24vest.de/datteln/uniper-wird-kraftwerk-datteln-2020-strom-produzieren-13080293.html



    Foto: Andreas Kalzhoff, Dattelner Morgenpost
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