Verfehlte Verkehrspolitik

Verfehlte Verkehrspolitik

Leserbrief zum Artikel „Nächste Woche kommen die Bagger“
in der Dattelner Morgenpost vom 05.10.2019


Kompliment für das wirklich gelungene Foto zum Artikel! Es steht geradezu symbolisch dafür, wie Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik gemeinsam sichtlich erheitert mindestens 24 Mio. Euro Steuergelder in den Sand setzen.
Wahnsinn: eine der schönsten Stellen unserer Stadt wird dem Autowahn der Deutschen geopfert:
das wunderschne Dreieck an der Einmündung des Wesel-Datteln-Kanals in den Dortmund-Ems-Kanal.

Um es gleich vorab zu sagen. Die katastrophale Situation auf der B 235 im Dattelner Süden, die sowohl für die Anwohner als auch für die Verkehrsteilnehmer/innen Tag für Tag eine Zumutung ist, ist unbestritten. Über die Mittel, mit denen man diesem Desaster wirkungsvoll begegnen kann, kann sehr wohl gestritten werden.

Neben dem Foto ist auch die Grafik, die dem Artikel hinzugefügt wurde, sehr aufschlussreich. Beim Blick auf Dieselbe stellt sich automatisch die Frage, wie der Ministerialdirigent aus dem Scheuer-Ministerium zu der kühnen Aussage kommt, dass allein das Dattelner Teilstück (hier auch als „Werner-Stummel“ bekannt) die B 235 um rund ein Drittel des aktuellen Verkehrs entlasten soll. Wenn man weiß, was die Verkehrszählungen der Vergangenheit immer wieder zutage gebracht haben, nämlich dass die Masse der Autos auf der B 235 aus Datteln kommen bzw. nach Datteln wollen, weiß man auch, dass die blau gestrichelte Linie wohl kaum irgendeine spürbare Entlastung für Datteln bringen kann.

Die ersten Planungen für die B 474n – so berichtet die Dattelner Morgenpost – sind rund 50 Jahre alt. Was hat sich in der Zeit alles getan? Die Versäumnisse der Vergangenheit sind an vielen Stellen nicht mehr zu übersehen. Die einseitige Förderung des Individualverkehrs mit dem Pkw, der Rückbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, die Vernachlässigung alternativer Verkehrsmittel (z. B. Fahrrad) haben zu dem Verkehrschaos geführt, mit dem wir heute konfrontiert sind.

Andererseits hat man auch vielfach aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Nicht nur die aktuelle Klimadiskussion hat viele Bürger/innen und Politiker/innen dazu gebracht, alternative Verkehrskonzepte zu entwickeln, zu erproben und umzusetzen. Und das nicht nur in den Niederlanden und in Dänemark. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche positive Beispiele. Aber wenn Bundes- und Landespolitiker/innen darauf vertrauen können, mit den Ideen und Konzepten der Sechziger- und Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts noch irgendwo landen zu können, dann in Datteln.

Hier reicht es scheinbar, weiterhin – wie in den letzten 50 Jahren – gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass die B 474n eine Entlastung für die B 235 bringen soll – auch wenn das mit Blick auf die Karte noch so abwegig ist. In Datteln brauchen Entwicklungen offensichtlich viel länger als anderswo. Der öffentliche Nahverkehr, der eine wirkliche Entlastung bringen könnte, hat sich hier im letzten halben Jahrhundert allenfalls zurückentwickelt. Als Fahrradfahrer hat man in Datteln bekanntlich das Gefühl, nur als Störfaktor wahrgenommen zu werden. Wo bleibt endlich mal ein Signal von der Stadt, dass das Fahrrad als ernsthafte Alternative zum Auto – zumindest für innerstädtische Fahrten – erwünscht ist und gefördert werden soll?

Bürgermeister Dora stellt sich völlig unreflektiert in die Reihe seiner Vorgänger Niggemeier, Böhm und Werner. Wird er am Ende des unsinnigen Straßenbauprojektes noch in der Verantwortung stehen und erklären müssen, warum man sich im Jahr 2019 nicht an den Erfordernissen und Erkenntnissen der Neuzeit orientiert hat?
Robert Kroffke, Datteln


Auch die Waltroper Grünen haben zum Baustart des Dattelner Teils der B 474n  eine Stellungnahme veröffentlicht:

Nach 40 Jahren Protest und Klagen von Grünen und Umweltverbänden soll sie jetzt tatsächlich realisiert werden, die B 474n. Da werden sicherlich viele Waltroper*innen denken, super, dann stehe ich nicht mehr mit meinem Pkw im Stau, wenn ich Morgens zur Arbeit fahre.
Und da sagen wir Grüne seit 40 Jahren: Aufgepasst, das wird nicht so sein!

Sogar Straßen NRW hatte damals festgestellt, dass die Entlastung für die Leveringhäuser Straße nur marginal sein würde. Nach Aussagen der Straßen NRW-Planer bringt die B474n nur ca. 15% Verkehrsentlastung für die Anwohner der Leverinhäuser Straße.

Zudem ist es ein Unding, dass jetzt - im Zeichen der glücklicherweise sehr breit geführten Debatte um Maßnahmen für den Klimaschutz - eine neue Straße gebaut werden soll, die mehr Lkw-Verkehr und mehr C02 Ausstoß auch nach Waltrop bringen wird. Zudem wird wieder wichtige Fläche versiegelt. Die Argumente gegen die Straße sind vielfältig und immer noch die gleichen:
  • Sie bringt mehr und nicht weniger Verkehr für Waltrop, denn es handelt sich hier lediglich um eine Verkehrsverlagerung auf andere Waltroper Straßenzüge, u.a. z.B. Berliner Strasse - und somit haben andere Waltroper Bürger u.U. dann mehr Verkehrsbelastung zu ertragen.
  • Nur sehr geringe Entlastung der Leveringhäuser Straße. Hierzu die zuständige  Planungsbehörde: "... die vorliegenden Verkehrszählungen belegen, dass die geplante Straße hierfür (Funktion als Umgehungsstrasse) ungeeignet sei und nur zu einer unbedeutenden Verkehrs- und Lärmentlastung führen würde".
  • Sie ist geplant worden, um die Rieselfelder, eine unserer grünen Lungen, als Industriegebiet zu erschließen und damit kaputt zumachen. Straßen NRW in ihrer Begründung: Die geplante B474n verbindet das südöstliche Münsterland mit dem Ruhrgebiet und soll darüber hinaus geplante Vorhaben wie das Industrieareal "newPark" (Dortmunder Rieselfelder) an das großräumige Straßennetz (A2/A45) anschließen.
  • Sie zerschneidet und versiegelt Grünflächen, und trennt die westlichen Teile der Stadt Waltrop, im Wesentlichen die Bauerschaft Oberwiese, vom Stadtkern.
Wir unterstützen die Idee der Verwaltung, die Busspur auf der Leveringhäuser Straße zu verlängern, und fordern eine Verdichtung des Bustaktes nach Mengede in den Morgenstunden und zum Feierabend hin.
Das hilft allen Waltroper*innen: Klimaschutz und schnelleres Weg- und Ankommen als mit dem Pkw!

Aber wie im Ausschuss für Umwelt festgestellt: Das Bekenntnis zu Klimaschutz scheint bei der CDU nur ein Lippenbekenntnis zu sein…. Sogar kleinere, kostengünstige Grüne Anträge wie insektenfreundliche (Baumscheiben)bepflanzung und Patenschaften, fifty-fifty Konzept zur Energieeinsparung an Schulen, 1000 Bäume für Waltrop… wurden abgelehnt.

Mit freundlichen Grüßen, Beate Stach (Ratsmitglied)

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