Ruf nach bezahlbarem Wohnraum

Der Ruf nach bezahlbarem Wohnraum

Das ist eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit
12.11.2018

Es ist eine Nachricht mit Seltenheitswert: In Datteln baut ein privater Bauträger öffentlich geförderte Wohnungen. Dieses seltene Ereignis nimmt gerade – nach langer Vorbereitungszeit – seinen Lauf an der Friedrich-Ebert-Straße 159-163. Auf dem dort schon seit langem nicht mehr genutzten Gartengelände zwischen den Mehrfamilienhäusern der sog. „Waldersee-Siedlung“ werden drei neue Mehrfamilienhäuser errichtet.
Zu viele Interessenten, zu wenig bezahlbare Wohnungen - das ist nach den vor kurzem veröffentlichten Berechnungen des Prognos-Instituts eben nicht nur ein Problem der großen Ballungsräume: Andreas Rüttershof hat in seinem Beruf als Immobilienmakler die Erfahrung gemacht, dass in Datteln rund 400 Wohnungen fehlen. Glaubt man dieser Zahl, so hat der Wohnungsmangel auch unsere Stadt erreicht. Er trifft hier vor allem (aber nicht mehr nur) die besonders einkommensschwachen Gruppen. Denn die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen schrumpft stetig – wegen des Ablaufs der Bindungsfristen; und neue Wohnungen im mittleren und unteren Preissegment sind in den letzten Jahren nur sporadisch entstanden.
Der Zuzug vieler Menschen aus Krisengebieten und die damit verbundene Aufgabe der Integration dieser Menschen, die für längere Zeit oder dauerhaft in unserem Land bleiben werden, hat uns verstärkt vor Augen geführt, dass die wohnungspolitischen Weichen im letzten Jahrzehnt falsch gestellt und die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus viel zu lange vernachlässigt wurden.
Auch in Datteln wird in diesen Zeiten wachsender Nachfrage der Neubau von Wohnungen vorangetrieben. Die Wahrnehmung und Diskussion darüber, ob das, was geplant und errichtet wird, denn auch tatsächlich dieser Nachfrage gerecht wird, findet sicherlich in interessierten Kreisen statt, ihr Widerhall in der Öffentlichkeit ist jedoch viel zu leise. Es entsteht neuer Wohnraum, aber wegen der Anreize auf dem freien Markt gehören sie fast ausschließlich zum hochpreisigen Segment.
Schaut man sich nämlich die größeren Objekte an, die in den letzten Jahren in Datteln gebaut worden oder die für die nächsten Jahre geplant sind, so fällt auf, dass in der Regel frei finanzierter, hochwertiger Wohnraum entsteht, zumeist barrierefrei, also senioren-, behinderten- und rollstuhlgerecht, verbunden mit Arztpraxen und Pflegedienst. Natürlich gibt es ihn, diesen Bedarf nach hochwertigem Wohnraum, denn sonst würden die Investoren ihn nicht bauen lassen, und die modernen und sicherlich auch attraktiven Wohnungen würden nicht vermietet werden können.
Ein Blick auf die bisher erstellten Objekte bestätigt diesen Trend: Die Wohnungen am Türkenort 8, die Häuser an der Bülowstraße 81-83, die Häuser an der Eichenstraße 20 und 29, die Häuser an der Ohmstraße, an der Friedrich-Ebert-Straße und an der Amandus-/Goethestraße, die Wohnungen an der Alfredstraße, an der Karlstraße oder an der Hafenstraße 103 – allesamt hinterlassen sie auf Bewohner, Besucher und Betrachter einen einladenden Eindruck. Und auch die Häuser, die gerade gebaut werden oder geplant sind an der Hachhausener Straße, an der Lohstraße, an der Hafenstraße oder an der Ahsener Straße, zielen ab auf besser verdienende Wohnungssuchende.
Baugenehmigungen für neue Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in Datteln (seit 2010)

vor 2010: Errichtung eines Mehrfamilienhauses, Türkenort 8,
2010: Errichtung eines Wohnhauses mit 9 Wohnungen, Hagemer Kirchweg 58e,
2010: Errichtung eines Wohnhauses mit 9 Wohnungen, Hagemer Kirchweg 58f,
2011: Errichtung von 5 Reihenhäusern, Alsenstraße 23-23d,
2011: Aufstockung und Erweiterung eines Postgebäudes u.a. mit 9 Wohnungen, Hafenstraße 1,
2012: Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 19 barrierefreien Wohnungen, Amandusstraße 25,
2012: Errichtung von 7 altengerechten Mietwohnungen, Hafenstraße 103,
2012: Neubau von 7 altengerechten Wohnungen, Alfredstraße 24,
2012: Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 10 Wohneinheiten, Ohmstraße 2b,
2012: Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 9 Wohneinheiten, Ohmstraße 2c,
2013: Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohnungen, Körtlingstraße 2,
2013: Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohnungen, Friedrich-Ebert-Straße 9,
2013: Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohneinheiten, Friedrich-Ebert-Straße 11,
2013: Neubau eines Wohngebäudes mit 6 Wohneinheiten, Karlstraße 9,
2014: Neubau eines Mehrfamilienhauses/betreutes Wohnen, Eichenstraße 20,
2014: Neubau von 4 Mehrfamilienhäusern (betreutes Wohnen), Bülowstraße 81, 83,
2015: Umbau der ehemaligen Kofferfabrik in Wohngebäude mit 11 Wohneinheiten, davon 8 WE behindertengerecht, Friedrich-Ebert-Straße 42a, 42b, 42c, 44a, 44b,
2015: Neubau von 10 ETW, Speeckstraße 14,
2015: Neubau eines Wohnheimes für 12 Menschen mit Behinderung, St.-Vincenz-Straße 6,
2015: Errichtung eines Mehrfamilienhauses (8 WE); Provinzialstr.10,
2015: Neubau eines Mehrfamilienhauses (8 WE), Bahnhofstraße 5c,
2016: Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 10 Wohneinheiten, Grüner Weg 22,
2016: Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 5 Wohneinheiten, Goethestraße 18,
2016: Neubau von 3 Mehrfamilienhäusern, Zeisigweg 1, 3 und 5,
2016: Errichtung eines Mehrfamilienhauses (6 WE), Körtlingstraße 3,
2017: Errichtung eines Wohnhauses – Lebenshilfe – mit 6 Wohneinheiten, An der Josefkirche 2,
2017: Neubau von 2 Mehrfamilienhäusern, Hagemer Kirchweg 22a-b,
2017: Errichtung eines Gebäudes mit 10 Wohneinheiten, Ostring 9,
2017: Neubau eines 6-Familienhauses, Am Leinpfad 8,
2017: Errichtung eines Achtfamilienhauses; Kreuzstraße 2,
2018: Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohneinheiten, St.-Vincenzstraße 2,
2018: Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 7 Wohneinheiten, Hachhausener Str. 37,
2018: Errichtung eines Wohnhauses – Lebenshilfe – mit 3 Wohneinheiten, An der Josefkirche 6,
2018: Errichtung von 4 Eigentumswohnungen, Körtlingstraße 16,
2018: Nutzungsänderung Gaststätte in Wohngemeinschaft für Senioren mit erhöhtem Pflegebedarf; Heibeckstr.12,
2018: Neubau von 3 Mehrfamilienhäusern, Friedrich-Ebert-Str. 159-163,
2018: Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 5 Wohneinheiten, Alter Postweg 16a,
2018: Errichtung eines Siebenfamilienhauses, Türkenort 6,
2018: Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 7 Wohneinheiten, Hafenstraße 4,
2018: Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 13 Wohneinheiten, Lohstraße 35,
2018: Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohneinheiten, Westring 25d,
2018: Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohneinheiten, Westring 25c,
2018: Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses (9WE), Hafenstraße 16
2018: Errichtung von 3 Mehrfamilienhäusern, je 11 WE, Wagnerstraße 24, 26, 28
Man darf aber nicht das eine tun und das andere lassen.

Berücksichtigt man nämlich die Sozialstruktur in unserer Stadt, so wird schnell deutlich, dass der Bedarf an öffentlich geförderten Wohnungen in Datteln unverkennbar ist, denn in dieser Stadt suchen auch Menschen ein Zuhause, die weniger Geld haben als die vermögenden Senioren, die ihr Eigenheim verkauft haben und im Alter in eine kleinere Wohnung in die Innenstadt ziehen möchten: Alleinerziehende, Arbeitslose, Familien mit Kindern, Ältere mit kleiner Rente – was machen die nur? Wer von ihnen in dieser Stadt eine Wohnung sucht, der findet entweder gar keine oder nur eine, die so teuer ist, dass er sie nicht bezahlen kann.
Eine alte Binsenwahrheit ist leider in Vergessenheit geraten: Wohnen ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wohnungen müssen für alle bezahlbar bleiben. Das stärkt den sozialen Zusammenhalt. Deshalb sollte es das Ziel derer sein, die in dieser Stadt politische Verantwortung tragen, dass Menschen mit kleinerem und mittlerem Geldbeutel bezahlbare Mietwohnungen finden.

Inzwischen kostet der Quadratmeter Neubau in der Stadt mindestens 3.000 Euro. Die Mieten fangen bei 10 Euro an und liegen bei dem einen oder anderen Neubau bei 15 Euro pro Quadratmeter.

Was kann die Stadt Datteln tun?

Diese Herausforderung kann nur gemeistert werden, wenn die kommunale Ebene - denn dort werden die Wohnungen gebaut - und die Immobilienwirtschaft, die die Immobilien möglichst bezahlbar bauen muss, eng zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit erweist sich aber in der Praxis als schwer umsetzbar, denn die beteiligten Parteien haben nicht in allen Punkten die gleichen Auffassungen.

Immer wieder wird gesagt: Wenn es um die Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum geht, muss besonders der Bund gegensteuern. Er ist in der Pflicht den sozialen Wohnungsbau stärker zu fördern, die Finanzmittel zu erhöhen, genossenschaftliches Wohnen besser zu unterstützen und das selbstgenutzte Wohneigentum zu stärken. Auch durch entsprechende gesetzgeberische Impulse sollte der Wohnungsbau angekurbelt werden. Nur so kann neuer bezahlbarer Wohnraum entstehen.

Wir müssen dafür sorgen, dass Mieten bezahlbar bleiben und günstige Miewohnungen nicht länger Mangelware sind.


Auch in den Kommunen kann einiges getan werden, um für mehr bezahlbare Wohnungen zu sorgen und um die Wohnungsnot zu lindern. In Datteln tut sich gerade etwas: die Stadtentwicklungs-Gesellschaft (SEG) ist dabei, an der Wagnerstraße, auf der Fläche der ehemaligen Gustav-Adolf-Schule, ein Wohnungsangebot mit Sozialbindung für Haushalte mit geringem Einkommen zu schaffen.Die Baugenehmigung ist unterdessen erteilt; in den nächsten Wochen kann mit den Arbeiten begonnen werden. Gut so!

Zudem hat die Stadt eine Wohnungsbedarfsanalyse und -prognose für das Dattelner Stadtgebiet in Auftrag gegeben. Hier die Ziele und Aufgaben dieses Gutachten:
  • Untersuchung der Rahmenbedingungen und der Angebots- und Nachfragestrukturen auf dem Dattelner Wohnungsmarkt,
  • Auswertung der Miet- und Kaufpreisinserate,
  • Erstellung einer vertiefenden Analyse des bezahlbaren Wohnungsmarktsektors,
  • Erarbeitung einer zielgruppenspezifischen Haushalts- und Neubauprognose.
Aus all diesen Erkenntnissen sollen die Gutachter dann Handlungsempfehlungen aussprechen und Maßnahmen zum geförderten Wohnungsbau und zur Flächenentwicklung formulieren.

Als eine Möglichkeit wird geprüft, inwieweit der Rat sich das Recht nehmen darf, bei der Aufstellung von Bebaungsplänen Flächen zu reservieren, auf denen nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die mit Mittel der sozialne Wohnraumförderung gefördert werden. Die Stadt – in Zusammenarbeit mit der Stadtentwicklungs-Gesellschaft – könnte aber noch mehr tun: sie müsste z.B. bei größeren Flächenverkäufen ihr Vorkaufsrecht nutzen. Denn auf diesem Weg hat sie die Chance, um an Bauland zu kommen, damit entsprechende Bauprojekte überhaupt gestartet werden können. Hier tut die Stadt zu wenig. Man müsste auch klären, welche Rolle die Sparkasse Vest als öffentlich-rechtliche Bank und als Partner in der SEG bei Immobilienprojekten spielt, die sie finanziert, die aber auch nur für viel Geld auf den Markt kommen.

Wir Grüne begrüßen die Initiative der Stadt, mit Hilfe eines Hamburger Büros den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in Datteln zu erheben. Wir unterstützen die Bemühungen der Stadt, auch an anderen Stellen im Stadtgebiet öffentlich geförderte Bauten zu errichten, um den absehbaren höheren Bedarf an bezahlbaren Wohnungen zu befriedigen.

DIE WÄHLERGEMEINSCHAFT DIE GRÜNEN stellt sich der Verantwortung – auch bei der Lösung der Wohnraumfrage für alle.
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