20200216 Mahnwache fuer Grundrechte

Mahnwache gegen Polizeigewalt
16.02.2020

Bei starken Windböen haben am heutigen Sonntagnachmittag bis zu 200 Menschen vor dem Steinkohlekraftwerk Datteln 4 eine Mahnwache abgehalten. Sie haben dagegen protestiert, dass die Polizei vor zwei Wochen drei Kohlegegner festgenommen hatte. Die drei, zwei Männer und eine Frau, waren am 02. Februar 2020 im Umfeld des Kraftwerksgeländes festgenommen worden. Die drei sagten hinterher, dass sie ohne einen Tatverdacht auf das Recklinghäuser Polizeipräsidium gebracht worden seien. In einer Zelle hätten sie sich ausziehen müssen und seien auf erniedrigende Weise durchsucht worden.

Dr. Julia Lis, eine der drei betroffenen TheologInnen aus Münster, Mitarbeiterin des Instituts für Theoplogie und Politik, ergriff das Mikrofon und fasste ihre Erfahrungen während der Polizeikontrolle zusammen: "Wir haben frierend die Nacht in Zellen verbracht und uns wurde der Anwalt verweigert", sagte sie. Engagement und Sympathie für die Klimabewegung dürfe aus ihrer Sicht aber kein Grund dafür sein, jemanden in Haft zu nehmen. Vier Dinge hätten der Polizei missfallen, als sie kontrolliret wurden: das Auto, in dem sie angereist seien, hätte ein auswärtiges Kennzeichen gehabt, sie würden für eine Einrichtung arbeiten, die Sympathien für Klimaschutz zeige, im Auto hätten sie Schlafsäcke und Essbares mitgeführt.
Gegen ihre Festnahme und die menschenverachtende Behandlung hatten sie Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. In einer Eilentscheidung wurde ihnen das Aufenthaltsrecht in Datteln zuerkannt – so konnten sie bei der Mahnwache am Sonntagnachmittag anwesend sein.

Dr. Julia Lis und Benedikt Kern vom Institut für Theologie und Politik in Münster      Foto: Sebastuan Balint, Dattelner Morgenpost

Pressemitteilung des Instituts für Theologie und Politik:
16.02.2020:https://www.itpol.de/mahnwache-gegen-polizeiliche-uebergriffe-am-kraftwerk-datteln-iv/
Redebeiträge anlässlich der Mahnwache „Dem Rad in die Speichen fallen“ am 16.02.2020 in Datteln:


Grundrechte müssen geschützt werden
Mahnwache wegen Präventivhaft von TheologInnen am Kraftwerk Datteln IV


Mahnwache am Sonntag, 16.02.2020 um 15 Uhr in unmittelbarer Nähe des Kraftwerkes unter dem Titel „Dem Rad in die Speichen fallen – Für Grundrechte und Protest gegen Datteln IV“.
++Neuer Ort: Zur Seilscheibe, 45711 Datteln (am Kanal, gegenüber dem Standort des Kraftwerkes)++

„Wir haben diese Mahnwache angemeldet, weil wir ein Zeichen setzen wollen, dass überzogene und ungerechtfertigte Maßnahme wie unsere Gewahrsamnahme nicht dazu geeignet sind, legitimen gesellschaftlichen Protest zum Verstummen zu bringen,“ so Benedikt Kern, Theologe und Betroffener sowie Anmelder der Mahnwache. „Das was uns geschehen ist, zeigt uns, dass wir dringend mehr kritische Öffentlichkeit und zivilgesellschaftliches Engagement brauchen. Wir wollen uns jetzt erst recht dafür einsetzen, dass Grundrechte gewährleistet und Protest und Einspruch in der Öffentlichkeit sichtbar bleiben.“

Über die Hintergründe für die Anmeldung der Mahnwache veröffentlicht die Nachrichtenagentur epd
am 12. 02. 2020 den folgenden Bericht:
Mitarbeiter des Instituts für Theologie und Politik in Münster wollen wegen einer Nacht im polizeilichen Gewahrsam Klage einreichen. Die Klage richtet sich gegen eine präventive Polizeimaßnahme im Zusammenhang einer Protestaktion Anfang Februar gegen das Kohlekraftwerk Datteln 4, wie die Institutsmitarbeiter Julia Lis und Benedikt Kern am Dienstag in Münster mitteilten. Auch ein weiterer ehrenamtlicher Unterstützer will den Gerichtsweg beschreiten. Die Polizei hatte den Polizeigewahrsam als präventive Maßnahme begründet. Kritik an der Polizei kam auch von den Grünen.

Benedikt Kern: Kein konkreter Tatvorwurf
Die katholischen Theologen Kern und Lis erklärten, sie seien als wissenschaftliche Beobachter eines Instituts eingeladen worden, das an der Schnittstelle zwischen Kirche und soziale Bewegungen angesiedelt sei. Unerklärlich sei, wie es zu der Behauptung der Polizei gekommen sei, dass sie im Verdacht gestanden hätten, unmittelbar bevorstehende Straftaten auszuüben. Die Beschlagnahmung ihres Autos durch die Polizei am Abend vor Protesten gegen die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks sowie ihre Gewahrsamnahme in einer Polizeistelle sei ohne konkreten Tatvorwurf erfolgt. Von den Aktivitäten, die für den nächsten Tag geplant waren, hätten sie nichts gewusst.
Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, der die drei Betroffenen vertritt, erklärte, es habe nichts gegen die Mitarbeiter vorgelegen, was diese Maßnahme gerechtfertigt hätte. „Freiheitsentziehung ist eine der schärfsten Maßnahmen, die es überhaupt gibt“, kritisierte der Anwalt. Von den Klägern sei keinerlei Gefahr ausgegangen. Wenn die Polizei den Institutsmitarbeitern Straftaten zugetraut hätte, hätte auch ein Platzverweis ausgereicht.

Grüne wollen Auskunft von Innenminister Reul
Die Rechtswidrigkeit des Polizeigewahrsams soll jetzt vom Amtsgericht Recklinghausen festgestellt werden, ein entsprechender Antrag sei gestellt, erklärte der Anwalt. Zudem werde gegen die Ausführung der Maßnahme vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geklagt.
Die Grünen kritisierten das Vorgehen der Polizei scharf: „Die Ingewahrsamnahme von Angehörigen des Instituts für Theologie und Politik wirft erhebliche Fragen auf“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion in NRW, Verena Schäffer. Daher habe die Fraktion eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt: „Der Innenminister muss beantworten, welche Gefahren von den betroffenen Personen ausgegangen sein sollen, die freiheitsentziehende Maßnahme rechtfertigen.“
Polizei: Richterliche Anordnung

Die Polizei verteidigte hingegen die Maßnahmen. Es habe sich um eine „Ingewahrsamnahme“ nach dem Polizeigesetz und den dort festgelegten Voraussetzungen gehandelt, erklärte ein Sprecher der Polizei Recklinghausen. Eine Richterin, der der Sachverhalt vorgetragen wurde, habe die getroffene Maßnahme bestätigt und die Fortdauer der Maßnahme angeordnet. Wenn die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen von Betroffenen infrage gestellt werden sollte, überprüfe die Polizei diese nochmals.

Die Betroffenen hatten zuvor auf dem theologischen Portal „feinschwarz.net“ berichtet, dass sie an den Demonstrationen rund um das Gelände von Datteln 4 teilnehmen wollten und sich am Vorabend einen Überblick vor Ort verschaffen wollten. Polizeibeamte hätten den Schilderungen zufolge bei der Kofferraumkontrolle Schlafsäcke, Kleidung und Proviant gefunden und ein Handy konfisziert. Die Beamten brachten demnach Mitarbeiter des Münsteraner Instituts ins Polizeipräsidium Recklinghausen.
Am 2. Februar hatte vor dem Kraftwerksgelände eine genehmigte Mahnwache stattgefunden. Zudem hatten sich rund 120 Menschen aus dem Umfeld des Klimaaktionsnetzwerks „Ende Gelände“ gewaltsam Zugang zum Betriebsgelände des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 verschafft und Anlagenbereiche besetzt. (epd
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Mehrfach kontrollierte die Polizei in der Nacht vom 1. zum 2. Februar 2020 Personen im Umfeld des Kraftwerks.  
Foto: © Sebastian Balint (Dattelner Morgenpost)

Pressemitteilungen des Instituts für Theologie und Politik in dieser Angelegenheit:
06.02.2020: https://www.itpol.de/theologinnen-ueber-nacht-eingesperrt/


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat am Freitag (14.02.) im Sinne der klagenden TheologInnen entschieden, dass das von der Polizei Recklinghausen ausgesprochene Aufenthaltsverbot für den Bereich rund um das Kraftwerk Datteln 4 rechtswidrig ist. Damit dürfen die Antragsteller am Sonntag wie geplant an der Mahnwache vor dem Haupteingang des Kraftwerks teilnehmen.
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